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Aktionistische Kundgebung gegen strukturelle Gewalt an Frauen
Aktionistische Kundgebung gegen strukturelle Gewalt an Frauen
12.03.2022

Lust- und kraftvoll gegen das Patriarchat kämpfen

Schwarze, indigene und People of Color Feminismen und kreative Methoden des gewaltfreien Widerstands – Performances und Talk im Rahmen des Skin#3-Festivals im Dschungel Wien. Ergänzt um aktuelle Fotos.

„Der Vergewaltiger bist du!“ – rufen die spontan zu Aktivist:innen gewordenen Gäste des Performance-Talks „BIPoC & kreativer, feministischer Widerstand“ am Platz der Menschenrechte Freitagabend – auf Deutsch und Spanisch – „El violador eres tu“.

Es ist – vor dem Performance-Parcours am vorletzten Tag des dritten Skin-Festivals die wohl am meisten unter die Haut gehende Aktion – eben in der Öffentlichkeit. Raus aus dem Theaterraum im Dschungel Wien, auf dessen drei Bühnen das Festival unter dem Motto „lachen und kämpfen: Feministischer Widerstand jetzt!“ vor allem in Theaterstücken und theatralen Performances stattfindet.

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Ein Vergewaltiger auf deinem Weg …

Die eingangs genannte Aktion wurde zunächst auf Bühne 2 von Besucher:innen geübt – Gabriela Jorquera hatte von dem vor drei Jahren in Chile vom Kollektiv Las Tesis erfundenen öffentlichen Protest „Un Violador En Tu Camino“ / „Ein Vergewaltiger auf deinem Weg“ erzählt, den spanischen und deutschen Text, der dazu skandiert wird, verteilt. Nicht nur einzelne, konkrete Vergewaltiger werden dabei namhafte gemacht und angeklagt, sondern vor allem auch das diese Verbrechen produzierende System – Polizei, Gerichte, Kirche, politisches System – kurz zusammengefasst: Das Patriarchat.

Aktionistische Kundgebung gegen strukturelle Gewalt an Frauen
Aktionistische Kundgebung gegen strukturelle Gewalt an Frauen

Und so ernst das Thema, so machen diese Aktionen doch auch den Teilnehmer:innen – FLINTAs (Frauen, Lesben, Inter-, Nicht-binäre, Trans- und Agender-Personen) Spaß, verleihen ihnen vor allem Kraft – im gemeinsamen Kampf, so die Initiatorin des Wiener Ablegers der aus Chile kommenden, aber sich schon in vielen Ländern verbreitenden Aktionen unter dem Übertitel „desperto“ (erwachen).

Vor und nach der eben beschriebenen indoor geprobten, outdoor durchgeführten Protestaktion performten zwei Künstlerinnen unterschiedlichste Szenen der Auseinandersetzung mit kulturellem Erbe.

Schwer zu tragendes (kulturelles) Erbe

Guadalupe Aldrete aus Mexico trug zunächst eine große Schüssel dunkler Flüssigkeit in die Mitte der Bühne, holte fünf Stoff-Stücke mit langen roten Schnüren herbei, gruppierte sie um die Schüssel, verknotete die Schnüre und verband diese mit ihren Haaren, stieg in die schwarze zähe Masse und zog beim langsamen Heraustreten und Kriechen die eingetauchten, schwer gewordenen Stoffe – nur an ihren Haaren gebunden und damit deutlich schmerzhaft aus der Schüssel. Um danach auch noch Sand aus einem weiteren Stoffpaket zu essen. „Es geht mir dabei darum, zu zeigen, wie schwer wir an unserem Erbe zu tragen haben“, sagt sie danach Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr …

Unter, auf und rund um einen (Perser-)Teppich

Unabgesprochen, aber auch schwer zu tragen hatte Bita Bell in ihrer im Foyer des Theaterhauses beginnenden und schließlich auf der Bühne fortgesetzten Schauspiels und Tanzes. Sie tanzt rund um einen eingerollten, aufgestellten Perserteppich, schultert ihn, legt ihn sich auf den Kopf und trägt ihn balancierend, geht auf alle Viere, kriecht – den Teppich auf dem Rücken – in Richtung Bühne, rollt ihn aus, schlüpft unter ihn, von ihm fast erdrückt, befreit sie sich. Erobert ihn, zeichnet Muster tanzend nach, schlüpft wieder unter ihn und beginnt wild und wilder zu tanzen – wobei Bilder an Derwisch-Tänze im Kopf entstehen. Um ihn schließlich wieder auf den Boden zu legen, Gläser – und zwei Menschen aus dem Publikum zu holen, um mit ihnen Tee zu trinken.

„Ich hab diese Performance 2019 entwickelt, als ich in den USA gelebt habe, Trump Präsident war und seinen Muslim-Ban (Einreiseverbot für Menschen aus Ländern wie dem Iran, Anm. d. Red.) ausgesprochen hatte. Da wollte ich mit dem Teppich auf meine iranischen Wurzeln verweisen“, sagt sie Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…

Podiums-Runde
Abschließende Diskussionsrunde

Take the Cake

Die beiden Künstlerinnnen Guadelupe Aldrete und Bita Bell sowie die oben schon genannte Aktivistin Gabriela Jorquera waren danach noch Teil einer kurzen Podiumsdiskussion (moderiert von Ruby Sircar  von der Akademie der bildenden Künste, Wien) über feministischen Widerstand, Teilhabe an der Gesellschaft und Kultur sowie Empowerment. Dazu gesellten sich noch Adaora Ofoedu (Schwarze Frauen Community), die Aktivistin und (grüne) Politikerin Faika El-Nagashi sowie Anna Gaberscik (D:Arts), die selbst Teil der Performance „Mamagedoon“ war, die zwei Mal im Rahmen des aktuellen Skin-Festivals aufgeführt worden war – Link zur Besprechung unten).

Nicht auf Krümel vom Kuchen warten, sondern sich entsprechende Stücke davon nehmen bzw. oft lieber selber welche backen war vielleicht das treffendste auf den Punkt gebrachte Bild, das Ofoedo in die Diskussion einbrachte und hängen blieb/bleibt.

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