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Fotos aus allen sechs beim Try Out 2022 gestarteten Performances: (von links, obere Reihe) "A Forrest to Grow People", "Ich, du, wir Monster", "Queer God"; untere Reihe: "Solikörper", Namayesh" und "Drainage De(Illusion"
Fotos aus allen sechs beim Try Out 2022 gestarteten Performances: (von links, obere Reihe) "A Forrest to Grow People", "Ich, du, wir Monster", "Queer God"; untere Reihe: "Solikörper", Namayesh" und "Drainage De(Illusion"
01.02.2022

Zwischen Wald-Aufforstung, Pflanzenvernichtung und göttlicher Vielfalt

Sechs Künstler:innen-Gruppen zeigten vielfältige Teaser für Performances beim sechst Nachwuchsbewerb „Try Out!“ im Dschungel Wien.

Klimawandel, die einen gegen die anderen, einsam oder/und gemeinsam sowie (Geschlechter-)Identität – das waren/sind (kurz zusammengefasst) die Themen, die beim sechsten „Try Out!“ im Dschungel Wien am Wochenende von jungen Künstler:innen gespielt, performt und vielfach getanzt wurden.

Bei „Try Out!“ handelt es sich um einen Nachwuchs-Wettbewerb. Zum sechsten Mal gab/gibt das Theaterhaus für junges Publikum im Wiener MuseumsQuartier jungen Bühnenkünstler:innen die Chance, Kürzest-Versionen eigener Stückentwicklungen vor Publikum zu zeigen. Die jährlich wechselnden Jurys wählen nach diesen Präsentationen jeweils drei dieser „Teaser“ aus, die dabei unterstützt werden, an den rund 10-minütigen Performances weiter zu arbeiten. Nach einigen Monaten – diesmal am 15. Mai 2022 – präsentieren sie jeweils 20-Minuten-Stücke. Daraus wählt eine neue Jury eine Arbeit aus, die in der Folge intensiv ge-coacht wird, um eine abend- oder Nachmittag-füllende (je nachdem für welche Altersgruppe) Version daraus zu machen und in einer Spielserie im Dschungel Wien zu zeigen.

Sechs Gruppen zeigten ihr Können

Bevor hier „verraten“ wird, welche drei Produktionen nun – mit Unterstützung – ihre Arbeit fortsetzen dürfen, ein kurzer Überblick über alle sechs Performances (in der Reihenfolge ihrer Auftritte), die allesamt vom Publikum begeistert aufgenommen wurden – und die jede einzelne kreative Vielfalt auf die Bühne brachte – Details im ausführlichen Infoblock am Ende des Beitrags.

Solo oder/und gemeinsam

Jede/jeder für sich oder gemeinsam? Diese generell gesellschaftliche Frage, die sich genauso für jedes Individuum stellt, tanzten, teils spielerisch Elena Beringer, Mursal Heydari, Julia Hobler, Laura Lintner, Shahrzad Nazarpour, Sophia Rubarth und Mara Schneider als „Corpo Colectivo“ in „solikörper“, gedacht für Zuschauer:innen ab 12 Jahren – mit witzigen Elementen, die sogar eher an ein jüngeres Publikum gerichtet waren, aber auch das vorwiegend jung-erwachsene Publikum amüsierten. Wenn etwa zwei Tänzer:innen bei sich und ihrem Gegenüber nur einzelne Körperteile oder -stellen erkunden und benennen. Womit sich besonders deutlich machen, es braucht doch mehr, um zu existieren und sich zu bewegen. Und nicht zuletzt drängen sich gerade am Theater Fragen auf, kann selbst ein Solo ganz allein gelingen, oder ist nicht doch ein Zusammenspiel auch von Menschen abseits der Bühne erforderlich, um den Auftritt wenigstens ins (richtige) Licht zu setzen.

Badezimmer-Talks

Einen großen Plastikkorb, ein niedriges Kastl, drei Hocker und eine Lampe verwandeln Emmylou Fertschai, Anna Khoudokormova und Anna Rupp im Nu durch ihr Spiel und ihre Mono- und dialoge in ein Badezimmer, das sie gerade als Jugendliche besezten. In „Draining De(il)lusion“ (Entwässerungswahn bzw. Illusion) bringen sie die Gefühle ihrer Generation zur Sprache – nicht zuletzt in den C.- und P-Zeiten, über den großteils von Ignoranz geprägten Umgang der Verantwortlichen gegenüber Kindern und vor allem Jugendlichen. Über Sex unter der Dusche, die Mühsam von Langeweile oder ob solche überhaupt möglich wäre… Nicht zuletzt Lästern sie über Erwachsene ab – die sich am Ende der Performance unsichtbar durch eine Off-Stimme und Klopfgeräusche Zutritt zu eben diesem Badezimmer verschaffen wollen.

Im Namen der Fahne …

Das „Badezimmer“-Stück, das die drei Performerinnen auch gemeinsam erdacht und inszeniert haben ist ebenso für ein Publikum ab 15 Jahren gedacht wie „Namayesh“. Fast in der Art von Weiß-Clowns erobern zunächst zwei und später drei weitere Performer:innen die Bühne, gefolgt von einer in einem weiß-schwarz-gemusterten Kostüm und später zwei Schwarz-gekleideten. Wobei die Künstler:innen – Ahmad Hazara, Mursal Heydari, Elena Lach, Morteza Mohammadi, Shahrzad Nazarpour, María Konstantina Theodorou, Alma Tiemann (Konzept und Regie: Jasir Karimi) im Programmzettel Wert darauf legen, dass die Kleidung nichts mit menschlicher Hautfarbe zu tun hat. Sie erinnert in der Handlung auch rund ums Errichten einer Fahne, gegenseitigem Kampf, Niederreißen der Flagge und anschließendem wieder Aufstellen eher an das was oft mit Schwarz-Weiß-Denken, also Kategorien (unversöhnlicher) Gegensätze zu tun hat. Wobei die Fahne mehr als für territoriale Ansprüche errichtet, ja fast angebetet wird.

Wieder Wald

Die nächsten beiden „Kostproben“ drehten sich rund um unseren Umgang mit der Natur, konkret mit Pflanzen. Konzipiert und choreografiert von Elda Gallo tanzte Shalev Anandi Rozin zu eingeblendeten und live – über eine Kamera projizierten – Bildern (Luciana Bencivenga) in „A Forrest to grow People“ die Geschichte des Aufforstungsprojekts Sadhana (Südindien). Yorit und Aviram Rozin begannen 2003 am Rande von Auroville auf einem davor von europäischen Kolonialisten im Verlauf von fast 200 Jahren fast völlig abgeholzten tropischen Regenwald wieder aufzubauen. Aus der Öde wurde wieder Wald. Die dort aufgewachsene Tänzerin vermittelte mit ihren Bewegungen ein neu erwachendes Lebensgefühl – der Natur und der der tätigen Menschen, viele davon Freiwillige aus vielen Gegenden der Welt, von denen einige aufgezeichnet Wortspenden in der Performance zu hören waren. (In der Info-Box Links zu diesem realen Projekt samt Gratis-Download eines kunterbunten Bilderbuchs – auf Englisch).  

Die nahegelegene schon angesprochene weltweit als utopische Aussteiger-Mustersiedlung propagierte Gemeinde Auroville dürfte nicht halten, wie sie vermarktet wird. „Du kommst als Tourist hin und es ist alles für den Tourismus arrangiert. Das Projekt lebt zu einem Gutteil von den Einnahmen aus diesem Geschäftszweig. Viele Inder arbeiten dort, aber wohnen außerhalb. Bewohnerinnen und Bewohner in Auroville fühlen sich als etwas Besonderes, stellen ihre vorgebliche Utopie zur Schau, scheinen aber oft selbst nicht davon überzeugt zu sein“, sagte Autor Wolfgang Korn („Globalopoly – Keiner wird gewinnen“) in einem Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … über seinen Besuch von Auroville.

Monster für Pflanzen

Setzt die multimediale Performance über das reale Shadana-Projekt auf Achtsamkeit gegenüber oder viel mehr mit der Natur durch das erfolgreiche positive Beispiel, so führen sich Sasha Davydova, Jeeyoung Shin und Julia Skof (Dramaturgische Beratung: Johanna Heusser) in ihrem „Ich, du, wir Monster“ (gedacht ab 8 Jahren) aufs Ärgste auf. Kaum haben sie eine Zimmerpalme und zwei weitere Pflanzen in Blumentöpfen auf die Bühne gebracht, machen sie sich höchst lustvoll daran, diese zu demolieren: Ausreißen, darauf herumtrampeln, mit einer handlichen, kleinen Motorsäge zu zerstören.

Könnte überspitzt den Umgang der Menschheit mit Pflanzenwelt und Natur demaskieren. Allerdings bewirkte nicht zuletzt die Musikbegleitung der brasilianische, weltweit swingende Ohrwurm „The Girl from Ipanema“ eher nicht die Schreckstarre, sondern eher ein begeistertes Johlen und Weiterswingen. Und die Befürchtung, sollte es eine Spielserie geben, müssen täglich Pflanzen dran glauben – das Gegenteil dessen was ausgesagt werden will?! Andererseits spielen sie auch mit Momenten versuchten liebevolleren Umgangs mit ihrem „Grünzeug“.

Aus
Foto aus „Queer God“

Kunterbunt „göttlich“

Die meiste Zeit in ziemlichem Dunkel leuchten die buntesten, vielfältigsten Gestalten in „Queer God“ (ab 15 Jahren). Konzipiert und inszeniert von Sara*Hawy betreten sie selbst sowie Aunty, Marcel Bernard, Kristina Cyan, Carmen Kalata, Alice Erik Moe, Rosa Valentina Martino, Sergio Patricio und  Elena Shirin (auch für die Musik verantwortlich) in Kostümen, designt von Kareem Aladhami, die Welt der Bühne und verwandeln sie in ein vielfältiges Universum mit Zirkuselementen. Zwischen dunklen Mächten und regenbogenbunten leuchtenden Lichterketten vermitteln sie unterschiedlichste göttliche Bilder und errichten zu guter Letzt drei mit Spiegelfolien überzogene Wände vor dem Publikum – damit diese sich darin wiederfinden – auch göttlich sozusagen 😉

Aus
Foto aus „Queer God“

Auswahl

Die Juror:innen Corinne Eckenstein, Sanja Tropp Frühwald, Christina Rauchbauer und Simón Serra entschieden schließlich, „Draining De(il)lusion“, „A Forest To Grow People“ sowie „Ich, du, wir Monster“ in die Verlängerung zu schicken.

Hier kurze Auszüge aus den Begründungen der Jury für ihre Wahl:

Draining De(il)lusion

Die Künstler:innen haben einen sehr direkten und humorvollen Umgang mit dem Thema des Ersten-Mal-Sex-Habens, sei es unter der Dusche oder eher verkrampft irgendwo. Dann ging es ziemlich schnell zu den eigentlichen Themen Zukunftsangst und Enttäuschung, Einsamkeit und Hoffnung und einer fulminanten Wutrede über die letzten 2 Jahre, wie sie von der Politik und Gesellschaft hängengelassen wurden. Das war sehr authentisch und berührend.

A Forrest to Grow People

Berührt von der Kraft und der tänzerischen Umsetzung der erst 13-jährigen Shalev Anandi Rozin hat uns diese sehr persönliche Geschichte im Zusammenspiel mit der Live-Zeichnerin Luciana Bencivenga ein Potential für unerschöpfliche Möglichkeiten eröffnet. Die technische Umsetzung ist sehr professionell mit Livekamera und eingespielten Bildern. Die Tonqualität ist noch verbesserungsfähig.

Bis Mitte Mai dürfen sie ihre Anreißer zu rund 20-Minuten-Fassungen auszubauen. Wie schon erwähnt, wählt dann eine Jury eines der Stücke aus, das zu einer Voll-Version weiterentwickelt werden darf.

Ich, du, wir Monster

Wir liebten die wechselnden Gefühle Zimmerpflanzen gegenüber, die von zärtlicher Pflege bis zu Gewalt-Exzessen geführt hat. Das Monster als Synonym für die Lust an Zerstörung und gleichzeitig Angstbekämpfung lässt viele Möglichkeiten zu, diese noch sehr skizzenhafte, aber vor Ideen überschäumende Performance zu erweitern.

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

solikörper (12+)

Corpo Colectivo
Von und mit: Elena Beringer, Mursal Heydari, Julia Hobler, Laura Lintner, Shahrzad Nazarpour, Sophia Rubarth, Mara Schneider

Draining De(il)lusion (15+)

Konzept, Regie, Performance: Emmylou Fertschai, Anna Khoudokormova, Anna Rupp

Namayesh (15+)

Konzept und Regie: Jasir Karimi
Performance: Ahmad Hazara, Mursal Heydari, Elena Lach, Morteza Mohammadi, Shahrzad Nazarpour, María Konstantina Theodorou, Alma Tiemann
Musik: Saleh Rozati
Kostüm: Morteza Mohammadi

A Forest To Grow People (10+)

Konzept and Choreograpie: Elda Gallo
Kreativer Tanz und aufgezeichnete Stimme mit Freiwilligen aus dem Shadan-Aufforstungsprjekt (Indien): Shalev Anandi Rozin
Video-Animation and Live-Zeichnung: Luciana Bencivenga
Musik and Sound: Lorenzo Piantedosi
Aufgenommene Stimmen Freiwilliger des Sahana Waldes (Indien): Piyush Nandan, Gijs Van den Broeck, Victoria Shroff, Priyanka Urs, Ritu Pillau, Richard Roy, Luke Marsh

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Ich, du, wir Monster (8+)

Looney Luv Luck
Konzept und Performance: Sasha Davydova, Jeeyoung Shin, Julia Skof
Dramaturgische Beratung: Johanna Heusser

Queer God (15+)

Konzept und Regie: Sara*Hawy
Performer:innen: Aunty, Marcel Bernard, Kristina Cyan, Sara*Hawy, Carmen Kalata, Alice Erik Moe, Rosa Valentina Martino, Sergio Patricio, Elena Shirin
Kostümdesign: Kareem Aladhami
Musik: Elena Shirin
Video: Sara*Hawy

Try Out!

Finale
15. Mai 2022; 19.30 Uhr
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: 01 522 07 20-20
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