Eine berührende, bewegende Collage aus Texten des viel zu früh im KZ Buchenwald verstorbenen Dichters Jura Soyfer – mit unter die Haut gehender Musik-Begleitung – im (Real-)Gymnasium Hagenmüllergasse, deren berühmtester Absolvent er war.
„Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde,
Voll Leben und voll Tod ist diese Erde…“
Diese Zeilen aus dem „Lied von der Erde“ aus „Weltungergang oder „Die Welt steht auf kein‘ Fall mehr lang“ standen am Beginn des Abends mit Texten von Jura Soyfer im Kultur-, Veranstaltungs- und Begegnungslokal „Spektakel“ in der Wiener Hamburger Straße – im Mai. Von damals stammt auch diese Besprechung dieses beeindruckenden, bewegenden Kulturprogramms aus Texten von vor fast 100 Jahren, die streckenweise anmuten, als wären sie aus aktuellen Anlässen verfasst worden.
Nun – Aktualisierung am 12. Dezember 2022, 23.19 Uhr – folgt eine kleine Aufführungsserie, den Auftakt machte ein mittägliches Programm im (Real-)Gymnasium Hagenmüllergasse in Wien-Landstraße. Hier hatte der schon als Jugendlicher talentierte Dichter 1931 maturiert – vom Direktor wurde er einleitend als der berühmteste Absolvent der Schule genannt. Doch er durfte seine schulische „Reife“ nur einen Gymnasial-Durchgang überleben. 1939 starb er im Nazi-Konzentrationslager Buchenwald.
Vor fast 110 Jahren in dem in den vergangenen Wochen wieder sehr bekannt gewordenen Charkiw (Charkow, heute Ukraine) geboren, wuchs er in Wien auf, besuchte das Gymnasium Hagenmüllergasse, wurde Marxist, erst beim Verband sozialistischer Mittelschüler, dann in der KPÖ. Erst von den Austrofaschisten 1937 verhaftet, 1938 im Februar freigelassen, beim Versuch nach dem „Anschluss“ in die Schweiz zu flüchten, verhaftet, erst ins KZ Dachau und später in jenes von Buchenwald eingesperrt, wo er im Februar 1939 an Typhus starb, den er sich als Zwangs-Leichenträger im Konzentrationslager geholt hatte. Im Alter von 27 Jahren. Überlebt haben viele seiner Werke. Und so manche seiner Briefe an seine Lebensgefährtin.
Auszüge aus seinen vor allem Theatertexten und aus Briefen an Helli Ultmann, seine letzte Freundin, und seine frühere Freundin Maria Szécsi, die von viel Gefühl, aber auch (Galgen-)Humor zeugen, stellte Susanne Höhne (Regisseurin, Dramaturgin und Co-Gründerin des Vereins für darstellende Kunst „beseder-theater“) einen nicht ganz eineinhalb-stündigen Abend zusammen. Die Texte las dezent und doch stark präsent Jaschka Lämmert Schauspielerin an den Münchner Kammerspielen, Volkstheater Wien, Schauspielhaus Graz, Salzburger Festspiele, Garage X, Nestroyhof Hamakom sowie in diversen TV und Filmproduktionen). Immer wieder atmosphärisch untermalt von Streich- und Zupfklängen Anna Starzingers (Musikerin, Schauspielerin und Komponistin – u.a. Burgtheater, ORF-TV-Shows) auf ihrem Cello. Aber nicht nur, manchmal spielte sie bekannte Melodien wie die Kampflieder „Die Internationale“, „Die Arbeiter von Wien“ oder das antifaschistische Widerstandslied „Wir sind die Moorsoldaten“, hin und wieder rezitierte sie auch Soyfer-Texte.
Dass der Abend, der berührt, bewegt, unter die Haut geht, nachdenklich stimmt, hoffentlich auch aufrüttelt aber nicht „nur“ ein historischer ist, zeigt auch der ebenfalls ziemlich zeitlose Text „Lied des einfachen Menschen“, mit dem das Duo auf der Bühne den Jura-Soyfer-Abend beendet, in dem es u.a. heißt:
Menschen sind wir einst vielleicht gewesen
Oder werden’s eines Tages sein,
Wenn wir gründlich von all dem genesen,
Aber sind wir heute Menschen? Nein!
…
Soll der Mensch in uns sich einst befreien,
Gibt’s dafür ein Mittel nur allein:
Stündlich fragen, ob wir Menschen seien,
Stündlich uns die Antwort geben: Nein!
Wir sind das schlecht entworf’ne Skizzenbild
Des Menschen, den es erst zu zeichnen gilt.
Ein armer Vorklang nur zum großen Lied.
Ihr nennt uns Menschen? Wartet noch damit!
Beseder-theater.com
spektakel.wien
grg3
Hier geht’s zu einem Blog-Beitrag von Schüler:innen über diese Collage
Ihr nennt uns Menschen?
Jura Soyfer und das rote Wien
Eine Collage (ca. 90 Minuten) von Susanne Höhne
Es liest Jaschka Lämmert
Am Cello: Anna Starzinger
Wann & wo?
14. Dezember 2022; 19.30 Uhr
Bezirksmuseum Wien-Landstraße: 1030, Sechskrügelgasse 11
15. Dezember 2022; 19.30 Uhr
Bookshop Singer: 1010, Am Rabensteig 3
Anmeldungen: hello@beseder-theater.com
Beseder-Theater
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