Die vielen dunkelweiß-grauen Pölster (Bühne & Kostüme: Michael Lindner) auf der Bühne deuten zwar schon auf die Heimat der Hauptfigur des Theatervormittags hin – „Der kleine Eisbär“, eine Produktion des niederösterreichischen Landestheaters wird in der Bühne im Hof St. Pölten gespielt. Doch der erste – und nicht nur dieser – Auftritt gehört einem anderen tierischen Wesen; natürlich in menschlicher Schauspiel-Gestalt. Als schriller Florian Maria, später auch als Flora Mario, rückt sich ein Flamingo ins Rampenlicht. Seine Show wäre das, vermeint die pink-grelle Erscheinung. Auch das ein nicht unwichtiges Element in dieser Inszenierung (Regie: Paola Aguilera): Wer drängt sich in den Vordergrund. Und bleibt dabei noch Platz für andere?
Und der bleibt durchaus. So raumgreifend führt sich Sven Kaschte als dieser Vogel nicht auf 😉 Der Schauspieler kann übrigens auch viel dezenter, wie er später in der Rolle des Hundes Nanuk beweisen wird.
Natürlich bekommt der Titelheld Lars, dem Hans de Beer mittlerweile ein Dutzend „Kleiner Eisbär“-Bilderbücher gewidmet hat, seine – nicht zu geringe – Bühnenzeit. In dieser flotten Stunde ist er zu Beginn noch sehr jung, sein Vater will ihn dazu bewegen, schwimmen zu lernen. Immer passt dem Sohn irgendwas aber nicht, um ins Wasser zu springen. Auch so kann Angst dargestellt werden. Außerdem brauche er es gar nicht lernen, er könne es sowieso – verbreitet Lars – in Gestalt der Schauspielerin Katharina Rose, die nachvollziehbar die Wandlung von Lars im Laufe des Stücks verkörpert.
Doch bevor Lars mutig wird, muss er noch Abenteuer erleben, die seine Veränderung plausibel machen. Er schläft auf einer Eisscholle ein, diese driftet vom Rest der gefrorenen Landschaft weg. Irgendwo im Süden trifft Lars auf Häsin Leni, den sich der Autor der Stück-Fassung von einer Braunbärin aus den Büchern von Hans de Beer ausgesucht hat, die zur Freundin von Lars wird. Beide – Hase und kleiner Eisbär – ängstlich und allein. Allein? Jetzt sind sie doch zu zweit – was die Angst ein wenig mindert. Später gesellen sich noch Hund Nanuk und Papagei Pedro zur Reisegesellschaft. Wobei Hase und Papagei nie gleichzeitig auftreten können, werden beide doch – so wie Lars’s Vater – vom wandlungsfähigen Florian Haslinger gespielt.
Zwischenzeitlich spielt sich das Abenteuer der Gefangenschaft beim Tierhändler ab – Flamingo und kleiner Eisbär in vergitterten Zelten – und dem mutig werdenden Hasen der sie befreit. Ein zweites wichtiges Element der Bühnenfassung: Ängstliche erleben Situationen, in denen sie mutig werden.
Letztlich muss Lars etwas ganz anderes lernen – schwimmen kann er wirklich wie sich herausstellt, wenn er’s braucht: Um nach Hause in den hohen Norden zu kommen – mittlerweile vermisst er seinen Vater sehr – muss er um Hilfe fragen / bitten; das ist die dritte Lehre aus dem meist kurzweiligen Stück für ein sehr junges Publikum (ab 4 Jahren): Es ist eine Stärke, um Hilfe fragen bzw. bitten zu können, nicht wie oft verklickert wird, eine Schwäche.
An manchen Stellen wird das gespielte Stück dann doch hin und wieder zu einer Art Show – mit Liedern und Tänzchen (Musik: Thorsten Drücker).
Der Autor der Stückfassung Raoul Biltgen wurde vom Landestheater, das dieses Stück für die Aufführungen in der Bühne im Hof produziert hat, für die Materialmappe für Pädagog:innen gefragt, wie er aus den Bilderbuchgeschichten den Bühnentext verfasst hat.
„Keine leichte Aufgabe“, sagt er diesem Interview zufolge, „denn auf der einen Seite will ich ja den ursprünglichen Geschichten von Hans de Beer gerecht werden, auf der anderen Seite geht es natürlich darum, ein eigenständiges Theaterstück zu schreiben, das auf einer Bühne funktioniert, wo ich weiß, ich habe nur eine gewisse Anzahl von Schauspieler*innen zur Verfügung usw. … Für dieses Theaterstück habe ich mir die (ersten) 10 Lars-Geschichten von Hans de Beer ganz genau durchgelesen und analysiert: Was passiert? Wem begegnet Lars? Was steckt hinter der Geschichte? Worum geht‘s? Und dann picke ich mir manchmal auch nur einzelne Elemente raus, die ich benutzen kann, so wie zum Beispiel Nanuk, den Hund, der eigentlich sein eigenes Abenteuer mit Lars hat. Ich setze ihn aber in den Hinterhof des Tierhändlers, der in einer anderen Geschichte vorkommt, und lass ihn dann in einem Heißluftballon aus noch einer anderen Geschichte zusammen mit Lars und Pedro, dem Papagei, der bei Hans de Beer Yuri, der Papageientaucher ist, davonfahren.“
An einer anderen Stelle dieses Materials wird genau aufgelistet, dass Geschichten aus Band 1, 3, 4, 6 und 7 von Hans de Beers „Kleiner Eisbär“-Bilderbüchern verarbeitet worden sind – aber leider nur mehr fünf Mal in dieser Saison (bis 29. März 2025) gespielt wird.
Lars trifft auf Pandas <- damals noch im Kinder-KURIER
Seit fast 40 Jahren wandert Hans de Beers „kleiner Eisbär“ – gezeichnet und beschrieben – durch Hunderte Bilderbuchseiten; und auch über Kino-Leinwände, TV-Monitore, hin und wieder auch über Theaterbühnen – wie in dieser Saison (2024/25) im niederösterreichsichen St. Pölten. Erfunden hatte der Künstler den neugierigen, entdeckungslustigen und reisefreudigen Lars für seine Abschluss-Arbeit an der Rietveld Art Academie in Amsterdam. Und wegen großen Erfolges erfand der Autor und Illustrator in Personalunion mittlerweile elf weitere Abenteuer in Buchform für den Schweizer NordSüd Verlag. Dessen Co-Gründerin Brigitte Sidjanski hatte Hans de Beer 1986 bei der vor allem auf Illustration spezialisierten Kinderbuchmesse im italienischen Bologna sozusagen vom Fleck weg für seine Eisbär-Bildergeschichten engagiert.
Neben den Einzelbänden veröffentlichte der Verlag auch zwei Sammelbände – einer mit fünf und einer mit zehn der Lars-Geschichten, die mittlerweile schon in vielfacher Auflage nachgedruckt werden mussten.
Fast immer lässt der Lars-„Vater“ seinen kleinen Eisbären anderen Tieren helfen, die sich entweder auf den Nordpol verirrt haben. Oder er selbst ist meist auf nicht freiwillige Art irgendwo weitab von seiner Heimat gelandet und kommt – mit Hilfe anderer Tiere – doch wieder ins Weiß von ewigem Schnee und Eis. Und so kommen Tiger, Hündchen, Braunbären, Rentiere, Flusspferd, Beluga-Wale, Moschus-Ochsen, Kamele, Papageientaucher in den beiden Bänden, die ältere Geschichten versammeln. In einem der jüngsten – in den Sammel-Ausgaben nicht enthalten – trifft Lars sogar auf Pandas – und die chinesische Mauer.
Natürlich sind Veränderungen wie die Klimakrise, die gerade auch die Heimat der Eisbären trifft, nicht spurlos an den Lars-Geschichten vorbeigegangen. „Bücher über einen Eisbären zu machen und diese Themen auszuklammern, fände Hans de Beer sonderbar. Er gibt ihnen zunehmend Gewicht, jedoch ohne zu moralisieren, denn das Belehrende schätzte er schon als Kind nicht“, heißt es dazu in einem ausführlichen Nachwort in „Das große Buch vom kleinen Eisbären“, in dem ausführlich der Werdegang und die Sichtweisen von Hans de Beere geschildert werden.
„Die moralischen Ansprüche stellt er lieber an sich selber als Erzähler und als Zeichner“, heißt es dort weiter, Bezug nehmend auf die Darstellung der Polareis-Schmelze durch die Erd-Erhitzung. „Zum Beispiel bewegt sich Lars oft klein und ein wenig verloren in einer großen Landschaft. Nach üblichen Marketingüberlegungen müsste der flauschige Bär viel größer ins Bild, vor allem auf dem Cover. Doch weil dies nicht der Situation eines Kindes entspricht, weder real noch emotional, hat sich Hans de Beer nie dazu überreden lassen. So hat das Freundliche seiner Bilder stets einen leichten Zug ins Subversive oder sogar ins Störrische. Hans de Beer verteidigt die Kinderperspektive kompromisslos und erlaubt sich gerne kleine Späße in seinen Bildern, aber nie auf Kosten des Gefühls.“
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