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Szenenfoto aus "Core – Drept la Replică"
Szenenfoto aus "Core – Drept la Replică"
01.07.2024

Queere und trans* Romani: Verborgene Held:innen und viele Opfer

Im Rahmen des 4. „E bistarde – vergiss mein nicht“ Roma-Kultur- und Theaterfestivals gastierte „Queerdos Kollektiv“ im Dschungel Wien.

Schockmoment gleich zu Beginn. Klar, es handelt sich um Theater, Performance. Dennoch eine „Leiche“ oder wenigstens denkbar schwerst verletzte Person, die auf den ersten Treppen der Publikums-Tribüne liegt! Huch, Schnaufen, Innehalten. Da vorbei gehen? Soll da vielleicht gar getestet werden, wie Zuschauer:innen reagieren?

Offenbar eher nicht, zu offensichtlich inszeniert liegt Cat Jugravu da. Und in „Core – Drept la Replică“ (Rumänisch – Übersetzung: Recht auf Antwort) vom Queerdos Kollektiv im Rahmen des zu Ende gegangene 4. „E Bistare – vergiss mein nicht“ Roma-Theater- und Kulturfestival ging es schon von der Ankündigung nicht nur um die schon lange zurückreichende Existenz von LGBTQIA+ auch unter Rom:nja, Sinti:zze…

Kraftvolle Vorbilder, die auch von der eigenen Community an den Rand gedrängt ausgegrenzt wurden. Und nicht selten – wie auch nicht-queere – Angehörige dieses wohl internationalsten Volkes – ohne Land – mehr als diskriminiert, ja teils systematisch ermordet worden sind.

Schriftlich Projektionen

Genannt und oft auch im Hintergrund an die Wand projiziert – wobei da nicht selten auch die Schrift ineinander lief und alles andere als gut leserlich war – erzählte Cat Jugravu genauso über einzelne Persönlichkeiten – ob Kämpfer:innen oder/und Opfer – aber auch die gesamtgesellschaftliche Situation bis hin zum Porajmos, dem Pendant zum Holocaust. Eine halbe Million Rom:nja und Sinti:zze wurden von den Nazis systematisch ermordet.

Untertitel des Abends, der sich mehr Besucher:innen verdient hätte: „Practicing Memory – A Performative Exercise“ (Gedächtnisübungen – Eine performative Übung). Und zu den performativen Elementen gehörte nicht nur das eingangs beschriebene auf dem Boden liegen als Opfer, sondern noch so manch andere drastische Actions.

Musik und Rezitation

Es war aber kein Solo, heißt die Gruppe doch nicht umsonst Kollektiv. Marcos Vivaldi steuerte einen Klangteppich aus Live-Musik mit Querflöte, Saxophon, vor allem aber elektronischer Musik bei. Einerseits so etwas wie fluider Untergrund, auf dem sich die Performance – zu der auch noch Andrei Raicu, Gilda Horvath (letztere mit einem Text, den sie für die Gruppe auf Romanes übersetzt hatte – und glich gebeten wurde, ihn selbst vorzutragen, was zu einer beeindruckenden Szene wurde) ihre Beiträge lieferten. Andererseits verstärkte die Musik mitunter besonders emotionale Momente.

Intentionen

„Mit diesem performativen Akt überbrücken wir die Klüfte in his-story und bringen Stimmen zum Vorschein, die unterdrückt wurden: queere und trans* Romani Geister ‒ roh und entschlossen drängen sie an die Spitze unseres kollektiven Bewusstseins“, hieß es im Ankündigungstext. „Marginalisierung und ein Mangel an Dokumentation haben die queeren Aspekte der Roma-Geschichte an den Rand gedrängt. Queere Romani-Geschwister bleiben unsichtbar, erstickt unter dem Gewicht des Stillschweigens unserer eigenen Communities und vorherrschenden Gesellschaften. Im Zentrum des Kampfes wird unsere Geschichte beleuchtet, geprägt von Schmerz und Vorurteilen“, ist ein weiteres Zitat, das die Intention der Performance zum Ausdruck bringt.

„Da Hofa“

Gerade dieser Vorurteils-Aspekt lässt bei jenen, die schon ein bissl länger in Wien leben Assoziationen an Wolfgang Ambros Song (Text: Joesi Prokopetz) „Da Hofa“ aufkommen. Beginnt doch dieses: „Schau da liegt a Leich‘ im Rinnsal, ‚s Blaut rinnt in Kanal…“ In den nächsten Zeilen zerreißen sich alle das Maul und wissen, egal wer die Leich ist und was passiert ist, „Da Hofa war’s vom 20er-Haus, der schaut mir so verdächtig aus…“ Bis sich am Ende herausstellt: Die Leiche ist der, den alle für den Mörder hielten.

Follow@KiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Core – Drept la Replică
Practicing Memory – A Performative Exercise

Queerdos Kollektiv
Von und mit: Cat Jugravu, Marcos Vivaldi (Live-Musik: Querflöte, Saxophon, Elektronik), Andrei Raicu, Gilda Horvath
Kostüme: Cristina Milea
Grafik: Peter Defraene

queerdos.eu -> kollektiv

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