Soloschauspielerin schlüpft als Sammlerin der Geschichte von (zu wenig bekannten) Frauen, die jeweils die Ersten waren, in deren Rollen.
Wer waren nun mal Valentina Tereschkowa, Ida Pfeiffer oder gar Felicity Aston und Jeanne Baret? Auch wenn mittlerweile das erste Viertel des 21. Jahrhunderts vorbei ist, werden Frauen und ihre Leistungen – in den meisten Ländern – nicht als gleichwertig wahrgenommen. Das Linzer Theater des Kindes – mit Premiere beim aktuellen, dem 13., Schäxpir-Festival – stellt in „Die Ersten“ die genannten vier Frauen – stellvertretend für viele ihrer Geschlechtsgenossinnen – dem Publikum auf spannende in unterschiedlichen Szenen vor.
Simone Neumayr schlüpft in dieser guten Stunde in die Rollen der doch nicht unbekannten Kosmonautin und damit ersten Frau im Weltall, der doch einigermaßen bekannten Reise-Schriftstellerin, der ersten Frau, die allein die Antarktis durchquerte und jener Naturforscherin, die aber kaum bekannt ist und als erste Frau an Bord eines französischen Schiffes 1766 die Welt umsegelte – als Mann verkleidet, anders wäre ihr das nicht möglich gewesen.
Bevor sie mit wenigen Handgriffen, einem Seil sowie einem großen weißen Stoff Segelschiff, Eiswüste, aus einer Metallkiste eine Weltraumkapsel (Bühne: Michaela Mandel) erschafft und zentrale Lebensstationen der vier Pionierinnen in Worten und Schauspiel erzählt, taucht sie als Suchende auf. Mit Schmetterlingsnetz, breitkrempigem Tropenhut und einer Art Geigerzähler taucht sie aus dem „Bauch“ des Theaters auf den der Blick dank des ausnahmsweise weggezogenen schwarzen Vorhangs freigegeben wird, auf. Leicht verwirrt blickt sie sich um.
Perdita Polaris, so ihr Name, ist Sammlerin von Geschichten, vor allem über Menschen, die forschen, entdecken… und selber vergessen wurden, verloren gegangen oder weniger bekannt sind. (Perdita kommt übrigens aus dem Italienischen und steht für Verlust, leck, undicht…). Doch ihre bisherige Sammlung besteht praktisch nur aus Forschenden mit Bart 😉
Und damit stößt sie auf ein Bildnis von einem jungen Menschen mit Schnauzbart, wird stutzig, das Gesicht zeige doch eine Frau. Und damit führt sie das Publikum in die Geschichte der Jeanne Baret, die nicht nur, verkleidet mit dem Vornamen Jean, als Assisteint(in) und Freundin des Naturforschers Philibert Commerson auf den Schiffen Boudeuse und Étoile als erste bekannt gewordene Frau die Welt umsegelte. Die Botanikerin erforschte zahlreiche Pflanzen. Erst rund 250 Jahre später wurden ihre Leistungen anerkannt – einige französische Städte benannten Straßen nach ihr, 2012 und 2023 wurden Pflanzen(gattungen) nach ihr benannt und im Vorjahr anlässlich der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris wurde für sie – sowie für neun andere Frauen aus der französischen Geschichte – eine Statue aufgestellt.
Die vielleicht bekannteste – wenn auch nicht unbedingt dem Namen nach – ist die erste Frau im Weltall. Valentina Tereschkowa, Textilarbeiterin, die sich im Abendstudium zur Technikerin weiterbildete, begeisterte Fallschirmspringerin war, umkreiste 1963 an Bord der Raumkapsel Wostok 6 drei Tage lang die Erde.
Ihre Popularität in der Sowjetunion und bald danach darüber hinaus als Pionierin setzte sie danach viele Jahr(zehnt)e für Gleichberechtigung von Frauen ein. Schlug sich später auf die Seite Waldimir Putins, beantragte in der Duma (dem russischen Parlament) eine Verfassungsänderung, damit er länger als die auf zwei Amtsperioden begrenzte Zeit herrschen könne, unterstützte den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.
Letzteres thematisiert das Stück und lässt die Protagonistin fast ratlos zurück: „alles so kompliziert!“ – einerseits Pionierin, andererseits den Krieg verherrlichen?! Wobei sich noch angeboten hätte zu erwähnen, dass sie zu den Gründer:innen der Junarmija gehörte, einer Organisation, in der Kinder und Jugendliche auf Soldat:innen gedrillt werden.
Aber Perdita Polaris ist ja forschende Geschichten-Sammlerin – da gehört eben auch nicht so Feines in ihre kleinen Büchlein, die sie in einer hölzernen Umhängekiste trägt, und so tut, als würde sie all die erzählten Erkenntnisse per Knopfdruck dort hinein befördern (Kostüme: Anna Katharina Jaritz).
Ida Pfeffers (1797 – 1858) späte – auch festgehaltenen Weltreise-Erlebnisse (rund ¼ Million Kilometer auf Meeren und mehr als 30.000 km an Land auf vier Kontinenten) und Erkenntnisse hat sie in den längst auch bekannten 13 Reisetagebüchern (in sieben Sprachen übersetzt) veröffentlicht, es gibt auch ein tolles Bilderbuch über sie – Link zu einer Buchbesprechung unten am Ende des Beitrages.
Dass forschendes Reisen nicht immer ein Vergnügen ist, nicht selten gerade das Gegenteil – an die Grenzen und darüber hinaus gehen, kann lebensbedrohlich werden und sein. Das schildert die Schauspielerin als Felicity Aston, die 2012 als erste Frau im Alleingang die Antarktis durchquerte. Schnaufen, schleppenden Schrittes, an der Kippe zum Umkippen… – weshalb sie Aston auf die ihr gestellte Frage, ob sie noch einmal so eine Expedition wagen würde, antworten lässt: Sofort, aber nicht alleine. Menschen seien dafür geschaffen, miteinander zu agieren.
Und damit wendet sich die Schauspielerin an die eine und den anderen im Publikum – vielleicht würde Perdita Polaris ja einmal deren oder dessen Geschichte sammeln.
Was ein schöner Schluss (gewesen) wäre. Aber nein, der Regisseur Henry Mason, vertraute offenbar nicht ganz auf diesen spannenden Bogen der Geschichtensammlerin und ihrer vier Pionierinnen – Untertitel „Von den Frauen, die die Welt entdeckten“ – er erfand eine Rahmenstory: Anfangs ertönt aus dem Off eine Stimme (die von Harald Bodingbauer, Assistent der künstlerischen Leitung des Theaters des Kindes): Bedauerlicherweise könne heute nicht gespielt werden, die Schauspieler:innen fehlen… und Perdita Polaris muss zu Beginn sagen, dass sie gar nicht wisse, wo sie sich hier befinde… Dieses doch seltsame Intro – alle wissen ja schon vorher zu welchem Stück sie gekommen sind – muss natürlich noch zu einem Kreis geschlossen werden; worauf viele gar nicht mehr hören.
Compliance-Hinweise: Das Festival Schäxpir hat Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… für vier Tage dieses Theaterfestivals für junges Publikum nach Linz eingeladen.
Die Ersten
Von den Frauen, die die Welt entdeckten
Ab 8 Jahren; eine Stunde
Theater des Kindes (Österreich)
Regie: Henry Mason
Schauspiel: Simone Neumayr
Kostüme: Anna Katharina Jaritz
Bühne: Michaela Mandel
Musik: Stephanie Hacker
Dramaturgie: Peter Woy
Sounddesign: Franz Flieger Stögner
Lichtdesign: Natascha Woldrich
Wann & wo?
Bis 26. Juni 2025
Theater des Kindes
4020 Linz, Langgasse 13
Telefon: 0 732 60 52 55
theater-des-kindes -> die-ersten
(zweijährliches) Theaterfestival für junges Publikum
Motto 2025: „Was bleibt“
Bis 14. Juni 2025
schaexpir.at
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