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Szenenfoto aus "Molk Schweigen - Über uns der Himmel" im Dschungel Wien
Szenenfoto aus "Molk Schweigen - Über uns der Himmel" im Dschungel Wien
04.10.2024

Mit „Molk Schweigen“ hoffentlich genau dieses durchbrechen

Berührendes poetisch-musikalisch-malerisches Stück über (nicht nur) zwei Kärntner Sloweninnen, die von den Nazis wenige Monate vor Kriegsende ermordet wurden.

Drei Tage nach der jüngsten Nationalratswahl ließ – nach vorherigen Aufführungen in Kärnten (Pfarrkirche St. Veit im Jauntal / Farna cerkev Šentvid v Podjuni) und an der Außenmauer der Wotrubakirche in Wien – „Molk Schweigen – Über uns der Himmel“ von Theater ISKRA nun im Dschungel Wien im MuseumsQuartier immer wieder den Atem stocken. Drei junge Schauspielerinnen und eine ebensolche Musikerin ließen die Gedanken und Gefühle zweier Frauen durch den Raum schweben, die vor fast 80 Jahren ermordet wurden.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Molk Schweigen – Über uns der Himmel“ im Dschungel Wien

Theatrales Denk- und Mahnmal

Die beiden Kärntner Sloweninnen Terezija und Terezija Mičej, Mutter (61 Jahre, geborene geb. Gregorič) und Tochter (22½ Jahre), wurden am 12. Jänner 1945 vom faschistischen Nazi-Regime nach einem Urteil des berüchtigten Blutrichters Roland Freisler geköpft. Regisseurin und Leiterin der Gruppe „Theater für alle – ISKRA“, Nika Sommeregger, hat den beiden Frauen mit dieser Performance ein berührendes zweisprachiges Denkmal gesetzt. Sie, die beschuldigt worden waren, Widerstandskämpfer:innen beherbergt zu haben, waren im Juni 1944 von der Gestapo (Geheime Staatspolizei der Nazis) verhaftet, eingesperrt, gefoltert worden. Und verrieten dennoch niemanden. Nicht einmal eine Woche nach dem Schandurteil wurden sie ermordet. Das Unrechtsurteil wurde übrigens erst vor rund 20 Jahren von der Republik Österreich aufgehoben.

Die Performance aus Schauspiel, Live-Musik und Live-Malerei mit Projektion könnte nicht nur als Denk-, sondern sozusagen auch als ein Mahnmal aufgefasst werden – unter dem Motto „Nie wieder!“. Wobei Letzteres zunehmend in Europa ins Wanken gerät, wenn offen (neo-)faschistische Gruppierungen bei Wahlen sehr viel Zustimmung erfahren.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Molk Schweigen – Über uns der Himmel“ im Dschungel Wien

Zarte und doch starke Geigentöne

Unaufgeregt, meist langsam, bedächtig betritt nach der Geigerin (Lena Kolter;
Komposition: Florijan Loernitzo) eine Schauspielerin nach der anderen (Linnea Jonasson, Katharina Pajenk, Hannah Rederlechner) die weiße Tanz- und Performancefläche. Klänge zwischen zart und schmerzhaft und dennoch mit einer Prise Lebensfreude lässt die Musikerin mit ihrem Geigenspiel ertönen. Später wird sie sogar ganz ohne Bogen nur mit ihrem in das Instrument geblasenen Atem Gänsehautmoment erzeugen.

Abschiedsbrief

An authentischem Zeugnis der beiden Terezijas gibt es nur den Abschiedsbrief der Tochter an den Vater. Aus diesem zitiert die Autorin des Stücks – und auf der Bühne zwei der Schauspielerinnen: „Če sem ti, dragi oče, kdaj povzročila trplenje, mi oprosti“ / „Lieber Vater, verzeih mir bitte, wenn ich dir in meinem Leben Leid

zugefügt habe. Sehr kurz war mein Leben. … verzeih mir bitte, wenn ich durch das Todesurteil Schande über dich bringe… ich habe getan, wozu du und Mutter mich erzogen habt. Ich bin dem Ruf meines Glaubens gefolgt… Und dem Ruf meines Gewissens… Wir sehen uns im Himmel wieder.“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Molk Schweigen – Über uns der Himmel“ im Dschungel Wien

Lebenslustig

Aus diesem Brief, einigen Eckpunkte aus dem Leben der beiden bzw. aus – angenommenen – Vorlieben der 22-Jährigen – „sie ist eine junge Frau. Tochter, zumeist. Singt gerne, spielt gerne Theater, geht tanzen. Manchmal läuft sie frühmorgens barfuß über das Feld. Unter ihren Füßen spürt sie eine angenehme Kühle. Dann hält

sie inne und lauscht den vielen Liedern dieser Welt zu – lassen die drei Schauspielerinnen und die Musikerin die beiden Frauen in ihren letzten Stunden und Minuten lebendig werden – mit deren Wissen, dass sie demnächst getötet werden.

Live-Pinselstriche

Zu dem Spiel der vier Frauen auf der Bühne gesellen sich phasenweise live hinter der Bühne gemalte starke Pinselstriche (Ulrich Plieschnig; bei Aufführungen in Kärnten: Simona Krajger), die auf die Leinwand in der Mitte des Bühnenhintergrundes projiziert werden – und damit auch über die Rücken der Spielerinnen, die davor stehen.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Molk Schweigen – Über uns der Himmel“ im Dschungel Wien

Lange Recherchen und Beschäftigung

Die Regisseurin und Verfasserin der Bühnentext-Collage Nika Marie Sommeregger war auf die beiden ermordeten Frauen aus einem benachbarten Dorf ihres eigenen Heimatortes vor zwölf Jahren durch die Initiative der Historikerin Adele Polluk aufmerksam geworden. Diese hatte sich in ihrer Diplomarbeit ausführlich mit Mutter und Tochter Terezija Mičej beschäftigt und recherchiert. Danach wurde auf deren Initiative – unterstützt von einem Projektteam – eine Gedenktafel auf dem Friedhof von Dorf St.Veit  im Jauntal / Šentvid v Podjuni errichtet. Das war der Start für Sommereggers Recherchen und erste Gedanken, das Schicksal der beiden künstlerisch zu bearbeiten.

Text-Collage

In vielen Jahren reifte das, was nun noch einmal im Dschungel Wien zu erleben ist – nach der letzten Aufführung Freitagabend schließt sich übrigens eine Diskussion über „zivilen Ungehorsam und Widerstand heute“ an (Details zum Stück und zur Diskussion in der Info-Box ganz am Ende). Und ist damit nicht nur ein Stück über die beiden Frauen, es schwingt das Schicksal aller anderen ermordeten Widerstandskämpfer:innen mit – samt der Bloßlegung autoritärer, faschistischer Systeme, die Ihre Gegner:innen umbringen.

In den poetischen zweisprachigen (Deutsch und Slowenisch) Text hat Sommeregger neben Auszügen aus dem Brief Terezija Mičej an ihren Vater, den sie übrigens auf Deutsch schreiben musste, weil Slowenisch untr den Nazis verboten war, auch Passagen von Milka Hartmann, Rainer Maria Rilke, Wolfgang Goethe (Iphigenie), Heinrich Heine, Joseph Eichendorff sowie aus einem slowenischen Volkslied passgenau montiert.

Zwei Zitate aus dem Text sollen hier nicht vorenthalten werden: „Und nun singt diese Flöte/ Lieder dieser Landschaft; / bis an mein Ende wird sie klingen, / bis deine Hand sie zerbricht.“ (Milka Hartman)

„Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus, / flog durch die stillen Lande, als flöge sie nachhaus.“ (Joseph Eichendorff) setzt die Regisseurin und Verfasserin des Stücktextes so fort: „Stopiš na sprejem v spomine zavest zbledi v vsemirje.“ Samt der sinngemäßen Übertragung ins Deutsche mit „Die Zeit für uns bleibt einfach stehen. Ein neues Lied ist zu beginnen.“

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Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Molk Schweigen – Über uns der Himmel“ im Dschungel Wien
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Molk Schweigen – Über uns der Himmel

Deutsch und Slowenisch; Theater für alle – ISKRA
Ab 16 Jahren; ¾ Stunde

Bühnenfassung, Regie und Dramaturgie: Nika Sommeregger
Schauspiel: Linnea Jonasson, Katharina Pajenk, Hannah Rederlechner
Live-Geige: Lena Kolter
Komposition: Florijan Loernitzo
Live-Malerei: Ulrich Plieschnig (bei Aufführungen in Kärnten: Simona Krajger
Kostümbild: Renate Wichtl
Regie-Mitarbeit: Mija Krajger
Beratung: Andrea Wälz, Irmi Egger
Organisation: Susanna Buchacher
Licht: Luka Bosse
Grafik: Jelena Cvetković Šarkanović

Wann & wo?

Bis 4. Oktober 2024
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
dschungelwien -> molk-schweigen-ueber-uns-der-himmel

Podiumsdiskussion: Ziviler Ungehorsam und Widerstand heute

Nach der Vorstellung am Freitagabend (4. Oktober) können Besucher:innen zu diesem Thema mit
Hinrich Bonin, Klimaaktivist
Susanne Scholl, Omas gegen rechts
Peter Schwarz, langjähriger Leiter des psychosozialen Gesundheitszentrums ESRA
Nika Marie Sommeregger, Regie „MOLK SCHWEIGEN“
diskutieren; Moderation: Arijane Sommeregger, Astrophysikerin

4. Oktober 2024
Ab 20.45 Uhr
Eintritt frei
Es besteht die Möglichkeit, am 04.10. um 19.30 Uhr die Vorstellung zu besuchen und sollte der Eintrittspreis eine Hürde sein, fragen Sie an der Kassa nach einer Patenschaftskarte.

langertagderflucht -> diskussion „ziviler Ungehorsam…“