Es ist Zirkuszeit in Wien. Nach „Cagliostro“ mit Strauss-Musik und einer Story von Thomas Brezina im Zelt von Circus Roncalli und vor dem Halloween-Special „Coulrophobia“ (krankhafte Angst vor Clowns) auf der kleinen Bühne im Wiener Circus- & Clownmuseum hatte im Schubert Theater „Circus Archetypus“ seine Premiere.
Auf einer Bühne, die einem einigermaßen chaotisch mit Schachteln, Kisten und Koffern vollgestellten Abstellraum gleicht, packen Stefanie Elias und André Reitter manche Figuren aus solchen Behältnissen. Durch ihr Spiel erwecken sie diese zum Leben. Figuren (Puppenbau: Soffi Povo und Claudia Six) aus einem Zirkus-Umfeld, das sich erst durch Videoprojektionen auf das geordnete Chaos ergibt (Bühne & Ausstattung: Christoph Steiner; Kostüme: Lisa Zingerle).
Da ist zunächst der gar fürchterlich traurige Clown, der kunstvoll genötigt wird, die anderen zum Lachen zu bringen. Diesen spielen die beiden nicht nur mit der arm-langen Puppe, sondern mit Mütze, Mascherl (Fliege) und roter Nase auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten selbst als Ganzes. Genialer Moment bald nach Beginn als sie verkleidet lächelt, lacht, traurig dreinschaut und er einige Meter dahinter dieselben Grimassen schneidet, ohne ihr Gesicht sehen zu können, das sie natürlich dem Publikum entgegenstreckt.
„Im Schatten der Träume“ nennt das Theater den knapp mehr als einstündigen Circus-Abend im Untertitel, für den Co-Direktor Simon Meusburger das Buch geschrieben und Regie geführt hat. „Der Zirkus als Ort der Handlung war für mich schon bald klar“, verrät er Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… nach der umjubelten Premiere, auch wenn es keinen Zusammenhang mit dem in der kommenden Woche (4. November 2025) startendem „On the Edge“-Festival für experimentelle Zirkuskunst“ (seit 2020) zu tun hat, das in den beiden Häusern von Theater am Werk (Petersplatz und Kabelwerk) sowie erstmals auch im Dschungel Wien bis 15. November läuft, samt internationaler Vernetzung. Und last but not least nicht zu vergessen, gibt es in Wien seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten das Theater Olé.
In der Handlung selbst kramen die Spieler:innen aus den Kisten, Schachteln und Koffern sozusagen Unbewusstes hervor, das sich wie in Träumen in Bilder verwandelt und Grundmuster wie Ängste unter anderem vor Scheitern, Sehnsüchte und andere große Gefühle manifestiert, verkörpert in Figuren wie dem schon erwähnten Clown, einer Seiltänzerin, einer magischen übergroßen Persönlichkeit mit kleinen, sehr bekannten Zaubertricks. Meusburger nahm bei Szenen und vor allem deren Typen, Anleihe bei der „Theorie des kollektiven Unbewussten und der sogenannten Archetypen des Schweizer Psychoanalytikers Carl Gustav Jung (1875–1961)“, wie es in den Informationen zum Stück heißt.
Und so machen die Figuren scheinbar nicht immer das, was ihre Spieler:innen wollen, entwickeln eine Art Eigenleben, lassen sich auch hin und wieder nicht so schnell wieder einpacken und verräumen, wie das Bewusstsein gerne hätte 😉
Highlights in der Figurenwelt sind ein tierisches Wesen, irgendwie Hündchen mit Ansätzen zu einem Tausendfüßler, das sich jedenfalls aller Zirkus-Anweisungen widersetzt, sondern artistische Kunststücke „nur“ auf eigenen Antrieb vollführt. Und ein chinesischer Drachenkopf mit langem Stoffkörper, mit dem die Spieler:innen magische Momente auf die Bühne zaubern.
Eine eigene Klasse für sich – und dennoch, obwohl am Bühnenrand sitzend oder stehend – ist die Musikerin Roxanne Szankovich, Selbstbezeichnung „toxic violin“. Mit ihrer E-Geige samt Loop Station und so manch stimmakrobatischer Äußerung, liefert sie einerseits Begleitmusik und andererseits verleiht sie so mancher der Stimmungen des Unbewussten in dem wortlosen Stück gefühlvolle bis heftige Töne und Klänge. André Reitter führt in einer der Szenen das Zwiegespräch mit einer der von Stefanie Elias gespielten Figuren ausschließlich mittels eines Kazoos. Ansonsten kommt der einzige Text im „Circus Archetypus“ von den beiden (Puppen-)Spieler:innen gegen Ende, als sie das weltberühmte, melancholisch-sehnsuchtsvolle „Send in the Clowns“ von Stephen Joshua Sondheim (1930 – 2021) aus dem Musical „A Little Night Music“ (1973) anstimmen, wobei der Komponist und Texter Clowns stellvertretend für „Narren“ verstand. Das hier fast schon wie ein Schlusspunkt wirkt. Aber dann doch noch gebrochen wird, ob Happy oder nicht, das Ende soll offen bleiben…
In Neu Marx, einige Gehminuten vom Media-Quarter, auf dem noch das große Logo der zu Tode gebrachten Wiener Zeitung prangt, stehen das große und einige kleinere Zelte von Circus Louis Knie, dahinter Wohnwägen, es riecht nach Pferden. Künstler:innen in Glitzerkostümen unterstreichen traditionelle Zirkus-Atmosphäre; bzw. unterstreichen sie. Clown Jimmy Folco sorgt für Späße, Moderation und sammelt einige der Artist:innen für die Fotos und Videos der Journalist:innen, die am Vortag der Premiere des Programms „It’s Showtime“ (1. September bis – vorläufig – 5. November 2023, Details siehe Info-Box am Ende des Beitrages) eingeladen worden sind.
Im Programm, das am 1. September 2023 Premiere hat, wird Jimmy aus italien – so die Ankündigung – neben Clownerie auch Jonglage, Zauberei und Akrobatik zeigen. Bis zu sieben glänzende große Hula-Hoop-Reifen lässt die aus Prag kommende Nicole Berousek an Armen, Beinen und Hals kreisen lassen. Außerdem wird sie mit Hunden auftreten.
Noch immer kommen viele Zirkusartist:innen aus Familien für die seit Generationen Manegen ihre Arbeitsplätze sind. Der Zirkusdirektor himself blickt auf 200 Jahre Circus Knie zurück. Ludmilla Valla-Bertini ist die Akrobatin in achter Generation. Sie liegt auf dem Rücken und lässt Tücher auf Füßen und Händen kreisend schweben.
Vioris Zoppis (22 Jahre) vollführt Spagat und noch krassere Kunststücke in luftiger Höhe. Er hat schon einen „Golden Clown“ beim internationalen Zirkusfestival von Monte Carlo gewonnen. Es wird nicht seine letzte Auszeichnung sein.
Neben traditionellen Nummern, zu denen auch Louis Knies klassischer Auftritt mit Pferden gehört, sorgen auch jungen BMX-Fahrer aus der Ukraine für atemberaubende Auftritte. Petro und Dima zeigten nicht nur rasante Schanzenfahrten, Sprünge auf dem Hinterrad auf selbst eine kleinste Plattform. Hin, her, kreuz und quer springt einer der Rad-Artisten über den auf dem Boden liegenden Kollegen. Und das unzählige Male.
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