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Szenenfoto aus "Eine Nacht mit Lady Macbeth" im Theater Spielraum
Szenenfoto aus "Eine Nacht mit Lady Macbeth" im Theater Spielraum
19.10.2023

Rollenumkehr: Wer ist hier arm und einsam?

Mit Humor gewürzt verschafft „Eine Nacht mit Lady Macbeth“ im Theater Spielraum (Wien-Neubau) ernsten Themen doch eine Leichtigkeit.

Im Hintergrund ein bunter Schriftzug „Happy Birthday“, davor ein gar nicht so happy wirkendes Geburtstags„kind“ namens Fabian, weil einsam (Valentin Schuster). Was zunächst droht, auch so zu bleiben, erfolgt doch ein Handyanruf von Freunden – fürs Publikum auf laut gestellt. Die teilen fröhlich mit, wir bleiben auswärts, kommen heute nicht. Aber dann kündigen die Stimmen aus dem Off (Christoph Hackenberg, Marcin Marszałkowski) noch eine Überraschung an.

Diese kommt in Person einer Frau (Andrea Nitsche) in (bewusst) billig wirkendem Lack und Leder. Was wiederum dem Titel des Stücks „Eine Nacht mit Lady Macbeth“ (Theater Spielraum, Wien-Neubau) eine ironische Note verleiht. War sie doch im Shakespeare’schen Drama doch eher die treibende Figur und Kraft hinter dem ehrgeizigen Machtstreben ihres Mannes, kommt hier als Art Domina daher.

Das Outfit der Schauspielerin bringt gleich mal äußerlich zum Ausdruck, was die Anrufer ihrem Freund Fabian schenken wollten. Diese Nacht für alles zu Diensten, so will sich die Besucherin präsentieren.

Doch Fabian wehrt jede Annäherung ab, durch jede Körperbewegung, durch das Wegrollen in seinem fahrbaren Untersatz, wenngleich sprachlich nicht ganz so leicht verständlich. Das braucht schon einige Zeit, um sich an das von ihm Gesagte heranzuhören. Valentin Schuster, seit Kindheit (Amateur-)Schauspieler, hat auch eine Sprachbehinderung, aber – gleich mal vorweg – keine kognitive Beeinträchtigung.

Bühnentraum

Und obwohl weggewiesen, geht die Gästin natürlich nicht gleich. Das wären dann ja nur wenige Theaterminuten – und schon gar kein Stück. Auf diese erste Ablehnung folgen – erwartbar – Wendungen. Magdalena Marszałkowska hat als Autorin – und Regisseurin – eine klug gebaute Dramaturgie geschrieben und inszeniert, die auf spezielle Weise den Stücktitel ins Spiel bringt. Denn Mona, so der Figurenname der Besucherin, ist zwar von den Freunden als Sexual-Assistentin gebucht worden, aber in Wahrheit – katastrophal freie Schauspielerin, daher Schulden, daher dieser Job. Und sie würde so gern eine große Rolle, etwa eben die von Lady Macbeth spielen.

Aber weil von Fabians Freunden bezahlt – 1342 € – kann/will sie nicht gleich gehen, hätte Skrupel, das Geld ohne erbrachte Dienstleistung zu nehmen. Neben dieser äußeren Bedenken, triggert sie irgendwie auch die Herausforderung, die ihr von Fabian entgegengebrachte Ablehnung zu überwinden. Vielleicht auch als eines der wenigen Erfolgserlebnisse, schildert sie doch zwischendurch Bühnen-Versagen wegen vergessener Texte und überhaupt klagt sie, keine Freund:innen zu haben. Ist also in Wahrheit einsamer als Fabian zu Beginn des nicht ganz 1 ¼-stündigen Stücks.

Berührende Rollenumkehr

Ja nach und nach kommt Mona drauf, zwar selber gesunde und hübsche Beine zu haben, aber sozial und emotional ärmer dran zu sein als Fabian und dümmer – weil sie sich wie schon erwähnt Rollentexte kaum merken kann. Die Rollen beginnen sich zu verkehren. Die „Domina“ zeigt Schwächen, der scheinbar Schwache, weil erst übers Geschenk der Freunde mit Freuden versehene, zeigt immer mehr Stärke – und Einfühlsamkeit für seine Besucherin. Womit er auch mehr Nähe zulassen kann.

Doch nie und nimmer droht „Eine Nacht mit Lady Macbeth“ eine schnulzige Happy-End-Geschichte zu werden (Dramaturgie: Mich Pabian). Dafür hat die Autorin und Regisseurin genug – sich organisch ergebende – Wendepunkte eingebaut. Und dafür, dass es kein Drama ist, würzt Magdalena Marszałkowska ihr Stück mit so manchem Wort- und die beiden Schauspieler:innen dieses mit Spielwitz. Wobei ein Gutteil des Humors aus Elementen des sich selbst ein bissl auf die Schaufel Nehmens besteht.

Der Applaus – bei der Premiere sogar sehr heftig – erfolgte ganz sicher nicht aus Mitleid, sondern ist dem großartigen Schauspiel sowie dem starken und berührenden Stück geschuldet. Das ist übrigens auf Valentin Schusters Initiative zurückzuführen, wie die Regisseurin nach der umjubelten Premiere gestand. Er hatte gesagt, „schreib ein Stück über einen Menschen wie mich.“

„Habt ihr mich verstanden?“

Unter dem Titel „Habt ihr mich verstanden“, gibt es übrigens einen – im Internet nachzulesenden – Monolog von Valentin Schuster, den er einst auch spielte. Darin setzt er die hier gestellte Frage so fort: „Ich glaube nicht, daher meine Frage: Warum fragt ihr nicht nach? Ist es, weil ihr mich nicht verletzen wollt, oder denkt ihr etwa, ich wäre nicht nur körperlich, sondern auch geistig eingeschränkt? Mit diesem Vorurteil bin ich täglich konfrontiert, und wisst ihr was? Ich habe genug davon! Ich will nicht mehr als „dumm“ wahrgenommen werden. Ich möchte, dass mir Menschen mit einem mir gebührenden Respekt gegenübertreten, egal, ob sie mich kennen oder nicht. Und dieser Respekt äußert sich nicht darin, höflich zu nicken, auch wenn ihr mich nicht verstanden habt. Ich kann euch nicht versprechen, dass ihr beim zweiten oder dritten Mal versteht, was ich euch sagen möchte, aber man findet immer eine Möglichkeit zu kommunizieren. Und wenn es ist, dass jemand meine „Sprache“ übersetzt.“

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Eine Nacht mit Lady Macbeth

Text & Regie: Magdalena Marszałkowska
Schauspiel: Andrea Nitsche, Valentin Schuster
Dramaturgie: Mich Pabian
Sprecher: Christoph Hackenberg, Marcin Marszałkowski
Musik: Adam Shadid

Wann & wo?

19. Oktober 2023
Theater Spielraum: 1070, Kaiserstraße 46
Telefon: 01 713 04 60
theaterspielraum -> Eine Nacht mit Lady Macbeth