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Szenenfoto aus "Hand made Tyrant" im Wiener Schubert Theater
Szenenfoto aus "Hand made Tyrant" im Wiener Schubert Theater
20.06.2025

Tyrannen fallen nicht vom Himmel…

Eine robust wirkende Nähmaschine älterer Bauart, ein Dampfbügeleisen, eine schwarz bestoffte, samtig wirkende, Treppe und fast weißer Stoff. Hier wird genäht. Zunächst eine Puppe – gesichtslos – und doch ausdrucksstark dank des Puppen- und Schauspiels von Soffi Povo & André Reitter. Natürlich, das gibt ja schon der Titel vor, „basteln“ die beiden an einem Diktator.

Am laufenden Band…

Und nicht nur einem. Nach und nach produzieren sie wie am Fließband in „Hand made Tyrant“ solche; zugegeben, die meisten der mehr als vier Dutzend Figuren sind schon davor angefertigt worden – von Lisa Zingerle, Charlotte Fiedermütz, Louiza Brudermann, Sarah Wissner, die für die Puppen sowie die Ausstattung sorgten. Die zuletzt genannte Künstlerin ist auch für den Stücktext und die Regie verantwortlich und verwendete Motive aus Erich Kästners „Die Schule der Diktatoren“ sowie aus „The Dictator’s Handbook“ von Bruce Bueno de Mesquita und Alastair Smith, das übrigens teilweise Basis für die Netflix-Serie „Wie man ein Tyrann wird“ war, aber auch – siehe dazu später – aus Charlie Chaplins „Der große Diktator“.

Titelseite des eBooks
Titelseite des eBooks „Die Schule der Diktatoren“

„Zerrbild des Menschen“

„Dieses Buch ist ein Theaterstück und könnte für eine Satire gehalten werden. Es ist keine Satire, sondern zeigt den Menschen, der sein Zerrbild eingeholt hat, ohne Übertreibung“, schreibt Kästner 1956 in der Vorbemerkung für sein Theaterstück, eine Komödie in neun Bildern.

Diktatoren kommen und werden gestürzt, oft vom nächsten ersetzt. Das spielt sich mit Fortdauer des Stücks ab, immer rascher purzeln die sich an die Macht putschenden Figuren die dunkle Treppe hinab. Namen aller möglichen bekannten einschlägigen Figuren aus der Geschichte von Hitler, Mussolini, Stalin bis Idi Amin, Mubarak und viele andere fallen – wie auch die Figuren.

Ein blinkendes Herz schien nicht zu reichen

Und dann erschaffen die beiden mit Hilfe von Seilen aus gleich aber viel größer gebauten Stoff-Körperteilen einen handgemachten Riesen-Tyrannen, der fast die Bühne zu sprengen droht – sozusagen ein Über-Diktator. Doch Hoffnung gebend beginnt bei einer der kleinen Figuren ein Herz zu leuchten…

Das hätte eigentlich gereicht. Als würde die Regisseurin und Stücktext-Autorin nicht auf die Kraft der Bilder des Stücks vertrauen, kommt gegen Ende eine Rede gegen Diktatur, für Menschlichkeit und den Weltfrieden. Darauf von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…, meinte Sarah Wissner, dass dieser Schluss-Monolog von jenem des Friseurs und Gegenspielers von Anton Hynkel in Charlie Chaplins „Der große Diktator“ inspiriert sei bzw. an diesen erinnern solle.

Titelseite des Buches
Titelseite des Buches „Wenn dein Land nciht mehr dein Land ist oder sieben Schritte in die Diktatur“

Sieben Schritte in die Diktatur

Und wenn schon was draufgesetzt werden musst, so hier auch noch das Zitat aus dem Buch von Ece Temelkuram „Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist“ mit der Fortsetzung im Titel „oder Sieben Schritte in die Diktatur“ (aus dem Englischen übersetzt von Michaela Grabinger, Verlag Hoffmann und Campe): „Dieses Buch will nicht schildern, wie wir unsere Demokratie verloren, sondern dem Rest der Welt helfen, Lehren aus dem Geschehen zu ziehen. Natürlich herrschen in jedem Land andere, ganz spezifische Umstände, und in manchen herrscht der Glaube, die eigene stabile Demokratie, die eigenen starten staatlichen Institutionen böten Schutz vor solchen „Komplikationen“. Doch die auffälligen Ähnlichkeiten zwischen dem, was die Türkei erlebt hat (Anmerkung der Redaktion: bezogen auf den Putschversuch Mitte Juli 2016 und die folgende, nochmals verschärfte Repression unter Recep Tayyip Erdoğan), und dem, was kurz darauf in der westlichen Welt begann, sind zu zahlreich, als dass man sie übersehen darf. Der politische Irrsinn, den wir als „erstarkenden Populismus“ bezeichnen und in der einen oder anderen Form inzwischen alle erleben, bildet eine Art Muster aus. Und obwohl es viele Menschen im Westen noch nicht artikulieren können, wächst die Zahl derer, die spüren, dass auch sie bald einen düsteren Sonnenaufgang erleben könnten.“

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Hand Made Tyrant

Schaffen wir unseren Tyrannen!
Frei nach Erich Kästners „Die Schule der Diktatoren“ und „The Dictator’s Handbook“ von Bruce Bueno de Mesquita und Alastair Smith

Text & Regie: Sarah Wissner
Schau- und Puppenspiel: Soffi Povo & André Reitter
Puppen & Ausstattung: Lisa Zingerle, Charlotte Fiedermütz, Louiza Brudermann, Sarah Wissner
Licht & Technik: Simon Meusburger, Marvin Schriebl
Produktionsleitung: Lisa Zingerle
Fotos & Videos: Julia Braunegger

Wann & wo?

21. und 22. Juni 2025
Schubert Theater
1090, Währinger Straße 46
Telefon: 0676 443 48 60
info@schuberttheater.at
schuberttheater -> hand-made-tyrant

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