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Szenenfoto aus "HERSTORY. No more excuses. No more abuses." im Werk X Petersplatz
Szenenfoto aus "HERSTORY. No more excuses. No more abuses." im Werk X Petersplatz
24.03.2023

Kraft- und lustvolles Auseinandernehmen patriarchaler Herr-schaft

Aus History wird „HERStory“ im Werk X Petersplatz, ein schwungvoll, oft heftig-arg-berührendes „Doku-Theaterstück“ starker Frauen mit kräftiger Musik und manchmal sarkastischem Witz.

So nah und doch so fern – im ziemlichen Dunkel sind beim Betreten des Theaterraums irgendwo weit entfernt auf einer Art Sieges-Treppchen links und rechts je drei Frauen mit dem Rücken zum Publikum wahrzunehmen. Hoch oben auf der mittleren Etage – mit dem Gesicht nach vorne zwischen einer Art Pferdesattel und einem DJane-Pult die Musikerin Jana Schulz.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „HERSTORY. No more excuses. No more abuses.“ im Werk X Petersplatz

Das Licht geht an und die sechs Schauspielerinnen schreiten ins Rampenlicht. Sie spulen bekannte Vorschriften, Ge- und Verbote runter, die längst der Vergangenheit angehören sollten, es aber noch immer nicht tun – von Kleidungsvorschriften – zu aufreizend, zu kurz, zu viel, zu wenig geschminkt. Und weiteren, die sich noch direkter auf den Körper beziehen von zu dick bis zu dünn und noch viele mehr. Sie alle werden von Grace Marta Latigo, Claudia Marold, Simonida Selimović, Denise Teipel, Christina Kiesler und Lara-Fabienne Karasek nach jeweils einem Block solcher vom patriarchal-männlichen Blick getriebenen Anforderungen mit dem satten Satz mit ironisch-sarkastischem Unterton „Sei eine Frau!“ kommentiert.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „HERSTORY. No more excuses. No more abuses.“ im Werk X Petersplatz

Herr-schaft

Im Kellertheater am Wiener Petersplatz (Werk X) läuft aktuell „HERSTORY. No more excuses. No more abuses” (Keine Entschuldigungen, keine Missbräuche mehr!), ein kraft- und lustvolles, mitunter auch witziges, jedenfalls sehr engagiertes kritisches Aufzeigen patriarchaler Herr-schaft, genannt „Doku-Theaterstück“ von Sophie Benedikte Stocker, Regie: Ursula Leitner; mit kräftigen Rhythmen der Live-Musikerin.

Fakten sind in einer „Pimmel-Rad“-Quiz-Show – mit einer Art Schlappschwanz-Kunststoff-Dildo – gefragt – die in der ersten Runde immer „Frauen“ und in der zweiten immer „Männer“ als richtige Antworten hat, allerdings altbekannter Fakten von weniger verdienen bis mehr Vorstandposten besetzen. Die einzige Überraschung vielleicht: Wer hat Bier erfunden? Sumererinnen (südliches Mesopotamien). Wobei das eher eine Vermutung ist und vielleicht einfach eine Umdeutung von History zu Herstory 😉 Wobei es trotz aller Witzigkeit resignativ nur die lebenslange Mitgliedschaft im Patriarchat zu gewinnen gibt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „HERSTORY. No more excuses. No more abuses.“ im Werk X Petersplatz

Spieß umdrehen

Sehr heftig berührend Erfahrungsberichte – nicht von Frauen vor Jahrhunderten oder wenigstens Jahrzehnten sondern aus heute und hier: Männer, die sich an weiblichen Oberschenkeln in dicht gedrängten U-Bahnen reiben und Betroffenen, die lieber nichts sagen, als zu Störfaktor:innen zu werden – oder aber anderen, die sehr wohl fürs lautstarke Aufzeigen plädieren. Geschildert wird aber auch anhand des U-Bahn-Beispiels das Nicht-Reagieren der Umstehenden, das sich auf „beschämt Wegschauen“ beschränkt. Dass dies aber beim Darüber-erzählen leichter anders vorstellbar ist als in der realen Situation führen die sechs Schauspielerinnen vor, indem sie die Publikumstribünen hinaufeilen, den Spieß umdrehen und Männer mit blöden Anmachsprüchen angehen – und selbst in dieser geschützten Theatersituation niemand (einschließlich dem Rezensenten) auch nur irgendwie reagiert außer mit Gelächter.

Erlebnisse von Übergriffen bis zu Vergewaltigungen werden ebenso geschildert, wie zu schlechter Letzt: Eingesprochen und als projizierter Text über die ganze Bühne laufend: Reale Femizide, Morde an Frauen, nur weil sie Frauen sind, aus den vergangenen Monaten.

Engagiert, leider noch immer notwendig, aber die Frage, die sich aufdrängt: Werden angesichts des Publikums, das dieses Theater besucht nicht sprichwörtlich Eulen nach Athen getragen?

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

HERSTORY. No more excuses. No more abuses.

Doku-Theaterstück von Sophie Benedikte Stocker
Eine Produktion von handikapped unicorns in Kooperation mit WERK X-Petersplatz

Inszenierung: Ursula Leitner
Mit: Grace Marta Latigo, Claudia Marold, Simonida Selimović, Denise Teipel, Christina Kiesler, Lara-Fabienne Karasek, Jana Schulz
Musik: Jana Schulz
Ausstattung, Video: Flora Valentina Besenbäck, Isabela Voicu
Dramaturgie: Sophie Benedikte Stocker
Produktionsleitung : Dušana Baltić
Regieassistenz: Lisa Carina Maier
Technik: Martin Siemann, Ali Salman

TRIGGERWARNUNG: Das Stück enthält Schilderungen von körperlicher, sexualisierter und emotionaler Gewalt, sowie explizite Sprache, die belastend und retraumatisierend wirken können. Infos und Unterstützung für Betroffene finden Sie hier

Wann & wo?

Bis 25. März 2023
Werk X Petersplatz: 1010, Petersplatz 1

Werk X-Petersplatz -> HERSTORY

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