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Foto der kurdischen Nachrichtenagentur ANF nach einem der Zerstörungs-Bombardements in Nordsyrien

Türkisches Militär bombardiert Getreidespeicher und Gesundheitseinrichtungen

Eine auf Diabetes spezialisierte Ambulanz in Kobanê, ein Nieren-Dialysezentrum in Qamishli, die Druckerei für Schulbücher in Simav, ein Getreidespeicher für Weizen, eine Mehl- und Tahini-Mühle, zwei Zementproduktionsstätten und eine für Olivenölfabrik und sogar ein Hochzeitssaal – das sind einige der Ziele von mehreren Dutzend Luftangriffen des türkischen Militärs im Nachbarland Syrien – in der als Rojava bekannten autonomen, demokratisch, multikulturell verwalteten Region, in der Kurd:innen eine führende Rolle einnehmen.

die zerstörte Diabetes-Klinik in Kobanê
Zerstörte Diabetes-Klinik in Kobanê

Die Angriffe, über die der „Kurdische Halbmond“ berichtet, fanden am 25. und 26. Dezember statt– bei uns als Christ- und Stefani-Tag bekannt. „Bei den Angriffen kamen mindestens acht Menschen ums Leben, 15 wurden verletzt.“ Die Demokratische Selbstverwaltung in der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) schreibt – laut der kurdischen, in mehreren Sprachen publizierenden Nachrichtenagentur ANF (Ajansa Nûçeyan a Firatê / Nachrichtenagentur Euphrat): „Am 26. Dezember sind Wohnhäuser, Getreidesilos, eine Klinik, ein Bahnhof, Produktionsstätten, eine Baufirma, Straßen, ein Stadtviertel in Hesekê und zehn Checkpoints der Inneren Sicherheitskräfte in Cizîrê und in Kobanê bombardiert worden. 18 Angriffe erfolgten mit Drohnen, zwanzig weitere Angriffe mit schweren Waffen.“

Das war einmal die Dialyse-Station in Qamishli
Das war einmal die Dialyse-Station in Qamishli

Die Diabetes-Station, die von einem deutschen Verein unterstützt wird, war zum Glück über die Feiertage geschlossen, weshalb dort niemand zu Schaden kam. Dieses Zentrum versorgte hauptsächlich ältere Menschen in der Stadt und den Dörfern über eine mobile Klinik. Jetzt gibt es keine Chance mehr, die gleichen Dienstleistungen zu erhalten. Das Nierendialyse-Zentrum versorgt(e) monatlich zwischen 650 und 700 Patienten.

Schulbuchdruckerei in Simav - nach dem Luftangriff des türkischen Militärs
Schulbuchdruckerei in Simav – nach dem Luftangriff des türkischen Militärs

Zum Glück keine Hochzeit

Beim Luftschlag auf die erwähnte Buchdruckerei wurden sechs Arbeiter getötet. Diese Druckerei verteilt Bücher an mehr als 800.000 Schüler:innen in mehr als 4.400 Schulen in der Region. Zum Glück fand zum Zeitpunkt des Bombardements des Hochzeitssaals keine Hochzeit statt. Die genannten und weitere Angriffe auf Strom- und Ölstationen hat zur Folge, dass in der Stadt Qamishli, neun Städten und 2.680 Dörfern die Stromversorgung unterbrochen ist, was wieder zum Stillstand in Gesundheits- und anderen öffentliche Einrichtungen führt(e).

Landkarte der Angriffe des türkischen Militärs vom 25. Dezember 2023in
Landkarte der Angriffe des türkischen Militärs vom 25. Dezember 2023in

Jahrelange Angriffe

Die Angriffe dauern bereits seit vielen Jahren an und haben sich seit Oktober 2022 gegen die zivile Infrastruktur enorm verschärft. Die jüngsten Angriffe auf die Infrastruktur werden die humanitäre Tragödie im Nordosten Syriens verschärfen. Die permanente Angst vor neuen Angriffen mit Drohnen belastet die psychische Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere der Kinder, tief.

Betroffen sind auch die großen Lager – einerseits für Binnenflüchtlinge aus Syrien, die dem „islamischen Staat“ entkommen sind und andererseits für Häftlinge des unter besonders tatkräftiger Mithilfe der kurdischen Milizen zerschlagenen „islamischen Staates“. Besonders die Situation im Al Hol Camp ist besorgniserregend. Das Lager beherbergt immer noch fast 60.000 Menschen, die meisten von ihnen sind Familien von Mitgliedern des Islamischen Staates und viele von ihnen kommen aus europäischen Ländern. Das Lager dient bereits jetzt als Drehscheibe für die Radikalisierung seiner Bewohner. ISIS-Familien erziehen ihre Kinder zu neuen Soldaten des Islamischen Staates. Schon vorher gab es nicht genügend Kapazitäten, um auf diese besorgniserregende Situation zu reagieren, und der Mangel an humanitärer Hilfe und die schlechten Lebensbedingungen verschärften sich, berichtet der Rote Halbmond.

Proteste in der Region - als Appell an die Welt
Proteste in der Region – als Appell an die Welt

Gefahr des Wieder-Erstarkens der Islamisten

„Die Instabilität der gesamten Region als Folge des 12-jährigen Bürgerkriegs, durch den Klimawandel, durch die seit Jahren anhaltenden türkischen Angriffe und insbesondere durch den aktuell andauernden Großangriff schafft perfekte Voraussetzungen dafür, dass der IS wieder stärker wird. Die Radikalisierung wird zunehmen, die Vertreibung der Bevölkerung wird zunehmen, der Bedarf an humanitären Helfern wird zunehmen, die Zahl der Flüchtlinge, die ein sicheres Leben suchen, wird zunehmen“, appelliert die Schwesterorganisation des Roten Kreuzes an die Weltöffentlichkeit.

Nach Angaben des Roten Kreuzes leben über 90 % der Syrer unterhalb der Armutsgrenze. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Syrien 16,7 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, davon leben etwa 6 Millionen in den Gebieten Nord- und Ostsyriens. Dennoch nimmt die Türkei Getreidemühlen und Öfen in der Region ins Visier und entzieht so Tausenden Familien das Brot.

Ablehnung aus Österreich

Der „Verein zur Unterstützung geflüchteter Menschen und Schaffung solidarischer Strukturen“ aus Wien-Mariahilf wollte vor Monaten übrigens ein Projekt der Prothesenklinik von Qamishli mit Prothesen, Physiotherapie und psychosozialen Support unterstützten und fragte um Förderung beim österreichischen Sozial- und Gesundheitsministerium um eine 120.000-Euro-Förderung an. „Zu Ihrem Ansuchen wird mitgeteilt, dass aufgrund der restriktiven Budgetvorgaben für das gegenständliche Projekt/Vorhaben keine finanzielle Unterstützung gewährt werden kann“, kam Anfang Dezember die abschlägige Antwort.

„Vergeltung“

Türkische Behörden bezeichneten die Angriffe als „Vergeltung“ für den Tod mehrerer Soldaten, die bei „grenzüberschreitenden Operationen“ der türkischen Armee im Irak von der kurdischen Guerilla getötet worden waren. Die Türkei rechtfertigt sich mit Verweis auf Artikel 51 der UN-Charta, in der das Selbstverteidigungsrecht eines Landes geregelt ist.

Im Völkerrecht gebe es aber kein Recht auf Vergeltung, argumentieren die Kurd:innen. Außerdem seien – mit Ausnahme der gezielten Ermordung des Kommandanten Ferhad Dêrik, Koordinator des multiethnischen Bündnisses für die Zusammenarbeit mit der internationalen Anti-IS-Koalition – keine militärischen, sondern praktisch ausschließlich zivile Infrastruktur angegriffen und zerstört worden, berichte die kurdische Nachrichtenagentur Ajansa Nûçeyan a Firatê (Nachrichtenagentur Euphrat).

Im Völkerrecht gebe es aber kein Recht auf Vergeltung, argumentieren die Kurd:innen. Außerdem seien gar keine militärischen, sondern praktisch ausschließlich zivile Infrastruktur angegriffen und zerstört worden, berichte die kurdische Nachrichtenagentur Ajansa Nûçeyan a Firatê (Nachrichtenagentur Euphrat).

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„Kriegsverbrechen“

Der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi, hat die türkischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien verurteilt. Wörtlich sprach Abdi auf der Plattform X von Kriegsverbrechen.

Proteste

In den deutschen Städten Bremen, Stuttgart, Freiburg sowie im schweizerischen Zürich und Basel hat es bereits Kundgebungen gegeben. Die schon zitierte – vielsprachige – kurdische Nachrichtenagentur ANF-News erwähnte auch Zypern, Frankreich und Dänemark

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Kurdischer Roter Halbmond über die Lurftangriffe

rojavainformationcenter.org

anfdeutsch.com/

Standfoto aus einem Video aus dem prothesenzentrum in Qamishli

Hilfe für Rojava

Yasmin Randall, Psychothearapeutin und unermüdliche ehrenamtliche Helferin immer wieder in der Region Rojava im Norden Syriens, das seit 20. November immer wieder aus der Luft von türkischem Militär bombardiert wird, das übrigens schon vor vier Jahren unter anderem in Afrin einmarschiert ist, konnte unter anderem eine Förderung durch das österreichische Gesundheitsministerium für die Lohnkosten eines Prothesenzentrums in Qamishli erreichen.

Mit ihrer Mithilfe konnten in diesem Jahr auch 10 Dialysegeräte sowie 67 Blindenstöcke für Kriegsopfer geliefert werden.

In Planung für kommendes Jahr ist eine chirurgische Fortbildung in Qamishli, die Lieferung weiterer medizinsicher Geräte (Endo- und Lapraskopie), die Überdachung eines Spielplatzes im Camp Washokaniye, das Auftreiben von 50 Gel-Batterien und Ladegeräten für elektrische Rollstühle. Und so „nebenbei“ bringt ihre Initaitive bi jeder der Reisen in die Region auch andere Hilfsgüter sowie Winterschuhe und Spielzeug für Kinder mit.

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