Studie in Deutschland über unter anderem Gerechtigkeitsempfinden von 6- bis 16-Jährigen; viele fühlen sich „von denen da oben“ aber nicht wahrgenommen. Plus Studien aus Österreich und Schlussfolgerungen der BJV (BundesJugendVertretung).
Fast alle der befragten 660 Kinder in Deutschland (6 bis 11 Jahre) sagen auf die Aussage „Ich werde wütend, wenn ich ungerecht behandelt werde“ mit „eher ja“ (94 Prozent). Aber auch kaum weniger Kinder werden auch „wütend, wenn andere ungerecht behandelt werden“ (83 Prozent sagen da ebenfalls „eher ja“.
Dies ist eines von vielen Ergebnissen der Studie „Wie gerecht ist Deutschland“, die Mitte Juli 2024 vorgestellt wurden. Die Universität Bielefeld hatte – (mit-)finanziert von der Bepanthen-Kinderförderung (im Bereich Gesundheit und Ernährung wirtschaftender Konzern Bayer) 660 Kinder sowie 570 Jugendliche (12 bis 16 Jahre) repräsentativ ausführlich befragt.
Zur Ausgangsfrage stellten die Studienautor:innen (Fakultät für Erziehungswissenschaft; Leitung Prof. Holger Ziegler) den Jugendlichen die Frage offenbar ein bisschen differenzierter: „Ich bin empört und wütend…“ mit mehr Antwortmöglichkeiten – trifft eher zu/ voll und ganz / überhaupt nicht bzw. eher nicht. Voll und ganz empört und wütend bei eigener ungerechter Behandlung sind demnach knapp mehr als die Hälfte (56 %) und wenn andere betroffen sind knapp mehr als ein drittel (34 Prozent). Aber die Summe aus „voll und ganz“ plus „trifft eher zu“ ergibt dann im individuellen Fall auch 93 Prozent und bei anderen 86 Prozent also ähnlich viele wie bei den Kindern mit „eher ja“.
Auch bei anderen Fragen zeigen die Antworten, dass viele Kinder und Jugendliche sich offenbar von der Ellenbogen-Mentalität und der Ich-AG wie sie der Neoliberalismus prägt, entfernen. So sehen die Befragten (in dem Fall Jugendlichen) Handlungsbedarf der Politik nicht nur in Sachen „Bildung von Kindern und Jugendlichen“ und „Chancengleichheit von Kindern“, sondern auch in mindestens gleichem Ausmaß für Rentner*innen, gleiche Lebensbedingungen, Arme, Gleichverteilung von Vermögen und Einkommen – all die genannten Themen erhalten Zuspruch zwischen 60 und 65 %.
Mehr als ¾ der befragten Jugendlichen fühlt sich aber von politischen Entscheidungsträger:innen nicht wahrgenommen. „Leute wie ich, haben keinen Einfluss darauf, was die Regierung macht“ meinen fast acht von zehn 12- bis 16-Jährigen „eher“ (32%) bzw. „voll und ganz“ (46%).
Einfluss auf die Meinung der befragten Kinder bzw. Jugendlichen haben einerseits die wirtschaftliche Situation der eigenen Familie sowie die gesellschaftspolitische Haltung der Eltern. So finden 87 Prozent der Kinder (6 bis 11 Jahre), deren Eltern mit der Demokratie in unserem Nachbarland zufrieden sind Deutschland „eher“ (71 %) bzw. „sehr gerecht“ (16%). Die vergleichbaren Anteile bei Kindern, deren Eltern mit der Demokratie im Land unzufrieden sind liegen bei 44 bzw. 6 – in Summe also nur bei der Hälfte (50 Prozent).
Als Unterscheidungskriterium in Sachen „sozialökonomischer Status“ (SOES) wollten die Studienautor:innen von den Befragten wissen: „Für unsere Familie ist es manchmal finanziell schwierig, alle Dinge zu bezahlen, die wir für die Schule brauchen“ vs. „Unsere Familie kann es sich leisten, Markenklamotten zu kaufen“.
So erleben nicht einmal zwei von zehn Jugendliche (12 bis 16 Jahre) mit hohem SOES in ihrem Leben Ungerechtigkeiten im eigenen Leben, während dies auf mehr als ein Drittel (37%) Jugendlicher mit Familien, die’s finanziell schwer haben, erleben muss.
Insgesamt finden jedoch die befragten – in dem Fall – Kinder (ein bisschen mühsam an der Studie ist, dass offenbar nicht jede Frage jeweils Kindern und Jugendlichen gestellt wurde), dass es in Deutschland viel eher gerecht zugeht als in der ganzen Welt (zwei Drittel zu einem Viertel).
Besonders überraschend fand der Leiter der Studie, Holger Ziegler von der Universität Bielefeld, „dass Kinder und Jugendliche zwar ein differenziertes Bild davon haben, wie eine gerechte Gesellschaft aussieht, diese Komponenten in ihrer Lebensrealität aber gar nicht unbedingt wahrnehmen. Sie fühlen sich von der Gesellschaft und der Politik nicht genug gesehen. Trotzdem machen sie sich auch Sorgen um andere Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel Rentner*innen. Die Vorurteile der neuen Generation gegenüber, diese „würden sich nur für sich selbst interessieren“ können in unserer Studie keinesfalls bestätigt werden.“
Nun, eine direkt vergleichbare Studie fand Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… nicht. Die BundesJugendvertretung – gesetzliche Interessensvertretung aller Menschen in Österreich bis 30 Jahre – verwies einerseits auf den „Jugendmonitor“ der Arbeiterkammer (1200 befragte 16 bis 29-Jährige; Institut Foresight). Neben dem herausragenden Ergebnis, dass die soziale Schere weiter auseinandergeht und Teuerung und Krise Jugendliche bzw. junge Erwachsene besonders stark trifft, wurde auch andere Themen wie etwa Mitbestimmung abgefragt.
„Menschen wie ich können etwas bewirken, wenn sie sich politisch beteiligen“ beantwortete die Hälfte mit „stimme sehr zu“ (16%) bzw. „ziemlich“ (34%). „Gar nicht“ fanden 13 % und „wenig“ 28% – 9 Prozent gaben dazu nichts an oder „weiß nicht“. Allerdings klafft auch hier eine Lücke zwischen Reicheren und Ärmeren: So finden fast sechs von zehn der „oberen 30%“, dass ziemlich bzw. sehr etwas bewirken können (57%), während dieser Anteil beim unteren nicht ganz Drittel nur bei 42 Prozent liegt.
Im Vorjahr erhob das Institut Sora die Einstellung junger Menschen zu Demokratie und veröffentlichte im November 2023 die Ergebnisse der Telefon- bzw. Online-Befragung von 343 16- bis 26-Jährigen, die in Österreich wohnen. 48 Prozent bewerten die Funktionsfähigkeit des politischen Systems sehr (11%) bzw. ziemlich (37%) gut. Was allerdings im Vergleich zu 2018 einem doch deutlichen Rückgang entspricht – damals: 13 und 56, also in Summe 69%.
Aus diesen und anderen Studien und Umfragen schlussfolgert die BundesJugendVertretung: „Die Wahlbeteiligung junger Menschen entspricht aus den Erfahrungen und Wahlstudien der vergangenen Jahre dem Durchschnitt der Bevölkerung, bei Erstwähler*innen liegt er sogar darüber. Jugendliche sind politisch interessiert und engagiert. Rund die Hälfte aller Jugendlieben engagiert sich ehrenamtlich. Und jene, die in Vereinen und Organisationen, die unter dem Dach der BJV versammelt sind, aktiv sind, halten die Demokratie noch höher als Nicht-Mitglieder. Gleiches gilt fürs Zugehörigkeitsgefühl zur österreichischen Gesellschaft.
Alterung der Gesellschaft und daher weniger Gewicht von „jungen Stimmen“ und fehlendes Wahlrecht für Nicht-Staatsbürger*innen sei eine große Herausforderung für die Demokratie und nicht zuletzt dafür ausschlaggebend, dass junge Menschen immer weniger den Institutionen der Politik vertrauen und sich zu wenig mit ihren Sorgen ernst genommen fühlen. Die Demokratie als Staatsform wird aber wenig in Frage gestellt.“
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