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Die beiden Sindbad-Tandems in der Prater Hauptallee, bevor's zum Bowling geht

Schub für den eigenen weiteren (Aus-)Bildungsweg

Vorbei am riesigen Gold eingefärbten sitzenden Affen geht’s in der Prater Hauptallee rein in eine Bowlinghalle. Dort greifen sich zwei Saras, eine Sarah und Randa die Kugeln mit den Grifflöchern, um Kegel am Ende der langen Bahn umzuscheiben. Für die meisten der vier ist das eine neue Freizeitbeschäftigung. Jakob hingegen, der den Journalisten hierher gelotst hat, agiert fast professionell. Und dennoch kommen einige der Neulinge in der Trefferanzahl ganz schön nah an ihn heran.

Dieser Bowling-Wochenend-Nachmittag ist eine der gemeinsamen Freizeitaktivitäten von Mentor:innen und Mentees der Initiative „Sindbad“, einem Sozialunternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat durch unterstützende Begleitung bei (Suche nach) weiterführender Bildung mehr Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft herzustellen.

Sowohl Mentee als auch Mentorin heißen Sara - ohne h
Sara und Sara …

IT-Auskennerin

Die erste, die gleich mit ihrem allerersten Kugel-Schub für Erstaunen und Überraschung – auch für sich selbst – sorgt ist die 15-jährige Informatik-Mittelschülerin Sara Mohamed. „Computer haben mich schon immer interessiert und als wir mit der Volksschule damals beim Tag der offenen Tür diese Mittelschule angeschaut haben, hab ich mit entschieden, dort hin zu gehen.“ Jetzt besucht sie die vierte Klasse, „ab Herbst werde ich in die HTL Rennweg zuerst in die Fachschule für IT gehen, danach möchte ich den Aufbaulehrgang und dann dort weitergehen und Matura machen“, erzählt sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr…

Bei der Wahl des weiteren Bildungsweges – „dass ich eine weiterführende Schule machen werde, wusste ich, aber damals noch nicht welche“ – half ihr das Sindbad-Mentoring-programm, „und auch bei Deutsch hat mir Sara (die Mentorin trägt den selben Vornamen) geholfen. Ich bin erst 2015 aus Damaskus nach Österreich gekommen, als kleines Kind kann ich mich nur mehr an den Krieg erinnern (ab 2011). Ich konnte nicht einmal zu meiner Tante gehen, weil auf einem Hausdach dazwischen Scharfschützen gestanden sind. Mein Onkel ist gestorben, mein Vater war im Gefängnis. Als ich nach Österreich gekommen bin, hab ich zuerst geglaubt, ich bin in einer anderen syrischen Stadt und mich gewundert, dass ich gar nichts verstehe. Die ersten Tage in der Schule waren so schlimm, weil ich nichts verstanden habe.“ Heute ist sie in ihrer Familie die Auskennerin in Sachen Computer und Handy.

Hilft gerne

Ihre Mentorin, Sara Janisch, studiert Soziologie, beschäftigt sich in ihrer Abschlussarbeit mit Social Media und arbeitet nebenbei bei World Vision, wo sie das Projekt des Wasserlaufs im Mai betreut: Global 6 K – laufend oder gehend im Mai sechs Kilometer zurücklegen – die durchschnittliche Distanz, die Menschen im globalen Süden zu sauberem Wasser zurücklegen müssen – täglich! „Ich bin eine Person, die sehr gerne hilft, und als ich von Sindbad erfahren habe, war ich sofort dabei. Ich bin privilegiert aufgewachsen und möchte davon etwas weitergeben“, erklärt sie ihre Beweggründe, sich als Mentorin gemeldet zu haben. „Wir treffen uns regelmäßig so alle zwei Wochen, waren immer wieder Kaffee trinken mit Laptop, um zum Beispiel nach passenden weiterführenden Schulen zu suchen“, nennt sie die Art der Aktivitäten. Bowling an diesem Nachmittag ist mal was anderes, was Neues.

„Wobei“, gesteht Janisch im Gespräch mit dem Journalisten, „eigentlich lern ich von Sara vielleicht viel mehr als sie von mir. Sie ist so eine tolle, mutige, starke Persönlichkeit und mit ihren 15 Jahren so weltoffen!“

Sarah und Randa
In diesem Tandem sind beide vielsprachig …

Vielsprachigkeit für den Beruf nutzen

Sarah Al Saadi, die zweite Mentee bei diesem Treffen mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… besucht derzeit auch die vierte Klasse einer Wiener Mittelschule. „Ab Herbst möchte ich eine lehre mit Matura in einem Hotel machen“, nennt sie ihren weiteren (Aus-)Bildungsweg. „Für Hotel und Tourismus interessiere ich mich, weil ich da gut meine Sprachen einbringen kann“, so die 15-Jährige, die die ersten Lebensjahre im irakischen Basra mit Arabisch und ab dann in Wien auch mit Deutsch aufgewachsen ist. „In der Schule hab ich dann noch Englisch und Französisch gelernt. Außerdem kann ich Türkisch, das hab ich dadurch gelernt, dass ich gern türkische Serien und Filme schau.“

Schnappschüsse vom Bowling-Nachmittag
Weiß nun, welchen (Aus-)Bildungsweg sie gehen wird – und brachte die Kugel auf unterschiedliche Art ins Laufen …

So nebenbei“ erzählt die Jugendliche: „Ich schreibe auch an einem Buch – mit Zitaten und Sprüchen – auch eigene.“ Außerdem sang sie zwei Jahre in einem Chor, „aber ich würde gern auf Arabisch singen, da hab ich bisher noch keinen Chor in Wien gefunden.“

Psychologische Unterstützerin

Ihre Mentorin ist Randa Emara, eine Psychologie-Studentin. „Zuerst wollte ich Journalistin werden, aber das Studium war mir zu trocken, so die 23-Jährige, die in Wien-Brigittenau im Gymnasium Am Augarten maturiert hat. „Weil sich viele aus meinem Verwandten- und Bekanntenkreis bei Problemen immer an mich gewendet haben, dachte ich dann, Psychologie könnte das richtige Studium für mich sein.“

Schnappschüsse vom Bowling-Nachmittag
Kennt die Schwierigkeit, den eigenen weiteren Bildungsweg zu finden, aus eigener Erfahrung …

Diese Hilfsbereitschaft und der Hang, andere zu unterstützen waren auch der Beweggrund, sich als Mentorin bei Sindbad zu engagieren. „Ich selber hab mir mit 14 schwergetan, zu entscheiden, welchen Bildungsweg ich weitergehen soll. Meine Eltern konnten mir dabei nicht helfen. Und so will ich, die sich da durchgekämpft hat, anderen helfen, den für sie richtigen Weg zu finden.“

Neben dem Studium arbeitet Emara, die übrigens mit Deutsch und Arabisch – in zwei verschiedenen Dialekten (Marokko mütter- und Ägypten väterlicherseits) aufgewachsen ist, in einer Wirtschaftskanzlei. „Ich hab gleich mit Studienbeginn auch zu arbeiten begonnen, zuerst als Billeteurin in der Staatsoper, aber ich wollte dann doch etwas machen, wo ich mehr Arbeitserfahrung sammeln kann.“

Auch Randa Emara ist vielsprachig – zu den genannten beiden Sprachen gesellen sich noch die schulisch erlernten Englisch, Spanisch, Französisch und Latein hinzu.

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