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Szenenfoto aus "Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator"

Vom kleindörflichen Friseur zum Leiter einer Tour durch rechtsrechte Gedankenwelten

Grandioses sehr humorvollen Finale mit Tiefgang des Vorjahres im Wiener Akademietheater. Mehrfach zwischendurch Szenenapplaus und am Ende fast never-ending standing Ovations für „Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“.

Genau, um den berühmten Film, den ersten mit Ton von Charlie Chaplin geht es. Doch die Inszenierung (Regie: Rafael Sanchez) aus dem Schauspiel Köln, nun eben in Wien zu erleben, spielt nicht den Film nach. Der Solo-Schauspieler erzählt ihn auch nicht nach. Er verknüpft zentrale Elemente des Films, seine Leidenschaft für (Film-)Schauspiel mit seiner – angeblich – echten Lebensgeschichte.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“

Gschichtldrucker

Angeblich deshalb, weil er immer wieder sein Talent zum Geschichtenerzählen unter Beweis stellt und hervorhebt. Schon als Friseurlehrling in seinem oberösterreichischen kleinen Dorf habe er damit den Laden am Laufen gehalten (in Chaplins Film agiert am Beginn ein jüdischer Friseur). Krähwinkel nennt er das Dorf – ein fiktiver Name für spießig, kleinbürgerliche Orte, der von mehreren Autoren, nicht zuletzt Johann Nestroy verwendet wurde.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“

Raus aus dem Nazi-Mief und rein in die Tour durch den „Nazi-Park“

Aber irgendwie sei ihm der – viel zu lange erhalten gebliebene Nazi-Mief auf den Geist gegangen, er wollte raus – in die große Welt. Schauspieler werden – diesen Floh setzte ihm ein Onkel aus New York ins Ohr. Eines Tages sei er dann doch dort gewesen, sei in der Künstlergarderobe sogar dem berühmten James Gandolfini, bekannt geworden durch die Hauptrolle in der Seire „Die Sopranos“, begegnet. Doch das Fenster in die große Welt hätte er durch Ablehnung des Angebots einer kleinen Rolle ausgeschlagen. Denn zu Hause wartete seine Freundin Hermine – „Hair-mine“ (zwecks Frisiersalon).

Als Brotjob während seines dann doch in Angriff genommenen Schauspielstudiums (in Berlin) habe er sich als Reiseleiter von „Third-Reich“-Bustouren US-amerikanischer Tourist:innen verdingt. Und durch seine Erzählkunst sowie Zusatzgeschäfte ziemlich viel Trinkgeld lukriert.

Brücken zu und Anklänge an Chaplins Film

Von diesen Bustouren durch den „Nazi-Park Europa“ schlägt Hanushevsky immer wieder Brücken zu Chaplins Film, einer Persiflage auf den faschistischen Diktator Adolf Hitler in der Filmfigur des Adenoid Hynkel. Samt Weltherrschaftsplänen und der berühmten Szene mit dem Spiel dessen mit einem Erdkugel-Luftballon und jene auch sehr bekannte Szene scheinbar unverständlicher satirischer Kunstsprache. Letztere hält der Schauspieler in einem Fahrkorb über dem Reisebus, der die Bühne (Sebastian Bolz) dominiert und immer wieder Spielort drinnen und auf dem Dach ist. Die Landkarte trägt Hanushevsky in einem Ganzkörper-Bodysuit (Kostüme: Melina Jusczyk) und in einer aufblasbaren großen Kugel rollt er über die Bühne (Zorbing).
Apropos Anklänge: Witzig und oft auch mitreißend sind die gut ins Geschehen eingebetteten Gesangseinlagen des Schauspielers – nicht zuletzt von Falcos „Rock Me Amadeus“ (Musik: Cornelius Borgolte; Dramaturgie: Dominika Široká)

Aktuelles, nicht aufgesetzt

Zwischendurch macht Hanushevsky die eine oder andere Anspielung auf aktuelle rechtspopulistische bis rechtsradikale Entwicklungen – übrigens nicht nur in Europa und hebt damit den fulminanten, immer wieder sehr witzigen Abend, bei dem so manches Mal das Lachen im Hals stecken bleibt, auf die Ebene der generellen Kritik daran – wie sich auch Chaplin nicht auf die Parodie des Nazi-Führers beschränkt hat.

kijuku_heinz