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Doppelsiete aus dem Bilderbuch "Vincent und ich"

Hase und Nashorn – Freundschaft um jeden Preis?

Das Ich-erzählende, namenlos bleibende Kind würde sich als scheuen, stillen Hasen „mit Augen, denen nichts entgeht“, sehen wenn es ein Tier wäre. So schreibt und zeichnet Stefan Karch es auf der ersten Doppelseite des Bilderbuchs „Vincent und ich“.

Ein allerdings sehr oft unsichtbarer und Außenseiter-Hase. Kaum wer fragt ihn, mitzuspielen, die anderen „übersehen“ ihn.

Doch dann wird alles anders: Ein Neuer kommt in die Klasse. Vincent heißt er und – Sensation – ausgerechnet mit dem scheuen, stillen Hasen will er befreundet sein. Das gefällt, fühlt sich gut an. Endlich nicht immer ausgegrenzt, endlich auch für alle anderen sichtbar. Eines Tages lässt Autor und Illustrator den Ich-Erzähler fragen, welches Tier denn Vincent sein wollen würde. „Ein Nashorn, wie mein Vater.“

Übrigens ein abwesender Vater, der die Familie verlassen hat, was Vincent nicht sehr stört, „jetzt gibt es wenigstens keine Kopfnüsse mehr“.

Standfest, bullig, dicke Haut – mit Vincent erlebt das Hasen-ich so manch wilde Spiele, fühlt sich stark, ja irgendwie unbesiegbar. Manchmal allerdings erzeugt Vincents auch gewalttätiges Verhalten Angst.

Was tun?

Und eine solche Situation wird ganz brenzlig. Unterwegs mit Vincent kommt Paul, Schüler aus der Nebenklasse, entgegen. Vincent rempelt den Mitschüler an, schlägt ihn zu Boden. Was tun? Steh ich zu meinem Freund? Und was ist, wenn ich dann wieder ganz allein bin? Oder?

„Plötzlich will ich nicht mehr mit Vincent befreundet sein“, steht dann da bevor eine Doppelseite kommt in der – nur mit gezeichneten Augen – das „Ich“ sich ausmalt, was es alles Gutes tun würde: Paul aufhelfen… Umgeblättert und dann steht da: „Doch das alles tue ich nicht.“ Er geht mit Vincent weiter. „Es fühlt sich komisch an …“

Und daraus folgt aber, ein Blick zurück, zu Paul. „Und da passiert es. Der Hase schlägt einen Haken. Ich mache mich los und kehre um…“

Noch ist das Ende des Buchs nicht erreicht. Was es nicht gibt, ohne zu spoilern: Vincent kommt nicht mehr vor. Ob die Abwendung des Hasen vom Nashorn bei Letzterem was auslöst?

Stefan Karch, der vorweg im Buch kleingedruckt schreibt, dass er als Kind Chef einer Bande war, „die durchaus mit Stöcken bewaffnet durch die Wälder streifte“, beschreibt mit wenigen Worten in knappen Sätzen ein gefühlsmäßiges Auf und Ab wie es in ähnlicher Form sicher vielen Kindern geht. Wer will nicht ständig im Abseits stehen, übersehen werden, Freund:innen haben, noch dazu starke.

Seine skizzen-artigen Zeichnungen für die er – wie es in den Notizen steht -, schon auch mal verdünnten Kaffee neben Stiften auf Öl-Basis verwendet, untermalen die auf den Punkt gebrachten Situationen; mitunter ergänzen sie diese auch. „Vincent und ich“ thematisiert Freundschaft, Dazu-gehören-wollen, aber auch Gewalt und sich davon abwenden auf leicht fassliche und doch tiefgehende Art. Und gerade das – zumindest auf Vincent bezogen – offene Ende lädt zu vielleicht auch heftigen Diskussionen ein.

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Titelseite des Bilderbuchs
Titelseite des Bilderbuchs „Vincent und ich“