„I really liked you Piggyboy“: Bittere Satire über sexualisierte Gewalt im Theater Forum Schwechat.
Vier Frauen und ein Todesfall – das scheint zu Beginn der Bühnenabend zu werden; wenn nicht vorher ins Programmheft hineingelesen worden wäre 😉 Vier in Trauerschwarz gekleidete Frauen – mit roten Hühnerkämmen, die aus einem ineinander verschachtelten „Schlaf“ am Bühnenrand erwachen – finden sich zwischen und auf roten Sesseln, die vor einem Sarg mit Blumenkranz stehen; für die ersten Sitzreihen sind letztere kaum zu sehen ;(
Nachdem Vroni (Pia Zimmermann) detailreich die Hinrichtung eines Huhnes erklärt (am Beginn des zwieten Teils dann eine Schweineschlachtung in ähnlicher Weise), beginnen sich die anderen drei – Marlene (Charlotte Kaiser), Elisabeth (Kaija Ledergerber) und Marianne (Manuela Seidl) – ein bisschen die Mäuler zu zerreißen über einen „Vorfall“, der sich unlängst nach dem Dorffest ereignet haben soll. Laura (Christine Tielkes), der gleich mal das Etikett „Flittchen“ umgehängt wird, soll naja, so direkt will es keine aussprechen, angeblich vergewaltigt worden sein. Aber man hätte ihr anderntags gar nix angemerkt, weder Verletzungsspuren noch Niedergeschlagenheit und so weiter…
Um Machtausübung in Form sexualisierter Gewalt dreht sich „I really liked you Piggyboy“ (Ich mochte dich wirklich, Schweinchen-Bub), einer Eigenproduktion im Theater Forum Schwechat. Satirisch geschrieben von Raoul Eisele, von Regisseurin Rachel Müller mit dem Fünf-Frauen-Schauspiel-Ensemble in eine eigene Fassung geformt, dreht sich der erste Teil darum, wie noch immer Frauen oft von der Öffentlichkeit im Fall von Vergewaltigungen eine Art Mitschuld angedichtet wird – aufreizend angezogen, offenherzig, freizügig. Und nicht akzeptiert wird: Nein heißt einfach Nein! Schluss. Aus. Ende der Debatte.
Heftig jedenfalls. Dann ein krasser Bruch. Vorhang. Ende des ersten Teils. Pause. Eigentlich fast unaushaltbar jetzt so in Pausentratsch überzugehen. Zog es vor, im Saal sitzen zu bleiben.
Und doch gelingt es dem Ensemble und der Inszenierung im zweiten Teil mit einem schrägen Auftritt in pinken großen Muschel-Planschbecken zu Regen- und Gewittergeräuschen einer und dem stilisierten Auto – mit echten Autositzen und Rückbank (Bühnenbild: Barbara Strolz, Werner Ramschak, Daniel Truttmann nach der Raum-Idee der Regisseurin) – in einem Mix aus Satire und bitterem Ernst an Teil eins anzuknüpfen. In einem fast echt wirkenden (inszenierten) Streit geht’s darum, ob nun Laura – im ersten Teil Randfigur, weil nur über sie geredet wurde – nun im Zentrum als jene, die sich selbst zu Wort meldet, aus dem Abend „ein Lehrstück“ machen will und damit der (Spiel-)Witz verloren ginge.
Nein, es solle ein „Ver-Lehr“-Stück werden, das Publikum solle die Chance haben, eingelernte Muster zu verlernen. Laura schildert nicht nur, wie und was passiert war, sondern kämpft auch darum, nicht als das niedergeknüppelte, zu Tode betrübtes Opfer weiterhin durch die Welt rennen zu müssen. Solle sich doch der Täter, ein im Dorf anerkannter beliebter Mann und obendrein Tochter einer der vier Frauen, mit seinem Verhalten auseinandersetzen, mit seiner Übergriffigkeit, dem Nicht-Respektieren gesetzter Grenzen, dem deutlichen mehrmaligen Nein. Und obendrein der mehrfach auch gestellten Frage: Macht dir das wirklich Spaß?
Im Dialog mit dem Quartett bringt dieses die unterschiedlichsten gängigen Ausreden, „Entschuldigungen“, Erklärungen, alte Rollenklischees in satirischem Unterton zur Sprache. Um schließlich ernsthaft Rollen-, aber auch Geschlechterzuschreibungen zu hinterfragen.
So ernst und richtig das Gesagte ist, wird hier das Stück dann doch zu dem, was davor vermieden werden wollte: Belehrung. Da wird zu wenig darauf vertraut, dass das Publikum schon aus dem zuvor Gespielten, selber die entsprechenden, richtigen Schlüsse ziehen kann.
Gesellschaftssatire von Raoul Eisele
Fassung Rachel Müller und Ensemble
Eigenproduktion Theater Forum Schwechat
Ca. zwei Stunden (eine 20-minütig Pause)
Marlene: Charlotte Kaiser
Elisabeth: Kaija Ledergerber
Marianne: Manuela Seidl
Vroni: Pia Zimmermann
Laura: Christine Tielkes
Regie und Raum: Rachel Müller
Bühnenbild: Barbara Strolz, Werner Ramschak und Daniel Truttmann
Kostüm: Ida Bekič
Regieassistentin: Amy Parteli
Kostümassistentin: Anna Romanova
Technische Leitung Werner Ramschak
Bis 2. Dezember 2023
Theater Forum Schwechat: 2320, Ehrenbrunngasse 24
Telefon: 01 707 82 72
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