„Blackout“ – eine Stückentwicklung von kochen.mit.wasser als Aufarbeitung des Mordes eines theaterbegeisterten Jugendlichen durch seine Mutter.
Mit dem Rücken zum Publikum ist zunächst ausschließlich die Video-Künstlerin Claudia Virginia Dimoiu zu sehen. Mit der Handykamera filmt sie abwechselnd eine Madonnen- und dann wiederum eine muskelbepackte Actionfigur. Als Publikum sehen wir einerseits ihr Agieren und hantieren und andererseits die Bilder groß an eine Wand projiziert. Nach und nach tauchen vier Schauspieler:innen auf – alle gleich gewandet mit Blue Jeans und blauen Pulli. Ein solches Oberteil verbindet Outfit-mäßig die Video-Filmerin mit der darstellenden Crew.
Peter Pertusini, Sonja Romei, Carina Werthmüller und Sebastian Pass erzählen – und spielen immer wieder – eine wahre Geschichte, eine heftige – „Blackout“ im WerkX-Petersplatz – bis 9. April 2022 (siehe Info-Box). Ein Jugendlicher, Schüler einer katholischen Privatschule am Wiener Stadtrand, wurde von seiner Mutter getötet. Die hatte danach die Wohnung in Brand gesetzt, das Feuer wurde gelöscht, sie gerettet, angeklagt, verurteilt und hat ihre Haftstrafe mittlerweile abgesessen.
Dieser ca. 12-/13-Jährige war begabter Mitspieler in der Theatergruppe, im selben Jahrgang mit Pertusini. Diesem, so in den Infos zum Stück, fehlten einige Jahre in seiner Geschichte, jene um diesen „Konrad“, weshalb er sich zum Ziel setzte, daraus ein Stück zu machen – als Denkmal für den ermordeten Mitschüler und irgendwie auch Freund. Die jetzige ist, so sagt er nach dem Stückbesuch zu Kinder I Jugend I Kultur I und mehr … „die siebente Version“.
Wir sehen und erleben auf der Bühne die vier Schauspieler:innen, die das Stück gemeinsam in ihrer Gruppe „kochen.mit.wasser“ entwickelt haben (Dramaturgie: Angela Heide). Switchend zwischen Gedanken rund um die Tat und Schlüpfen in Rollen der Beteiligten – Konrad und seine Mutter waren oft zu Gast bei einigen wenigen Mitschüler:innen und deren Familien. Dafür kriegt die Videokünstlerin bald nach Beginn des rund 1 ¼ Stunden dauernden Stücks noch ein Puppenhaus auf ihren Arbeitsplatz gestellt, in dem sie häusliche Szenen vor das Objektiv holt und heranzoomt, teils die projizierten Bilder vervielfacht. An ihrem Arbeitsplatz bedient sie nebenbei auch noch via Laptop das digitale Mischpult.
Von den Schauspieler:innen wird immer wieder das tosende Schweigen nach dem Mord zur Sprache gebracht. In der Schule hat es nicht einmal einen Gedenkgottesdienst für den getöteten Mitschüler gegeben, kein psychologisches oder nur irgendein empathisches Gespräch mit den Mitschüler:innen. Gedanken und Gespräche der Eltern von Mitschüler:innen werden gespielt, die die Täterin oft als gestresst erlebten, ihr aber nie und nimmer diese Tat zugetraut – oder auch nur Anzeichen dafür gesehen hätten. Zwischendurch überlegen sie, ob sie da doch was übersehen hätten … Motiv wird nur mit dem Begriff „erweiterter Selbstmord“ genannt. Womit allerdings der Titel „Blackout“ auch nicht passt.
Zentral aber wird über diesen Buben, der hier Konrad heißt, erzählt. Projizierte, in Bewegung versetzte Bilder (Fotos, Projektionen: Simona Reisch) des großzügigen, grünen Schulareals und seines Umfeldes könnten sein Blick auf Schulweg und Gelände sein. Vor allem aber wird seine Leidenschaft für Theater inszeniert, nicht zuletzt über das letzte Stück, das er spielte – Jury Soyfers „Der Weltuntergang“. In dem schrieb der 1912 in Charkiw (heute Ukraine) geborene Autor, der mit nur 27 Jahren im Konzentrationslager der Nazis in Buchenwald ums Leben gekommen wurde, 1936 von der Erde und ihrem Problem, Menschen zu haben. Damit kommt sie aus dem Takt und ein Zusammenstoß im Weltall droht.
„Auch deswegen haben wir das Stück jetzt gemacht“, so Peter Pertusini zum Berichterstatter, „weil der Kinofilm „Don’t Look Up“ eigentlich diese Geschichte hernimmt.“
Ein sehr junger Rapper, Moritz Höllering, nahm die Schlusszeilen Soyfers Weltuntergang auf, die dem damaligen Mitschüler und heutigen Schauspieler sehr im Gedächtnis geblieben sind:
Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde,
Voll Leben und voll Tod ist diese Erde,
In Armut und in Reichtum grenzenlos.
Gesegnet und verdammt ist diese Erde,
Von Schönheit hell umflammt ist diese Erde,
Und ihre Zukunft ist herrlich und groß…“
Irgendwie laufen Schauspiel, Erzählungen und Videos wie eine Art Live-Doku samt Elementen von Making of ab – als „Denkmal für einen Freund“, unterlegt und durchbrochen mitunter von lauten Klängen der Musik Sebastian Watzingers aka MIRAC, der auf Basis der Partituren von Luigi Cherubinis Médée (Medea, die gemeinhin als Kindsmörderin der griechischen Mythologie firmiert).
Ein authentisches (auto-)biographisches Spiel, das behutsam mit einer furchtbaren Tragödie umgeht, es auf offener Bühne behandelt und doch nie auch nur Ansätze zu Voyeurismus liefert.
Eine Stückentwicklung von kochen.mit.wasser
Inszenierung: Peter Pertusini
Mit: Sonja Romei, Carina Werthmüller, Sebastian Pass, Peter Pertusini
Fotos, Projektionen: Simona Reisch
Video/Visuelle Einrichtung: Claudia Virginia Dimoiu
Musik: Sebastian Watzinger aka MIRAC
Rap: Moritz Höllering
Dramaturgie: Angela Heide
Regie- & Produktionsasistenz: Julia Pacher
Lichtdesign: Anna Bauer und Ines Wessely
Eine Produktion von kochen.mit.wasser. in Kooperation mit WERK X-Petersplatz
Bis 9. April 2022
Werk X-Petersplatz: 1010, Petersplatz 1
Telefon: 01 535 32 00
werk-x -> Blackout
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen