Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Jasper Engelhardt, David Fuchs, Sophie Aujesky und Valentin Späth
Jasper Engelhardt, David Fuchs, Sophie Aujesky und Valentin Späth
15.01.2024

Textlawinen in kafkaeskem Stiegen-Labyrinth

„Im Panoptikum des Franz K.“ im kleineren Haus des Theaters der Jugend in Wien – eher für Kafka-Kenner:innen.

In einem verwinkelten Gewirr aus Treppen, sämtliche Wände mit – in Summe rund 2700 – Ordnern vollgeräumten lebendig gewordenen dreidimensionalen M.C-Escher-artigen Bild agieren vier Schauspieler:innen „Im Panoptikum des Franz K.“ (Ausstattung und Licht: Friedrich Eggert). Zweieinhalb Stunden laufen sie treppauf, treppab, umkurven diese hin und wieder, Momente des Rastens gibt es – gefühlt -selten. Dabei zitieren sie aus Tagebucheinträgen und Briefen Franz Kafkas, dessen Todestag sich heuer (im Juni) zum 100. Mal jährt. Weshalb vor allem Theater die wenigen Stücke und andere Annäherungen an den akribischen Autor , der mit fast allem was er geschrieben hat, unzufrieden war, auf die Bühnen bringen.

David Fuchs, Valentin Späth, Jasper Engelhardt
David Fuchs, Valentin Späth, Jasper Engelhardt

Atmosphäre

Noch bevor Burgtheater („Die Verwandlung“), NÖ Landestheater („Der Prozess“), Rabenhoftheater (Maurer.Kafka.Komisch) spielen, feierte das Theater der Jugend in seiner kleineren Spielstätte (Theater im Zentrum in der Wiener Innenstadt) umjubelte Premiere mit dem „Panoptikum“. „Versuch, „kafkaesk“ spür- und erlebbar zu machen“, titelte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… die Reportage über einen Probenbesuch in den Winterferien. Im Interview mit dem Regisseur – Links zu beiden Berichten am Ende dieses Beitrages – lobte dieser das Schauspiel-Team, das sich auf diese schiere Bergwerks-Arbeit eingelassen hat, „aber ich weiß noch nicht, was es wird“, gestand Gerald Maria Bauer da.

Nun ist das Werk fertig. Die zweieinhalb Stunden (eine Pause) versuchen tatsächlich eine Atmosphäre zu schaffen, wie sie der – erst spät nach seinem Tod berühmt gewordenen Autor – in seinen Werken schuf und offenbar auch selbst erlebt hat – bzw. nicht zuletzt auch andere rund um sich erleben ließ. Verlobung mit Felice Bauer, Brief an deren Vater, dass die Beziehung seiner Tochter nicht guttun würde, Entlobung, wieder Verlobung. Nur als ein Beispiel.

David Fuchs, Jasper Engelhardt (oben), Sophie Aujesky und Valentin Späth
David Fuchs, Jasper Engelhardt (oben), Sophie Aujesky und Valentin Späth

Widersprüchliche Person

Schreibwut einerseits (8000 Seiten hat Kafka geschrieben), oft aber auch Schreibblockade – wie Tagebuchnotizen zeigen. Verzweiflung, nicht zum Schreiben zu kommen, wegen seiner Arbeit in der Arbeitsunfall-Versicherung. Andererseits sorgfältige Arbeit dort – samt häufigen Lokalaugenschein-Besuchen in Fabriken und Arbeitsstätten (kommt im Stück nicht, aber in den Tagebüchern mehrmals vor). Hadern mit seiner Erziehung – harmlos ausgedrückt.

Einbau von Stücken in das Stück, unter anderem wird eine der Ordnerwände nach Rumpeln zerstört, ein riesiger Käfer bricht durch – „Die Verwandlung“. Wobei die Verwendung von Insektenspray an einem der Schreibtische im Obergeschoß doch anachronistisch wirkt.

Valentin Späth als Gregor Samsa
Valentin Späth als Gregor Samsa

Die Schauspieler:innen

Szenen mit Zitaten aus „Der Prozess“. Und praktisch fast dauer-unglücklich, unzufrieden mit der eigenen Arbeit – fast mit einem Schuss Lust am Scheitern. Jasper Engelhardt ist Franz K. Aber nicht nur er ist Kafka, zeitweise verdoppelt Valentin Späth (der auch den Verwandlungs-Käfer gewordenen Gregor Samsa spielt) den K. in einem Mittelding aus Erzähler und doch Kafka-Sein. Sophie Aujesky ist als Felice Bauer präsent aber oft auf angefangene Sätze abgestoppt und schlüpft in einer Art Prolog in die Rolle der viel zu wenig bekannten Journalistin und Schriftstellerin Milena Jesenská. Mit David Fuchs (auch Kafkas Vater Hermann K. sowie der Maler Titorelli und Der Landarzt) als Schriftsteller und Journalist Anton Kuh besprechen sie die kurze Notiz über Kafkas Tod im Sanatorium Kierling bei Klosterneuburg bei Wien.

Sophie Aujesky
Sophie Aujesky

Eher für Eingeweihte

Für jene, denen Kafkas Leben, das eine oder andere Werk schon einmal untergekommen ist, idealerweise sogar ein bisserl mehr, bietet sich die Gelegenheit in dieses Panoptikum einzutauchen. Wer allerdings möglicherweise nicht mehr als das Wort kafkaesk aufgeschnappt hat – für die oder den wird’s wohl eher schwierig, die zweieinhalb Stunden durchzusteigen. Vielleicht, dass dann gerade noch das Gefühl à la Kafkas „Der Prozess“ auftaucht, wie komm ich da raus?

Möglicherweise ist die Atmosphäre auch das Wichtigere als die Textlawinen. Eine Premierenbesucherin aus Paris, die Französisch und Englisch spricht, aber kein Wort Deutsch versteht, nahm in einer Gesprächsrunde, zu der sich KiJuKU dazu gesellen durfte, genau dieses Gefühl mit. Allerdings ist sie Theaterprofi und Kafka-Kennerin.

Der Kafka-Abend bzw. Nachmittag (an manchen Tagen) ist nicht so leicht zugänglich wie im Vorjahr „Ein Kind“ über Thomas Bernhards autobiographische Kapitel „Ein Kind“ und „Der Keller – eine Entziehung“), die ebenfalls Gerald Maria Bauer inszeniert hatte.

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Im Panoptikum des Franz K.

Aus den Tagebüchern Franz Kafkas
für die Bühne eingerichtet von Gerald Maria Bauer
Mitarbeit Sebastian von Lagiewski

Franz K.: Jasper Engelhardt
Der K. / Gregor Samsa: Valentin Späth
Hermann K. / Maler Titorelli / Der Landarzt/ Anton Kuh: David Fuchs
Felice / Milena Jesenská: Sophie Aujesky
in weiteren Rollen: Ensemble

Regie: Gerald Maria Bauer
Ausstattung und Licht: Friedrich Eggert
Dramaturgie: Sebastian von Lagiewski
Assistenz und Inspizienz: Eva Maria Gsöllpointner
Hospitanz: Lukas Spring

Wann & wo?

Bis 20. März 2024
Theater im Zentrum (kleineres Haus des Theaters der Jugend): 1010, Liliengasse 3
Telefon: 01 521 10-0
tdj.at -> im-panoptikum-des-franz-k

Buch

Text: Franz Kafka
Tagebücher 1910 – 1923
verschiedene Verlage, verschiedene Seitenanzahl zwischen 461 und 550
Taschenbuch: Ab 15,90 €
eBook: Ab 0,79 €