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Simonida Selimović eröffnete das 3. EBistarde-Festival inhaltsstark
Simonida Selimović eröffnete das 3. EBistarde-Festival inhaltsstark
02.11.2023

Von realer Diskriminierung zur Utopie

Interview mit der Co-Initiatorin des Rom:nja-Kulturfestivasl „E bistarde/vergiss mein nicht“ sowie Regisseurin und Autorin des Eröffnungsstück beim aktuell laufenden Festival, Simonida Selimović.

Mit „Land ohne Land“ (Puv bi puv) wurde Anfang November die dritte Ausgabe des Rom:nja-Kulturfestials „E Bistarde /vergiss mein nicht“ eröffnet. Für Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… zwackte sich die Co-Erfinderin, Kuratorin, Regisseurin, Podiumsdiskutantin und Vielfach-Checkerin Simonida Selimović zwischendurch ein Viertelstündchen für ein Interview ab.

KiJuKU: Der Titel des Stücks deutet schon an, dass diese wahrscheinlich internationalste Volksgruppe der Welt kein eigenes Land hat. Ein wichtiges Element spielt die Inhaftierung des Protagonisten Aca in Serbien in der Corona-Zeit. War dies einer der Ausgangspunkte für das aktuelle Stück?
Simonida Selimović: Nein gar nicht. Schon als wir „Roma Armee“ 2017 fürs Maxim-Gorki-Theater in Berlin entwickelt haben (das dann auch im Wiener Volkstheater gespielt wurde) ist mir diese weiterführende Idee eingefallen. Ein Land zu besitzen heißt ja auch, es verteidigen zu müssen. Außerdem, warum sollten die Roma auf der ganzen Welt in dieses eine Land wollen? Warum überhaupt ein Land als Bestandteil einer Identität?
Viele haben mehrere Identitäten, ich zum Beispiel bin Romni, bin in Serbien geboren, in Österreich aufgewachsen, bin also neben Romni auch ein Stück weit Serbin und auf jeden Fall Wienerin. Und darüber hinaus reise ich gerne, liebe es, mir andere Kulturen anzuschauen – also Weltbürgerin, eine universelle Identität.

Riesen-Applaus nach dem Eröffnungsstück
Riesen-Applaus nach dem Eröffnungsstück „Land ohne Land“

KiJuKU: Und die Corona-Geschichte?
Simonida Selimović: Ach ja, da gab’s ganz arge Geschichten, das was wir im Stück anspielen ist dagegen harmlos. In Rumänien wurde beispielsweise eine Romni mit Kind von einem Busfahrer verprügelt als sie einsteigen wollte. Aber nicht er, sondern sie wurde verurteilt, weil er behauptet hat, sie habe ihn verflucht. Und man wüsste ja, Flüche von Roma können Wirklichkeit werden. In einer anderen Stadt durften hochschwangere Rom:nja nicht in eine Geburtsklinik um ihr Kind zur Welt zu bringen. In Ungarn, Rumänien, Polen, Serbien war es ganz schlimm: Einsperren, oft auch Wasser abgesperrt – weil sonst alles mit Corona verseucht würde. Die Roma wurden als „Überträger:innen“ gebrandmarkt – bei einer weltweit verbreiteten Seuche. Bitte was sollte das – darum haben wir es ziemlich harmlos eingebaut.

KiJuKU: Die Verbindung von analogem Spiel und Szenen im digitalen Raum war auch von Anfang an als Idee da?
Simonida Selimović: Diese zweite Ebene kam mit dem Wunsch, eine Welt zu bauen, in der alle gleichberechtigt sind, agieren und teilhaben können – egal von welcher Ecke der Welt aus. Alle Roma, Romn:ja, Sinti, Sinti:zze und so weiter würden sich sozusagen digital registrieren – anonym, weil sie in vielen Ländern ja noch immer gewalttätig verfolgt werden. Es wäre ein Staat in der Cloud, in der wir Weltbürger:innen sind – aber eine nachgewiesene Existenz haben, also auch zahlenmäßig sichtbar sind. Kein Staat könnte dann sagen, nein, in unserem Land haben wir keine Roma. Und jede und jeder Einzelne wäre dann aber in der analogen Welt in dem Land in dem sie/er sich aufhält, berechtigt zu wählen, zu partizipieren.

Simonida Selimović eröffnete das 3. EBistarde-Festival inhaltsstark
Simonida Selimović eröffnete das 3. EBistarde-Festival inhaltsstark

KiJuKU: Du hast auch das Programm kuratiert/ausgewählt, wonach?
Simonida Selimović: Zum Teil hab ich die Stücke angeschaut, zum anderen Künstler:innen eingeladen, deren Arbeit ich gut kenne.

KiJuKU: Es gibt hier jetzt ein „temporäres Mahnmal“, ist das die „Antwort“ darauf, dass es das seit Jahren versprochene zentrale Mahnmal für die Opfer des Porajmos (Gegenstück zur Shoa an Jüd:innen) noch immer nicht gibt, obwohl in der Nazizeit rund eine halbe Million Angehörige der Volksgruppen der Roma ermordet wurde?
Simonida Selimović: Ich habe die bildende Künstlerin Luna De Rosa gebeten, einen Roma-Wagen künstlerisch zu bearbeiten – dazu gibt es demnächst hier einen eigenen Beitrag samt Gespräch mit Rosa.
Drinnen gibt es eine Installation sowie eine Performance von Laura Moldovan, sozusagen ein Handlesen 2.0 – auch dazu demnächst mehr.

Palikera, Hvala lepo, Grazie mille, Mulțumesc Tusen Tack, Vielen Dank

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Hier unten geht’s zu einer Besprechung des Eröffnungsstücks

Simonida Selimović eröffnete das 3. EBistarde-Festival inhaltsstark
Simonida Selimović bei ihrer inhaltsstarken Eröffnungsrede
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Land ohne Land

Schauspiel
Ab 13 Jahren; ca. 75 Minuten; Deutsch, Romanes, BKSM (Bosnisch Kroatisch Serbisch Mazedonisch)

Text, Regie, Produktionsleitung: Simonida Selimović
Performer:innen
Kosa: Valentina Eminova
Svetlana/ Beamtin MA 35 und in Serbien: Franziska Adensamer
Aza/Beamter im Außenministerium: Sebastian Malfer
Cast Video: Dominic Moldovan, Samuel Rosegger, Radica Savić
Live-Musik (Fagott): Stefanny Leandro Aguilar

Visual Art: Joanna Zabielska
Kamera & Cut: Laura Moldovan
Bühnenbild und Kostüme: Eleni Palles
Dramaturgie: Elif Bilici
Regieassistenz: Vitória Monteiro

Wann & wo?

Bis 3. November 2023; 19.30 Uhr
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20

3. Internationales Roma-Festival im Dschungel Wien

E bistarde 2023 | Vergiss mein nicht

Bis 9. November 2023
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
dschungelwien -> festival-e-bistarde

romanosvato.at

Spaces of Memories

Temporäres Mahnmal
Installation Luna De Rosa
Während des gesamten Festivals im Fürstenhof, MuseumsQuartier, vor dem Dschungel Wien

Rom*nja City
Stadt der befreiten Menschen

Ab 16 Jahren; 70 Minuten; Deutsch, Romanes

Text und Regie: Simonida Selimović
Mitarbeit Text: Hanna Altaher
Performer:innen: Joschla Weiss, Nebojša Marković, Estera Sara Stan, Cat Jugravu, Rea Andrea Kurmann, Roxie Thiele-Dogan ğ
Choreografie: Safet Mistele/Aurora Magri
Bühnenbild + Kostüme: Olga von Wahl
Ton + Visuals: Amin Banitaba, Slavisa Marković
Licht: David Scholz
Dramaturgie: Rudi de Melo
Produktionsleitung: Joschla Weiss

Eine Produktion des Rom*nja IN Power Theaterkollektivs, eine Abteilung des Kelipen e.V., in Kooperation mit dem Romanosvato Theaterverein Wien und dem Rroma Aether Klub Theater Berlin.

Wann?

4. und 5. November 2023; 19.30 Uhr

Deno RecorDS
Musik Konzert

4. November 2023; 21 Uhr

Wir Kinder der kleinen Mehrheiten

Lesung und Konzert
Gianni Jovanović und Oyindamola Alashe lesen abwechselnd aus ihrem Buch „Ich, ein Kind der kleinen Mehrheit“. Celina Bostić singt, spielt und performt. Am Ende hat das Publikum die Möglichkeit, mit den Künstler:innen ins Gespräch zu kommen.

Wann?

6. November 2023; 19.30 Uhr

Tschandala
The Romani Version

Musik-Performance
Kooperation mit Strindbergs Intima Teater (Schweden)

Regie, Pefomrnace: Lindy Larsson
Text: Lindy Larsson, Stefan Forss, August Strindberg
Musik: Bon Bon Band
Kostüme: Delaine le Bas, Stefan Forss

Wann?

7. November 2023; 19.30 Uhr

Wie kann der Staat die Selbstorganisationen der Roma und Sinti in Österreich stärken? Strukturen und Narrative der Zukunft

Podiumsdiskussion im Parlament (!)

Moderation: Gilda Horvath
Begrüßung durch Faika El-Nagashi, Abgeordnete zum Nationalrat
Roundtable Gespräch
Simonida Selimović, Gründerin Festival „E Bistarde“
Marion Dworzack, Roma Aktivistin
Roxanna-Lorraine Witt, Djelem Djelem Festival Dortmund, Save Space e.V
Danijela Cicvarić, Leiterin Romano Centro
Stéphane Laederich, Direktor der Schweizer „Rroma Foundation“
Dipl.-Ing.in Olga Voglauer, Abgeordnete zum Nationalrat
Mag.a Eva Blimlinger, Abgeordnete zum Nationalrat

Wann & wo?

8. November
18 – 19.30 Uhr
Parlament: 1010, Dr.-Karl-Renner-Ring3
Digitale Anmeldung erforderlich, Link hier

Images of Rom*nja Artist in Media and on Stage

International Podiumsdiskussion – auf Englisch
Gäst:innen
Simonida Selimović, Schauspielerin, Regisseurin und Co-Gründerin des Festival „E Bistarde“
Sandra Selimović, Schauspielerin & Co-Gründerin des „E Bistarde“
Gilda-Nancy Horvath, Deutsche Welle Europa
Adrian Gaspar, Vorsitzender der Academia Romai
Stéphane Laederich, Leiter der Schweizer „Rroma Foundation“
Roxanna-Lorraine Witt, Djelem Djelem Festival Dortmund, Save Space e.V
Jörg Studeman, City Manager, Dortmund
Moderation:  Carmen Gheorghe, E-Romnja (NGO in Rumänien)

Wann & wo?

9. November 2023; 19.30 Uhr
Dschungel Wien, MuseumsQuartier
dschungelwien -> festival-e-bistarde

romanosvato.at