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Proben-Szenenfoto aus "Unterm Rad" im Next Liberty (Graz)

Leistungsdruck bringt Jugendliche nicht selten unter die Räder

It’s Classic-Time. Unabgesprochen und zufällig spielen derzeit einige Jugendtheater Klassiker – in unterschiedlichsten Bearbeitungen. Das Theater der Jugend in Wien schafft es aus fast unspielbar gehaltenen autobiographischen Texten von Thomas Bernhard ein tolles Stück zu zimmern. Und das ausschließlich aus Originalsätzen (gut kompakt verdichtet) über wichtige Stationen aus Kindheit und Jugend des angesichts bitterböser, messerscharfer Kritik umstrittenen, heute fast wie ein Säulenheiliger der österreichischen Literatur behandelten, Autors. Nicht zuletzt mit heftiger Kritik an Schulsystem und Lehrern – damals meist tatsächlich nur in der männlichen Form. Link zu einer Stückbesprechung am Ende dieses Beitrages.

Szenenfoto aus
Proben-Szenenfoto aus „Unterm Rad“ im Next Liberty (Graz)

Unter die Räder

Eine Woche später startet im Grazer Jugendtheater Next Liberty eine Bearbeitung von Hermann Hesses „Unterm Rad“. Rund um den Jugendlichen Hans Giebenrath – gespielt von Christoph Steiner – verarbeitete Hesse – wie in anderen seiner (Jugend-)romane und -erzählungen so manch eigene – schmerzliche – Erfahrungen und Erlebnisse oder aus seinem näheren Umfeld. Zentral geht’s hier um den schon genannten Hans, der gut und gerne lernt, aber aus ärmlichen Verhältnissen nur einen Weg zu höherer Bildung finden kann – in ein kirchliches Seminar mit Karriere als Pfarrer oder Lehrer. In dem Seminar freundet sich der schüchterne Außenseiter mit einem anderen Außenseiter an, Hermann Heilner, in dessen Rolle Lukas David Schmidt schlüpft. Hermann ist lebensfroher, lässiger, kreativ-genial. Hans lässt in seinem Studiereifer nach, der Dekan will ihm den Umgang mit dem Freund verbieten… Leben verbieten, Gefühle Jugendlicher ignorieren, nur strebern, Zusammenbrechen unter Leistungsdruck – (nicht nur) er kommt durch das ständige Laufen im Hamsterrad sozusagen unter die Räder. Letztlich muss Hans das Seminar abbrechen und beginnt eine Lehre – und fühlt sich dort viel wohler. Auch das eine Parallel zum eingangs beschriebenen Bernhard’schen jungen Lebenslauf, nur dass dies auf Hesse selbst nicht zutrifft, sondern in dem Fall nur auf seinen Protagonisten. Und auch nicht gut endet…

Szenenfoto aus
Proben-Szenenfoto aus „Unterm Rad“ im Next Liberty (Graz)

Hauptproben-Besuch

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte die erste Hauptprobe besuchen. „Bis zur Premiere kann sich da noch so manches ändern“, meinte Dramaturgin Iris Harter „warnend“. Der bekannte Jugendtheater-Autor und -Regisseur Kristo Šagor bat die Regie-Assistentin Viktorija Geljić mit dem Textbuch in der Hand in der ersten Reihe Platz zu nehmen: „Wenn du merkst, dass wer hängen bleibt, ruf ruhig laut den nächsten Satz rein. Das ist besser, wie wenn von der Bühne der Ruf nach „Text!“ kommt. Das hielt sich aber sehr in Grenzen, kam in den eineinhalb Stunden, die das Stück dauert, keine drei Mal vor.

Auch der Regisseur stoppt nur selten, am längsten justiert wird für die ersten Minuten, für die Phase des Publikums-Einlasses, wer da jeweils schon wie lange in Erscheinung tritt, auf der schrägen Fläche mit bedrohlicher stilisierter Klosterfassade (Ausstattung: Denise Heschl), die auf der Bühne steht an den Tisch mit vielen aufgeschlagenen Büchern geht, blättert oder sich hinsetzt. Da stoppt Kristo Šagor auf die Sekunde genau mit und sagt den Schauspieler:innen – neben den beiden schon genannten noch Helmut Pucher (u.a. Hans‘ Vater sowie Dekan und Pfarrer), Simone Leski (u.a. Emma mit der sich Hans anfreundet) und Martin Niederbrunner (u.a. Schuhmachermeister Flaig – außer Steiner schlüpfen alle anderen in viele Rollen) – wie lange sie da sind und ab das schon ausreicht. Ansonsten merkt er in ganz wenigen Szenen an, dass die eine oder der andere ein bisschen nach vor oder zurück rücken sollte, um ein stimmigeres Gesamtbild fürs Publikum zu erzeugen.

Dass die beiden genannten Klassiker nicht rein historische Stücke mit durchaus spannenden Blicken in die Vergangenheit sind, sondern – wenngleich sich vieles doch zum Positiven verändert hat -, von der Struktur her immer noch gravierende Probleme für heutige Jugendliche aufgreift, ist das eigentlich Tragische. Gut, dass Jugendliche immer ihre eigenen Wege suchen und finden werden müssen ist klar, aber dass Schule und Pädagogik noch immer häufig begrenzen und einschränken statt beflügeln?!

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Erwachsenenbeschiompfung“ im TaO! – Theater am Ortweinplatz (Graz)

Und noch ein Klassiker

Ach, übrigens in einer starken Bearbeitung eines Klassikers spielt die Auseinandersetzung Jugendlicher mit der Erwachsenenwelt die Hauptrolle, in „Erwachsenenbeschimpfung“ (inspiriert und angelehnt an Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“ von vier jugendlichen Schauspielerinnen mit und im Grazer Theater am Ortweinplatz (tao!) – auch hier der Link zur Stückbesprechung unter dem jetzigen Beitrag.
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