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Zerstörte Schule in einem Dorf bei Kobani
Zerstörte Schule in einem Dorf bei Kobani
15.12.2022

„Ich will einfach in die Schule und dass die Luftangriffe aufhören“

Ansprechperson für internationale Hilfe und Dokumentaristin der zerstörungen in Rojava (Kurd:innengebiet in Nord-Syrien) im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I und mehr…

„Beziehungen in der Schule“ (Têkilîyên li Dibîstanê) steht – übersetzt – auf den beiden aufgeschlagenen Seiten des Schulbuchs, in dem einige Sätze mit Bleistift unterstrichen sind. Wie sollen Schülerinnen und Schüler miteinander umgehen – so wie sie mit den Lehrpersonen und auch umgekehrt darum geht’s in diesem Kapitel. Das können sie jetzt gar nicht (mehr). Das Schulbuch liegt – siehe Foto über diesem Beitrag – im Schutt. Zwischen zerstörten Teilen – des Schulgebäudes des Dorfes Koran im Bezirk Kobani.

Live aus Qamishli

Dieses Foto – und einige weitere, die hier veröffentlicht sind – schickte Khabat Al-Majid Ibrahim. Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… konnte die 31-jährige studierte Erziehungswissenschafterin (an der Universität von Latakia) in einem Telefonat in Qamishli erreichen. Die rund 200.000 Einwohner:innen-Stadt liegt in Rojava. Diese nordsyrische Gegend wird demokratisch – von Kurd:innen geführt aber multiethnisch -regiert und verwaltet. Und ist seit 20. November bewaffneten Attacken aus der Luft durch den Nachbarstaat Türkei ausgesetzt.

Selfie der KiJuKU-Interviewpartnerin Khabat Abd AlMajed Ibrahim
Selfie der KiJuKU-Interviewpartnerin Khabat Abd AlMajed Ibrahim

Schulen

Khabat Abd AlMajed Ibrahimim ist Ansprechperson für internationale Hilfsorganisationen und Teil eines Recherche- und Dokumentationsteams. „Wir wollen und müssen doch dokumentieren, was er (den Namen Erdoğan vermeidet sie) an Verbrechen anrichtet. Die zerstörte Schule im Dorf Koran, das zu Kobani gehört, war die einzige dort und wurde gezielt beschossen.

Kampfflugzeuge bombardierten auch das Coronakrankenhaus im selben Dorf und zerstörten es vollständig. Geplant war, daraus ein Kinderkrankenhaus zu machen sobald keine Quarantänemaßnahmen mehr nötig wären.“

Beschossenes Gesundheitszentrum in Qaramox
Beschossenes Gesundheitszentrum in Qaramox

Gesundheitszentrum und Infrastruktur

Unsere Gesprächspartnerin erzählt von einem weiteren beschossenen Gesundheitszentrum „in Qaramox, das war dort die einzige medizinische Versorgung – gleich für zehn Dörfer.

„Als erstes haben wir das Dorf Takil-Bakil in Derik besucht. Es war das erste Angriffsziel der türkischen Luftwaffe – am 20. November um Mitternacht. Elf Menschen wurden getötet, darunter ein Journalist, sechs weitere verwundet – und viel zerstört. Immer wieder lässt er Infrastruktur angreifen, Strom- und Gasversorgung zerstören – zum Beispiel im eben genannten Dorf das E-Werk und Gaskraftwerke in Chal-Axa und Tarbaspiya.“

Aber ist dies nicht auch gefährlich?
Khabat Abd AlMajed Ibrahim: Nicht jeden Tag und jede Nacht. Aber als wir in Kobani die zerstörte Schule fotografierten, gab es neuerliche Angriffe türkischer Kampfflugzeuge. Ja, es ist schon zeitweise recht gefährlich.

Leben Sie dann in ständiger Angst?
Khabat Abd AlMajed Ibrahim: Nach all dem was wir hier erleben, haben wir vor (fast) nichts mehr Angst.

Zwei Mädchen, die gern wieder in eine Schule gehen würden
Zwei Mädchen, die gern wieder in eine Schule gehen würden

Für die Kinder?

Wie ist das für die Kinder, in einer solchen Situation aufzuwachsen, da bleibt weder zeit noch Raum für ein Kinderleben?
Khabat Abd AlMajed Ibrahim: Wir müssen sehen, dass viele Kinder wenn sie spielen, das mit Plastikwaffen machen – sie ahmen eben nach, was sie erleben. Auch wenn sie anderes wollen. In Kobani sagte ein kleines Mädchen zu mir: Ich hab so Angst, aber ich will einfach nur in die Schule gehen und dass die die Angriffe stoppen“

Wenn Schulhäuser zerstört werden, gibt’s dann keinen Unterricht oder wird versucht woanders zu lernen und lehren?
Khabat Abd AlMajed Ibrahim: In manchen Dörfern errichten sie große Zelte, in denen dann Schule stattfinden kann, in anderen Gegenden verwenden sie andere Häuser.

Wollen die Leute nicht nur weg weil das alles nicht auszuhalten ist?
Khabat Abd AlMajed Ibrahim: Ich bin ein kleines Beispiel für viele. Wir haben keine Angst. Wenn wir sterben, sterben wir. Wo sollten wir auch hin? Außerdem will die Türkei ja uns Kurdinnen und Kurden hier loswerden. Wir werden ihr Ziel nicht erfüllen.

Follow@kiJuKUheinz