„Der diesjähriger Kinderjury-Preis geht an einen sehr schönen Film, der uns außergewöhnlich berührt hat. Er entführt uns auf einen anderen Kontinent und zeigt Kinder, die alleine klarkommen müssen. Ein wahrer Frauenpower-Film, in dem Geschlechterklischees keinen Platz haben. Aber auch Jungs spielen eine wichtige Rolle und wachsen letztendlich über sich hinaus.“ So begründeten Agathe, Alma, Keren, Luisa, Mila, Nils und Wenzel, die sieben Mitglieder der diesjährigen Kinderjury, die Entscheidung für den ihrer Meinung nach besten Film – „Fußball am Dach“ (aus China).
Mit den Entscheidungen endete das diesjährige internationale Kinderfilmfestival, das mittlerweile 36.in Wien; in der Steiermark hat das 16. erst am Sonntag begonnen (dauert bis 1. Dezember 2024).
Die Kinderjury hatte aber noch für einen weiteren Film eine „lobende Erwähnung“ parat, für den belgischen Film „Young Hearts“ (Junge Herzen). „Ein herzerwärmender Film mit großartiger Filmmusik über die erste Liebe, die anders verläuft als gedacht. Besonders die Beziehung zwischen Elias und seinem Opa hat uns sehr beeindruckt. Es ist sehr schön, wenn man zu seinen Gefühlen stehen kann“, begründeten die sieben jungen Film-Auskenner:innen ihr Urteil.
Seit vielen Jahren vergibt die Kinderjury auch einen Unicef-Preis. Unicef ist das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNO). Dieser Preis gebührt immer einem Film, in dem Kinderrechte eine wichtige Rolle spielten. Das Festival findet übrigens immer rund um den internationalen Kinderrechtetag (20. November) statt.
Die Juror:innen wählten für diesen Preis „Lars ist LOL“ (Norwegen) aus. „Lars wird aufgrund seines Down-Syndroms gemobbt und ausgegrenzt und dann sogar von einer Freundin verraten. Ein Film über Freundschaft, Ehrlichkeit und den Mut, zu sich selbst zu stehen. Wir finden es sehr schön, dass sich fast alle Figuren am Ende weiterentwickelt haben und füreinander einstehen“, lautet die Begründung für diese Wahl.
Auch beim Unicef-Preis hatte die Kinderjury eine „lobende Erwähnung“. Und die deckt sich übrigens mit dem Publikumspreis: „Grüße vom Mars“. Während das Publikum natürlich keine Begründung hatte, sondern „nur“ mit Hilfe der Abschnitte der Eintrittskarten abstimmte, lieferte die Kinderjury natürlich auch ein Statement zu ihrer Entscheidung: „Wir konnten uns in den Hauptdarsteller von Grüße vom Mars sehr gut hineinversetzen. Dabei geholfen haben uns die Kamera aus Toms Perspektive, die verstärkenden Geräusche und auch die schauspielerische Leistung. Es hat uns sehr bewegt, in die Welt eines autistischen Jungen einzutauchen und zu sehen, dass seine Familie immer für ihn da ist.“
In diese Rolle hineinzuschlüpfen war übrigens für den 12-jährigen Darsteller Theo Kretschmer, der nicht Autist ist und davor auch keinen Kontakt zu Autist:innen hatte, nicht einfach, wie er in einem Interview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… schilderte – Link dazu unten am Ende des Beitrages.
Alle Preisträgerfilme sind am 1. Dezember nochmals auf der großen Leinwand zu erleben – Details siehe Info-Box.
Mittwoch, 15. November 2023, mitten im 35. Internationalen Kinderfilm-Festival. Für Kinder und Jugendliche in Niederösterreich und Wien ist schulfrei – Leopoldi ist dem Landespatron Leopold (Markgraf Leopold III, ein Babenberger, der vor rund 900 Jahren lebte und „der Heilige“ genannt wird) gewidmet. Viele Kinder – und Eltern – nutzen dies, um sich einen der Filme aus verschiedensten Ländern der Welt anzuschauen und so ein bisschen die „Luft“ anderer Kulturen zu schnuppern.
Sieben Kinder schauten sogar zwei Filme an diesem Tag an – und in der ganzen Festivalwoche sogar neun. Emma, Finni, Franzi, Mathilda, Mia, Oliver und Ruth sind die heurige Kinderjury des Festivals. Sie schauen die Filme – jene, die für Sechs- bis 12-Jährige angegeben sind – nicht nur an, sondern sie diskutieren jeweils rund eine Stunde darüber. Dabei geht’s – wie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… an diesem Mittwoch nach dem ersten Film miterleben durfte – um vielfältige Aspekte.
Doch bevor sie zu diskutieren anfangen, schnappt sich jede und jeder ein kleines Heftchen. „Filmtagebuch“ steht auf der Titelseite. Jedem der Filme sind zwei Seiten gewidmet – eine, um selber Gedanken zum jeweiligen Film zu notieren, auf der gegenüberliegenden sind oben zwei Zeilen mit je neun verschiedenen Smilies gedruckt. „Da können wir so viele auswählen wie wir wollen. Darunter laden Felder und „Wolken“ ein, die Lieblingsszene aufzuschreiben, was gefallen hat und was nicht und – darüber stöhnen einige verständlicherweise – den Film in drei Wörtern zu beschreiben.
Neben der gezeigten Geschichte, tauschen sich die jungen Filmjuror:innen auch über Kameraführung, Farben, Ton, Verständlichkeit, die einzelnen – wichtigsten – Figuren aus, darüber wie diese gespielt haben… Oder auch – wie bei „Kokon und Schmetterling“ (dem Mittwoch-Vormittagsfilm im Cine-Center, übrigens noch am 16. November zu sehen – siehe Infoblock) ob sie den Titel zum Film passend finden.
In dem Film in einem kleinen Dorf im Norden des Iran darf das Mädchen Parvaneh (was übrigens zu Deutsch Schmetterling bedeutet) nicht in die Schule. Ihr Bein wurde bei einem Brand schwer verletzt, der Vater kann – und will – sie nicht in die weit entfernte Schule tragen. Außerdem scheint er nicht davon überzeugt, dass auch Mädchen Bildung brauchen und wollen. Der Nachbarsbub Yavar versucht zunächst vor allem heimlich Parvaneh beizubringen, was er schon in der Schule gelernt hat. So baut er ein „Becher-Telefon“, um von Fenster zu Fenster mit ihr reden zu können, hält Rechnungen auf Papier an seine Scheibe, sie haucht ihre Fensterscheibe an und malt die Ziffern nach…
Sehr oft fallen in diesem Film-Nachgespräch Worte wie „sehr süße, wie sich der Junge bemüht“, aber auch Sätze wie „sehr langgezogen, weil so wenig geredet wird“. Die Altersangabe „ab 7 Jahren“ finden praktisch alle Juror:innen für zu niedrig angesetzt. Sie selber, die alle – das ist Vorgabe für die Teilnahme – zwischen 11 und 13 Jahren sind, hätten selbst mit 8 Jahren wenig mit dem Film anfangen können. Ziemlich unzufrieden waren alle mit dem offenen Ende. Parvaneh darf doch wenigstens zur Prüfung in die Schule, der Vater schaut beim offenen Fenster rein – und nicht mehr so böse und grantig.
Die Jurorinnen und der Juror reden, wie sie selber die Geschichte weiterspinnen würden oder gerne hätten, dass sie fortgesetzt und dann anders geendet hätte.
Paula, die gemeinsam mit Annalies, für das Festival die Kinderjury begleitet, bittet, noch einen weiteren Gesichtspunkt zu diskutieren: Welche Kinderrechte werden denn in diesem Film angesprochen? Denn die Kinderjury vergibt nicht nur einen Preis für den ihrer Meinung nach insgesamt besten Film, sondern auch einen weiteren für den Film, in dem Kinderrechte am besten thematisiert werden.
„Dass alle Kinder ein Recht auf Bildung haben“ – kommt fast zeitgleich von allen Jury-Mitgliedern. Aber auch Gesundheitsversorgung. Denn als sich Yavar den Arm verletzt, behandelt ihn der Arzt, Parvanehs kaputtes Bein bleibt unbehandelt, weil der Vater dafür zahlen müsste. „Im Winter haben die Kinder nur dünnes Gewand“, ist einigen aufgefallen. „Und die Kinder haben gar keinen Raum für sich, keine Privatsphäre“.
„Der Film macht sehr nachdenklich“, ist einer der Sätze, die Paula in den Laptop tippen soll. „Und dass wir viel dankbarer sein könnten, was wir hier haben, wenn diese Kinder nicht alle in die Schule gehen dürfen oder kein warmes Gewand.“ Beeindruckend fanden einige die Landschaftsaufnahmen.
Aus den Sätzen, die sie von der Kinderjury einsammelt, stellt sie Filmkritiken zusammen, die auf der Homepage des Festivals veröffentlicht werden – Link dazu am Ende des Beitrages.
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wollte dann noch von den jungen Juror:innen wissen, was sie bewogen hat, Teil der Kinderjury zu werden, wie das nun ist und ob sie vorher schon über Filme (so intensiv) gesprochen hätten.
Da sich viele Aussagen decken, seien die Antworten gar nicht einzeln angeführt. Viele der Jury-Mitglieder haben ältere Geschwister, die schon Teil der jeweiligen Kinderjury waren. Was diesen sehr gefallen hat – und deren Begeisterung sich auf sie übertragen hat. Dass sie selbst schon mal in früheren Jahren beim Kinderfilm-Festival waren ist eine der Voraussetzung, da die Bewerbungen nur dort fürs jeweilige kommende Jahr abgegeben werden können.
Das meiste Wort das bei der Einschätzung fiel: Cool. Auf die Nachfragen, was das Coole sei, kam oft: Weil wir uns gemeinsam die Filme anschauen und dann darüber reden, man deshalb auf Dinge achtet, auf die man vorher nicht so geschaut hat. Vor der Jury-Tätigkeit sei nach Filmen höchstens über Handlung, vielleicht noch über Charaktere gesprochen worden, aber nie so viel auch über Kamera, Bilder, Dialoge, ob etwas logisch oder weniger ist, wie die Darsteller:innen spielen – immerhin sind bei allen Filmen des Kinderfilm-Festivals Kinder bzw. Jugendliche die Hauptdarsteller:innen. Jedenfalls ist große Begeisterung deutlich herauszuhören.
Erst als Anneliese und Paula zaghaft ansprechen, dass es doch auch ganz schön anstrengend sei, fällt den Mitgliedern der Kinderjury ein: „Ja, sehr zeitaufwendig ist es schon!“. Immerhin schauen sie in einer Woche neun Filme – samt ausführlicher Gespräche und Diskussionen darüber.
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