In dichten 100 Film-Minuten erzählt Stanisław Zalewski in Baracken der Gedenkstätten der ehemaligen Nazi-Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Mauthausen und Gusen ebenso wie in der wiederaufgebauten Altstadt von Warschau einen wichtigen Teil seines Lebens – jenen, in denen er als polnischer Hitler-Gegner insgesamt fast zwei Jahre eingesperrt war. Und einer der wenigen Überlebenden dreier KZ ist. Und sich vor allem in seiner Pension zum „Botschafter des Erinnerns“ / „Ambasador Pamięci“ geworden ist. So heißt der Film von Magdalena Żelasko (Regie/Drehbuch) und Michał Kozioł (Kamera/Drehbuch). Drei Jahre lang durften die beiden Stanisław Zalewski mit der Kamera begleiten – zu Gedenkfeiern in den genannten Mord-Orten der Faschisten ebenso wie ins Büro des Verbandes aller ehemaligen polnischen KZ-Häftlinge, wo der Protagonist in Mappen von Dokumenten und Fotos blättert, auch persönlichen zum Beispiel Klassenfotos aus seiner Kindheit.
Er schildert, wie er als angelernter Mitarbeiter in einer Autowerkstatt Militärfahrzeuge der Nazis so sabotierte, dass sie erst Hunderte Kilometer später an der Front den Geist aufgaben. Oder wie er im Warschauer Ghetto Widerstandslosungen auf Hausmauern schrieb. Und dabei erwischt wurde und dann ins KZ Auschwitz-Birkenau kam, von dort nach Mauthausen und ins Nebenlager Gusen kam, um als Mechaniker beim unterirdischen Bau des Kampfbombers Messerschmidt arbeiten zu müssen.
Nach der Befreiung der Konzentrationslager und der Welt vom Faschismus kam er in ein zerstörtes Warschau, machte seine Ausbildung fertig, studierte, wurde Ingenieur und Sachverständiger im Fahrzeugbau. Nachdem er – erst sehr spät – über die Vergangenheit reden konnte, begann er sich im genannten Verband zu engagieren und vor allem darum zu kämpfen, dass in Gusen, den Nebenlagern von Mauthausen, eine Gedenkstätte errichtet wurde.
Żelasko und Michał Kozioł hatten am Ende rund 100 Stunden Filmmaterial, berichtete Erstere bei der Medien-Vorführung des Films am Montag – wo übrigens auch Stanisław Zalewski zum ersten Mal das fertige Produkt sah. Sie beide seien gar keine professionellen Filmemacher:innen, entschuldigte sich die Regisseurin, langjährige Leiterin des „LET’S CEE Filmfestivals“ (Zentral- und Osteuropa), für manche Ton- oder Bild-Schwächen. Sie hätte auch gar nicht glauben können, dass davor noch nie wer einen Film über den mittlerweile fast 99-Jährigen gemacht hätte. „Und so haben wir ihn gemacht, weil er gedreht werden musste.“ Mit derselben Intention wie Zalewski vor allem gern mit jungen Menschen spricht: Nicht nur über die Vergangenheit reden, sondern Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen, damit sich so etwas niemals wiederholen dürfe.
Übrigens: Bewusst wurde und wird der Film nicht synchronisiert. So kann die auch immer trotz der Erzählungen hoffnungsvoll klingende polnische Originalstimme Stanisław Zalewskis gehört werden. Er kommt – wie schon in einem vorigen Bericht geschrieben – ab 1. September – dem Jahrestag des Beginns des 2. Weltkrieges in die Kinos der cineplexx-Kette (größter Kinobetreiber in Österreich). Da diese in mehreren Ländern, vor allem Südosteuropa, präsent ist, soll der Film auch Untertitel in all diesen Sprachen bekommen.
„Wir leben so lange, solange diejenigen leben, die sich an uns erinnern“, zitierte Stanisław Zalewski im Kino bei der Vorführung für Medien auch den Spruch aus dem Film, der auf der Fahne des Verbandes der ehemaligen Häftlinge der Konzentrationslagers Mauthausen/ Gusen steht. Und dies sei auch die Botschaft des ganzen Films.
Nach der Medien-Premiere des Films „Botschafter des Erinnerns“ / „Ambasador Pamięci“ im Village-Cinema Wien Mitte stellte sich der Protagonist Stanisław Zalewski auch gleich Fragen von Medien. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wollte folgendes wissen:
KiJuKU: Wann und wie haben Sie – nach Jahrzehnten des Schweigens über das Unvorstellbare – begonnen, darüber zu erzählen und vor allem mit Jugendlichen darüber zu reden?
Stanisław Zalewski: Darauf könnte ich auf zwei Arten antworten, die erste wäre eine lange, literarische; die zweite eine kurze, technische. Ich werde auf die zweite Art antworten: Wie Sie wissen bin ich gelernter Automechaniker und bevorzuge daher exakte Angaben.
Ich habe mich mit der Vermittlung meiner Vergangenheit zu beschäftigen begonnen nach einem Elternsprechtag meines Sohnes. Die Lehrerin hat die Frage gestellt, wie man Jugend zu erziehen hat. Deshalb habe ich begonnen von meinen Erlebnissen zu erzählen. Wie man Jugend zu erziehen hat hängt davon ab, je nachdem in welcher Situation man sich befindet – in einer Lage, in er man alles hat, alles im Überfluss da ist oder in einer Situation, in der es gerade so zum Existieren reicht. Ich habe kein Patentrezept für die Frage der Lehrerin, diese schreibt das Leben.
Aber jedenfalls geht es darum, dass der Mensch dem Menschen ein Mensch sein muss; kein Egoist, sondern für andere Gutes tun soll.
KiJuKU: Sie sagen im Film an zwei Stellen, dass Sie finden, die Menschen werden immer schlimmer und sie lernen nichts aus der Geschichte. Woher nehmen Sie die Kraft, die sie ausstrahlen, nicht aufzugeben und doch weiter als Botschafter des Erinnerns unterwegs zu sein?
Stanisław Zalewski: Was ist ein Mensch ohne Glauben? Und ich bitte hier, Glauben nicht mit Religion zu verwechseln. So wie es keine zwei Menschen unter den knapp mehr als acht Milliarden auf der Welt gibt, die den gleichen Fingerabdruck haben, wie es keine zwei gleichen Schneeflocken gibt, obwohl es schon ein paar Jährchen schneit, so gibt es auch keine zwei gleichen Charaktere.
Ich rede ja nicht nur über Konzentrationslager. So wie ich auch nur die Uhrzeit sage, wenn ich danach gefragt werde, so spreche ich mit Ihnen hier heute – wie bei anderen Gelegenheiten mit anderen -, darüber ja, damit sich das nicht mehr wiederholt. Und das liegt an Ihnen und an mir.
KiJuKU: dziękuję / danke.
„Um normal und kreativ zu leben, versuche ich an die Lagerereignisse nicht zu denken. Ich habe eine Methode dafür gefunden. Meine Erinnerungen habe ich in eine wasserdichte Kiste eingepackt, mit einer Schnur umwickelt und ins Wasser geworfen. Und ich ziehe sie gelegentlich hoch, aber nach der Benützung des Inhalts, werfe ich die Kiste wieder ins Wasser.“ Das sagt Stanisław Zalewski im Film „Botsachafter des Erinnerns“ (Polnisch: Ambasador Pamięci) den beiden Filmemacher:innen Magdalena Żelasko (Regie/Drehbuch) und Michał Kozioł (Kamera / Drehbuch).
Der Protagonist des dokumentarischen Films wurde vor 99 Jahren (1925) in Polen geboren, erlebte als 14-Jähriger den Einmarsch der Wehrmacht des faschistischen Deutschlands in Polen und den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. In den folgenden Jahren hatte er Kontakt zu Widerstandsgruppen. 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet, wurde ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verfrachtet, von dort ins Konzentrationslager Mauthausen und schließlich ins KZ Gusen.
Der bald 99-jährige Stanisław Zalewski besucht nach wie vor als Aktivist und Zeitzeuge Schulen und Gedenkorte, um Jugendliche über die in Nazi-Konzentrationslagern begangenen Verbrechen aufzuklären und gegen jede Art von Diskriminierung aufzutreten. Und er setzt sich unermüdlich dafür ein, dass das ehemalige KZ-Gelände in Gusen zu einem würdigen Ort des Gedenkens wird.
Magdalena Żelasko, langjährige Leiterin des „LET’S CEE Filmfestivals“ (Zentral- und Osteuropa) produziert mit und um Zalewski herum diesen Dokumentarfilm. Diesesmal führte sie Regie und zeichnete mit Kameramann Michał Kozioł für das Drehbuch verantwortlich. Die beiden durften Stanisław Zalewski mehr als drei Jahre lang begleiten. Gefilmt wurde u.a. auf dem Gelände der ehemaligen Konzentrationsalger Auschwitz-Birkenau und Gusen sowie in Warschau und Wien. Aus mehr als 100 Stunden Aufnahmen entstand der genannte knapp 100-minütige Film entstanden unter dem Gedanken #NeverAgain.
Ab 1. September 2024, 85 Jahre nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, und ein Monat vor dem 99. Geburtstag Stanisław Zalewskis, kommt der Film in Kinos in ganz Österreich und in viele weitere Länder. Wie schon eingangs und im Untertitel erwähnt, ist der Film schon am 7. Mai in einer Voraufführung – in polnischer Originalsprache mit englischen Untertiteln zu sehen – mit einer anschließenden Frage-Antwortrunde mit dem Protagonisten und den Filmemacher:innen – Details siehe Info-Box am Ende des Beitrages.
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