Kinder Jugend Kultur und mehr - Logo
Kinder Jugend Kultur Und mehr...
Szenenfoto aus "Gute Kinder" im Theater Arche
Szenenfoto aus "Gute Kinder" im Theater Arche
16.09.2024

Was denkt eine vielleicht Demente?

Höchst spannende Umsetzung des Romans „Gute Kinder“, der sich in Gedanken- und Gefühlswelt einer unzugänglichen Person hineindenkt und -fühlt, im TheaterArche (Wien).

Ungewöhnliche Bühnensituation im TheaterArche. Neben der Tribüne für das Publikum befinden sich auf der Bühnenfläche noch auf den Seiten und im Hintergrund je eine Sitzreihe. Die Bühne ist ein viereckiges Podest, umgeben von einem schmalen Wassergraben. Auf dieser – von rundum zu betrachtenden Bühne – sitze eine ältere Frau fast regungslos im Rollstuhl, links und rechts von ihr zwei dunkelblau-weiß gekleidete junge Frauen, die zu Beginn auf dem Boden links und rechts der Räder sitzen. Der einzige Mann im Schauspielensemble für „Gute Kinder“ sitzt auf einem Publikums-Sitz hinter/ vor der Bühne.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Gute Kinder“ im Theater Arche

Spannende Umsetzung

Schon da kündigt sich an, die Umsetzung dieses erst kürzlich erschienenen Romans von Andrea Heinisch – Buchbesprechung kürzlich hier erschienen, unten verlinkt – wird ungewöhnlich. Der nicht ganz 200 Seiten starke Text, der versucht, sich in die innere, höchstwahrscheinlich sehr verschlossene Gedankenwelt einer dement werdenden Person hineinzuversetzen, wird nicht banal als möglicher Monolog oder gar als Kammerspiel lebendig. Das würde der Intention des tief- und hintergründigen Textes nicht gerecht.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Gute Kinder“ im Theater Arche

Mix aus leerem und wachem Blick

Carola von Herder, die Verkörperung der Inge aus dem Roman, bleibt die die nicht ganz eineinhalb Stunden fast durchgängig sprach- und bewegungslos – aber nicht ganz, alles sei aber nicht gespoilert. Selbst ihre Gesichtszüge hat sie eng unter Kontrolle – wie eingefroren. Nur die Augen strahlen einen Mix aus ins Leere starren und dennoch permanent wach sein aus – eine Art starker hintergründiger Präsenz. Margot Binder und Eszter Hollósi verleihen den Gedanken und Gefühlen von Inge ihre Stimmen und ihre Bewegungen, switchen mitunter aber auch in die Rolle von Inges Tochter Helene. Die beiden schweben immer wieder vom Bühnen-Podest neben der Publikumstribüne hoch und sprechen von dort – womit sich die Zuschauer:innen in diesen Szenen sozusagen fast im Inneren von Inges Gedankenwelt befinden.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Gute Kinder“ im Theater Arche

Thyl Hanscho, der anfangs auf einem Zuschauer-Sessel sitzt, entert das Bühnenpodest als Pfleger im Heim, in dem Inge nun lebt, nachdem sie ihre eigene Wohnung angezündet hat. Manfred, immer nur Manni genannt, ist Zivildiener, taucht aber auch nach seinem Urlaub wieder im Heim auf und ist immer wieder Auslöser für Inges zärtliche Erinnerungen an ihren (verstorbenen) Ehemann Herbert.

Viele Sichtweisen

Jakub Kavin, Co-Leiter des Theaters, hat – so verrät der Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… – „schon vor Monaten den Text des Romans bekommen (der erst kürzlich erschienen ist – Anm. d. Red.). Aber mir war schon bald klar, dass ich das in dieser Art umsetzen will. Für die Stückfassung und die Dramaturgie hat dann Ute Bauer gesorgt.“

Trotz der klaren Grundlinie hat sich vieles erst im Probenprozess ergeben, nicht zuletzt, dass Inge immer weniger zu sagen und zu tun hatte – mit ganz wenigen Ausnahmen. Und dennoch stark präsent bleibt. Wobei das Spiel des Quartetts auf der Bühne (Kostüm & Bühnenbild: Isabella Farkasch; hin und wieder Musik:  Florin Gorgos) nicht nur das Verschwimmen zwischen realer Welt um und der inneren Gedankenwelt Inges sowie deren zunehmende „Vergesslichkeit“ anschaulich nachvollziehbar erleben lässt.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Gute Kinder“ im Theater Arche

Das Stück ließe trotz der vordergründigen Demenz-Geschichte durchaus die Interpretation von Aneinander vorbei Reden offen. Genauso aber auch das Zurecht-zimmern einer eigenen überschaubaren kleinen Welt angesichts der zunehmend komplexer werdenden rundum.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Gute Kinder“ im Theater Arche

Vielschichtig

Der neben der Geschichte auch literarisch spannende Text eröffnet in dieser Bühnenfassung und der Spielweise samt der interessanten Gestaltung viele Sichtweisen – und sorgt neben dem Ernst der Story immer wieder auch für humorvolle Elemente und nicht zuletzt Lebensfreude. Die Roman-Tutorin Andrea Heinisch hat sich nie in den Probenprozess eingemischt und das Ergebnis auch erst bei der Premiere gesehen. Ihr gefiel, wie sie KiJuKU.at anvertraute, „vor allem die Figurenzeichnung und dass bei Inge trotz allem auch etwas Widerständiges geblieben ist“.

Follow@KiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Gute Kinder

Von Andrea Heinisch
Bearbeitung ihres Romans: Theater Arche

Konzept und Regie: Jakub Kavin
Es spielen:
Inge: Carola von Herder, Margot Binder, Eszter Hollósi (die beiden letzteren schlüpfen immer wieder auch in die Rolle von Inges Tochter Helene
Manni: Thyl Hanscho
Dramaturgie: Ute Bauer
Kostüm & Bühnenbild: Isabella Farkasch
Musik:  Florin Gorgos
Regie-Assistenz: Cornelia Schultz
Regie-Hospitanz, Licht und Ton: Theresa Gerstbach
Rauminstallation: Anouk Ecker
Produktionsleitung: Manami Okazaki

Wann & wo?

25. September bis 23. Oktober 2024
TheaterArche: 1060, Münzwardeingasse 2A
Telefon: 0650 620 45 54
theaterarche -> gute-kinder