Österreichische Kinderfreunde fuhren mit Nostalgie-Bim rund um die Wiener Ringstraße zum Parlament. Davor beschlossen sie ein umfangreiches Forderungspaket.
„Eins, zwei, drei vier – Kinderrechte wollen wir! Fünf, sechs, sieben, acht – alle Kinder an die Macht!“ Der zweite Teil des lautstark in zwei alten Straßenbahnen sowie am Ende der Ring-Rundfahrt auf den Stufen vor dem Parlamentsgebäude gerufenen Slogans wurde Samstagnachmittag in mehreren Variationen gerufen. Gelbe Luftballons mit der Sprechblase „Kinder haben RECHTe“, T-Shirts, eine große gelbe Fahne mit dem selben Spruch – damit beendeten die Österreichischen Kinderfreunde ihre Bundeskonferenz. Zwar hieß die Losung „Es ist Zeit für eine Kinderrechte-Republik“ und die obigen Sprüche wurden engagiert skandiert, aber Kinder selbst?
„Naja, Konferenz eben!“, so die Erklärung an den fragenden Journalisten. Kein spezifisches Problem der SPÖ-nahen Organisation, die sich seit 117 Jahren einerseits für die Anliegen von Kindern einsetzt und andererseits selbst Träger von Kindergärten und Horten ist. Noch immer gibt es selten Konferenz- und Tagungsformate, in die Kinder bzw. Jugendliche selbst ihre Anliegen einbringen (können).
Die politischen und sozialen Forderungen, die die Konferenz-Teilnehmer:innen in einem 12-seitigen Leitantrag beschlossen, reichten von einer Kindergrundsicherung als Mittel gegen (drohende) Armut über Rechtsanspruch auf einen ganztägigen und kostenfreien Kindergartenplatz ab dem 1. Lebensjahr, die Einführung einer gemeinsamen, ganztägigen Schule für alle Kinder bis zum Alter von 14 Jahren mit individueller Förderung von Begabungen und Interessen ohne Angst, ohne Zwang, ohne Noten, Gratis-Mittagessens für alle Kinder in Bildungseinrichtungen, den Ausbau der Sprachförderung bei gleichzeitiger Abschaffung der sogenannten Deutschförderklassen bis zur Finanzierung von Bildungseinrichtungen nach dem Chancen-Index sowie der dringenden Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pädagog:innen.
Die verfassungsmäßigen Kinderrechte – ein Teil der Kinderrechtskonvention ist im Verfassungsrang – sollte durch das Recht auf Klimaschutz und ein lange gefordertes verbindliches Gesetz ergänzt werden. Jeder Gesetzesentwurf bräuchte eine Klimafolgenabschätzung, sowie eine verpflichtende Kinderverträglichkeitsprüfung in der Stadt-, Raum- und Verkehrsplanung. Kinder und Jugendliche sollten in ganz Österreich kostenlose alle öffentlichen Verkehrsmittel nutzen dürfen.
Weitere Forderungen bezogen sich auf den erst in den vergangenen Jahren zum Thema gewordenen Kinderschutz. Hier bräuchte es den Kinderfreunden zufolge mehr finanzielle Mittel für die Umsetzung von Kinderschutzkonzepten in Bildungseinrichtungen und Vereinen, Informationskampagnen für und Gewaltpräventionsmaßnahmen bei Eltern sowie verpflichtende Kurse in gewaltloser Erziehung für alle Eltern als Teil des Eltern-Kind-Passes.
Neben einer Absage an Zwei- oder noch mehr-Klassenmedizin verlangten die Konferenz-Teilnehmer:innen zum Gesundheitsbereich unter anderem Ausbau der Therapieplätze für Ergotherapie, Logopädie und Psychotherapie sowie die Abschaffung von Selbstbehalten oder der Notwendigkeit von Zusatzversicherungen für Kinder; regelmäßige Besuche von Gesundheits-Teams an Schulen (Schulgesundheit-Teams: Schulärzt:innen, Schulpsychologie, Soziale Arbeit), Ausbau der kinderpsychiatrischen Ordinationen, vollständige Übernahme der Therapiekosten durch die Krankenkassen, Förderung von Erholungsaufenthalten in den Ferien für Kinder aus einkommensschwachen Haushalten durch die Krankenkassen; bundesweite Aufstockung und faire Verteilung der Studienplätze „soziale Arbeit/Sozialpädagogik“ und ein Schwerpunktausbau im Fachbereich „Schulsozialarbeit“.
Suspendierung von Kindern/Jugendlichen aus dem Bildungssystem darf keine Option sein; stattdessen braucht es sinnvolle pädagogische Maßnahmen bei großen pädagogischen Herausforderungen (Beispiel Timeout-Konzept).
„Der Erwerb der Österreichischen Staatsbürgerschaft darf nicht vom ökonomischen Hintergrund abhängen: wir fordern die Abschaffung der Bundes- und Landesgebühren, sowie die massive Senkung der Einkommenshürde“, heißt es im erwähnten umfassenden 12-seitigen Forderungskatalog. Außerdem sollten Kinder per Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, wenn ein Elternteil zumindest 5 Jahre legal in Österreich lebt.
Minderjährige Flüchtlinge sollten den Anspruch auf Obsorge ab Tag 1 bekommen. Deutsch-als-Zweitsprache müsste in allen Bildungseinrichtungen angeboten werden bei gleichzeitiger Abschaffung der separierenden Deutschförderklassen.
Um Anliegen und Rechten von Kindern mehr Gehör zu verschaffen, verlangen die Österreichischen Kinderfreunde die Einrichtung eines eigenen Kinderministeriums oder Staatssekretariats. Dieses solle zentral, ressortübergreifend Initiativen und Maßnahmen zu Kindergesundheit, Bildung, Kinderschutz und Kinderrechten koordinieren, gezielte Forschung als Entscheidungsgrundlage und zur Evaluation von Maßnahmen beauftragen, detailliert Auswirkungen von Gesetzen auf die Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen evaluieren und ein unabhängiges, jährliches Monitoringverfahren zur Bewertung der Umsetzung von Kinderrechten in Gang setzen.
„Wenn wir mit uns ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass auch bei unseren Angeboten teilweise Hürden bestehen und nicht alle Kinder an unseren Angeboten teilhaben können“, konstatiert der Leitantrag selbstkritisch. Und nimmt sich vor, „eine Arbeitsgruppe mit Vertreter:innen verschiedener Kinderfreunde-Tätigkeitsfelder“ einzurichten, die „sich dem Thema Inklusion“ widmet, „Weiterbildungsangebote für Kinderfreund:innen und Leitfäden/Checklisten und Methoden“ entwickelt, „damit unsere diversen Angebote noch barrierefreier im Sinn von: keine sozialen Barrieren, keine finanziellen Barrieren, keine sprachlichen Barrieren, keine baulichen Barrieren werden“.