„Café Populaire“, gespielt von Schauspielstudierenden auf der Studio-Bühne des Linzer Landestheaters.
Zu Varieté-Musik präsentiert sich die im Hintergrund rot gestrichene Theaterlandschaft (Bühne und Kostüme: Dominik Freynschlag) mit „Zauberkasten“ aus dem Füße herausschauen. Soll da in „Café Populaire“ die klassische Nummer des „Zersägens“ einer Person stattfinden? Darunter und dahinter kugeln noch weitere Menschen auf dem Boden herum bevor’s so richtig losgeht. Nach und nach werden die vier Protagonist:innen auf der Studiobühne des Linzer Landestheaters lebendig, tauchen in einer Art altmodischer, überdimensionaler weißer Unterwäsche als Art Weiß-Clowns auf.
Zentral erleben wir – hin und wieder mit roter Nase – Spitals-ClownIn Svenja, gespielt von Jonatan Fidus Blomeier. Das Einsatzgebiet, in dem er aufheitern soll, ist ein Hospiz, aus dem wir ausschließlich die älteste Insaßin kennenlernen, eine quicklebendige alte linke Kämpferin namens Püppi (Alexandra Diana Nedel). Für alle Arbeiten, die im Hospiz und im ganzen Ort namens Blinden anfallen ist der Dienstleistungsproletarier Aram zuständig, ihn verkörpert Joël Dufey. Nummer vier im eineinhalb-stündigen selbstironischen Stück von Nora Abdel-Maksoud (Inszenierung: Lisa-Katrina Mayer) ist „Der Don“ (Hanna Kogler – alle vier sind Schauspiel-Studierende des 3. Jahrgangs der Anton Bruckner Privatuniversität). Dies ist sozusagen eine fiktive Figur, das Alter Ego oder vielmehr die Gedanken von Svenja.
Und damit sind wir fast wieder bei der in Zirkusmanegen und auf Varieté-Bühnen „zersägten“ Person.
Dieser Don schlägt Svenja, die so gut und völlig korrekt die Welt verbessern will, immer wieder ein Schnippchen. Und zunehmend mehr. Svenja versteht sich als Aufklärerin, die ihren Witz unbedingt einsetzen will, um Diskriminierungen aufzuzeigen – und zwar solche, die sich aufgrund sozialer-gesellschaftlicher Stellungen ergeben. Sie will den „Klassismus“ aufs Korn nehmen, das Runtermachen ärmerer Menschen durch sich besser fühlende reichere.
Dafür schafft die Clownin sogar einen eigenen Begriff: Humornismus – eine Wortschöpfung aus Humor und Humanismus.
Doch immer wieder kommen ihr Wörter und Sätze über die Lippen, die solchen Klassismus genau bedienen. Das bin nicht ich, das ist der Don – ist ihre Ausrede. Doch der ist genau ihre innere Stimme – nur in einer externen Figur auf der Bühne verkörpert. Und kann nicht nur aus einem herauskommen, was innen drinnen ist? Damit nimmt das von viel Wort- und einigem Spielwitz durchzogene Stück das aufs Korn, was landläufig oft Scheinheiligkeit genannt wird, oder Wasser predigen und Wein trinken. Und es bringt ihrem Vlog (Video-Blog)viel mehr Follower – was die entsprechende Dynamik weitertreibt.
Krasser wird der Widerspruch in sich, in Svenja, als es um das Veranstaltungslokal „Zur Goldenen Möwe“ geht. Das gehört Püppi und sie sucht einen Betreiber/eine Betreiberin. Svenja, die Aram in Filmen für ihren Vlog („gedreht“ in dem eingangs genannten „Kasten“) dazu nötigt, ihr Gut-Sein, ihre Aufklärungsarbeit zu unterstützen, sieht sich nun in Konkurrenz zu Arma, der sich selbst um die „Möwe“ bewirbt. Und da ist’s auf einmal mit der Solidarität mit dem Arbeiter, der im Hospiz und in der Stadt für alle niederen Jobs zuständig ist, aus. Ja, da deckt Svenja sogar auf, dass Aram gar kein Proletarier, sondern ein Studierter ist. Und nochmals gibt es eine Wendung im Stück, die hier ausgespart werden soll, hat sich die Aufführung doch auch einiges mehr als Zuschauer:innen verdient als beim Besuch von Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…
Verraten werden darf ein entlarvender Gag, der im Stück gegen Ende vorkommt – weil er ohnehin auch in der Ankündigung des Landestheaters schon zu lesen ist: „Warum kann man im Theater so gut Witze über Arme machen? – Weil sie sich die Karten eh nicht leisten können.“
Komödie von Nora Abdel-Maksoud
Produktion des Schauspielstudios des Landestheaters Linz in Kooperation mit der Anton Bruckner Privatuniversität Linz
Inszenierung: Lisa-Katrina Mayer
Svenja, Hospizclown, Guter Mensch: Jonatan Fidus Blomeier*
Der Don, Svenjas klassistische Abspaltung: Hanna Kogler*
Püppi, älteste Hospizpatientin: Alexandra Diana Nedel*
Aram, Dienstleistungsproletariat: Joël Dufey*
Bühne und Kostüme: Dominik Freynschlag
Dramaturgie: Martin Mader
* Schauspielstudio / Studierende des 3. Jahrgangs des Schauspielinstituts der Anton Bruckner Privatuniversität
10. und 28. Mai 2023
Landestheater Linz, Studiobühne: 4020, Promenade 39
Telefon: 0 732 7611-400
landestheater-linz.-> Café Populaire