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Szenenfoto aus "Rocky - Die Rückkehr des Verlierers"
Szenenfoto aus "Rocky - Die Rückkehr des Verlierers"
15.01.2022

Über Grenzen der Sympathie mit Underdogs

„Rocky! Die Rückkehr des Verlierers“ als deutschsprachige Erstaufführung im Werk X (Wien-Innere Stadt).

Jetzt also Rockys Rückkehr. Ein fast 50 Jahre alter Film auf einer Theaterbühne? Doch dieses Stück, diese Inszenierung – und dieser Schauspieler sind weit mehr. Sie versetzen Schläge in die Magengrube, Haken an Kopf und (Glas-)Kinn. „Rocky! Die Rückkehr des Verlierers“ des Dänen
von Tue Biering (Inszenierung: Hans-Peter Kellner) feierte Mitte dieser Woche die deutschsprachige Erstaufführung im Werk X am Wiener Petersplatz in Kooperation mit Juggernauten (übrigens laut Wikipedia ein metaphorischer Begriff aus dem Englischen der für eine unaufhaltsame Kraft steht, die alles vernichtet, was ihr im Wege ist).

Vom Erzähltheater zur emotionalen Achterbahn

Andreas Patton als Solo-Schauspieler betritt die Bühne und beginnt die Geschichte von Rocky Balboa aus dem Film mit (und von) Sylvester Stallone (Co-Regisseur John Guilbert Avildson) zu erzählen, der 1976 zum Kassenschlager und im Jahr darauf mit drei Oscars ausgezeichnet wurde. Zum Glück für jene, die den Film – und seine (mehr als ein halbes Dutzend) Sequels nicht kennen, fasst der Mann auf der großen, leeren Bühne die Story zusammen. Vom Underdog aus der untersten Unterschicht, dem chancenlosen Boxer, der nichts anderes kann als zuschlagen; der durch Zufall einen Kampf mit einem Heroe im Ring bekommt, Apollo Creed. Zwar verliert, aber zum Helden wird, weil er den Champion an den Rand einer Niederlage bringt.

David schlägt Goliath, diese biblische Metapher für den Sieg von (in den meisten Geschichten immer männlichen) Außenseiter:innen, fasziniert das breite Publikum, lebt nicht zuletzt von der Überraschung. Vielleicht auch davon, dass sich jede und jeder nicht selten auch wenigstens hin und wieder klein fühlt und es den Großen, denen da oben zeigen möchte.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Rocky! Die Rückkehr des Verlierers“

Nach und nach, manchmal auch praktisch ansatzlos von einer Sekunde auf die andere schlüpft der Erzähler in die Rolle dieses Rocky. Wir spüren sein an den Rand Gedrängt, sein Außenseiter-Dasein, seine Wut, seine Hoffnungslosigkeit, die sich – dank des einen Funkens (der in Aussicht gestellte große Kampf) doch in eine Chance verwandelt, seinen daraus erwachsenden unbändigen Trainingseifer.

Fremdeln

Und dennoch bleibt uns der Typ fremd, auch nicht unbedingt sympathisch angesichts seines Macho-Gehabes gegenüber Adrian, der Schwester seines Freundes Paulie.

Doch das Stück – und die Inszenierung – beschränken sich nicht auf die Nacherzählung der Rocky-Geschichte, sie greifen dessen gesellschaftlichen Hintergrund auf und treiben die Story fiktiv weiter. Was wenn dieser „Verlierer“ zurückkehrt, Massen an Gleichgesinnten um sich schart, zur Mehrheit wird, nach oben, an die Macht kommt. Ein Typ wie er selbst und nicht einer jener Privilegierten, die im Namen „des kleinen Mannes“ sich anti-elitär geben, die Underdogs nur benutzen. Sondern echt ein solcher Typ.

Verwandelt sich die – auch da schon herablassende – Sympathie für den Unterdrückten in ein überhebliches Abtun, Kopfschütteln, erneutes massives Ausgrenzen. Und ist es nicht doch gerechtfertigt mit Feind:innen der Demokratie nichts zu tun haben zu wollen?

Voller (körperlicher) Einsatz

Andreas Patton spielt in vollstem Körpereinsatz bis hin dazu, dass er sich analog dem zuvor aufgehängten Schlachtschwein selber mit roter Farbe an den entsprechenden Schnitzel-, Karree- und anderen Stellen seines nackten Körpers kennzeichnet und ebenfalls kopfüber an einer Metallkette über dem Bühnenboden baumelt (Ausstattung: Sandra Moser).

Seine – schon durch den Text, die Inszenierung, aber vor allem das intensive, differenzierte, oft gratwandernde – Schauspiel bieten schon genug Anstöße, die mitunter wie Schläge wirken (siehe eingangs), eigene Ignoranz, Überheblichkeit und mangelnde Toleranz zu überdenken. Wie über die Spaltungstendenzen der Gesellschaft hinwegzukommen – übrigens fast eine Parallel zu Elias Hirschls Gast-Auftritt in „Die große Show“ im Werk X- Meidling (siehe Link unten).

Da hätte es – Genaueres soll nicht gespoilert werden – den dramaturgischen Schlusspunkt der fast wie ein oberlerher:innenhafter Zeigefinger daherkommt, nicht wirklich gebraucht. Vor allem wirkt jener als würde nicht auf das Schauspiel der eineinhalb Stunden davor vertraut werden.

Follow@kiJuKUheinz

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Rocky! Die Rückkehr des Verlierers

von Tue Biering
Juggernauten in Kooperation mit WerkX-Petersplatz
1 ½ Stunden (keine Pause)

Inszenierung: Hans-Peter Kellner
Es spielt: Andreas Patton

Ausstattung: Sandra Moser
Sounddesign: Edgar Aichinger
Hair by ER-ICH
Regie-Hospitanz: Helene Hütter, Ines Kaiser
Technik: Anna Bauer, Ines Wessely

Aufführungsrechte: Österreichischer Bühnenverlag  Kaiser & Co.

Wann & wo?

Bis 22. Jänner 2022
WERK X-Petersplatz: 1010, Petersplatz 1
werk-x.at -> rocky