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Auf dem Weg zur Zuflucht in und rund um Kobanê, im Nordosten Syriens

Aufrufe zur Hilfe für vertriebene Kurd:innen in Syrien

Zehntausende Menschen in Syrien selbst und in der Welt jubeln verständlicherweise über den Sturz des Langzeitdiktators Assad. Die neuen Herrscher zeigen sich aber – trotz gegenteiliger Reden – ebenfalls recht autoritär, mit religiöser Masche versehen, aber auch ethnischen Diskriminierungen. So mussten Tausende vor allem Kurd:innen aus jenen Städten flüchten, wo die Dschihadisten einmarschierten.

Auf dem Weg zur Zuflucht in und rund um Kobanê, im Nordosten Syriens
Auf dem Weg zur Zuflucht in und rund um Kobanê, im Nordosten Syriens…

Tausende Zivilist:innen konnten nur schnell ihre wichtigsten Habseligkeiten zusammenpacken, um im Nordosten Syriens Zuflucht zu finden – in der Region Rojava, die von Kurd:innen (mit-)regiert und verwaltet wird. Aber auch diese Region wird stark – vor allem von häufigen Angriffen der türkischen Luftwaffe bedroht. Einige hundert Familien müssen dort sogar in Zelten Zuflucht suchen.

Darauf weist die Schriftstellerin Aljin Hassan aus Salzburg („Unsichtbare Kriege. Life is a Story“; veröffentlicht bei story.one) in einem Online-Video hin. Und die Austrokurdin bittet um Spenden für ein zivilgesellschaftliches Projekt – Rêxistina kobanê ya alîkarî û geşkirinê – in Kobanê für Geflüchtete aus Aleppo und mittlerweile weiteren von den Dschihadisten eroberten Städten – Link zum Video samt Infos unten am Ende des Beitrages.

Auf dem Weg zur Zuflucht in und rund um Kobanê, im Nordosten Syriens
Zuflucht in Zelten…

Unicef-Österreich: „Sehr große Sorge um die Kinder in Syrien“

„Es sind immer die Kinder, die am meisten unter Konflikten zu leiden haben. Knapp 14 Jahre Bürgerkrieg hatten bereits katastrophale Auswirkungen auf die Kinder des Landes. Eine Generation, die nichts anderes als Gewalt, Flucht und Angst kennt,“ stellte Christoph Jünger, Geschäftsführer von Unicef-Österreich angesichts der aktuellen wieder in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gerückten Kämpfe in Syrien in einer Aussendung fest.

Eines der Kinder einer Familie, die vor wenigen Tagen aus Aleppo flüchten musste
Eines der Kinder einer Familie, die vor wenigen Tagen aus Aleppo flüchten musste

In Syrien sind große Teile des Landes sowie die Stadt Damaskus von den Islamisten laut Medienberichten besetzt worden. Erst Anfang des Monats hat das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, aufgrund der Eskalation der Feindseligkeiten im Nordwesten Syriens, bei denen Berichten zufolge mindestens sieben Kinder auf tragische Weise getötet und 32 weitere verletzt wurden, alle Konfliktparteien dringend dazu aufgerufen das humanitäre Völkerrecht einzuhalten und dem Schutz der Zivilbevölkerung, insbesondere der Kinder, Vorrang einzuräumen.

Familie, die aus Aleppo flüchten musste
Familie, die aus Aleppo flüchten musste

Seit dem 27. November sind mehr als 48.500 Menschen vertrieben worden, vor allem Kinder und Frauen. Die meisten der Kinder wurden aufgrund früherer Krisen bereits mehrfach vertrieben. Im vergangenen Jahr floss über die Hälfte der thematischen humanitären Mittel von Unicef in nur vier Notlagen – eine davon war Syrien. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen benötigt bereits vor den Ereignissen der letzten Stunden 68,2 Millionen US-Dollar, um seine Hilfe für die Kinder in Syrien fortzusetzen und den dringendsten Bedarf der vertriebenen Bevölkerung zu decken.

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Video der Austrokurdin Aljin Hassan – auf Deutsch mit Untertiteln auf Englisch und Arabisch

Unicef -> Hilfsprojekte in Syrien

Spendenaufruf
Spendenaufruf
Foto der kurdischen Nachrichtenagentur ANF nach einem der Zerstörungs-Bombardements in Nordsyrien

Türkisches Militär bombardiert Getreidespeicher und Gesundheitseinrichtungen

Eine auf Diabetes spezialisierte Ambulanz in Kobanê, ein Nieren-Dialysezentrum in Qamishli, die Druckerei für Schulbücher in Simav, ein Getreidespeicher für Weizen, eine Mehl- und Tahini-Mühle, zwei Zementproduktionsstätten und eine für Olivenölfabrik und sogar ein Hochzeitssaal – das sind einige der Ziele von mehreren Dutzend Luftangriffen des türkischen Militärs im Nachbarland Syrien – in der als Rojava bekannten autonomen, demokratisch, multikulturell verwalteten Region, in der Kurd:innen eine führende Rolle einnehmen.

die zerstörte Diabetes-Klinik in Kobanê
Zerstörte Diabetes-Klinik in Kobanê

Die Angriffe, über die der „Kurdische Halbmond“ berichtet, fanden am 25. und 26. Dezember statt– bei uns als Christ- und Stefani-Tag bekannt. „Bei den Angriffen kamen mindestens acht Menschen ums Leben, 15 wurden verletzt.“ Die Demokratische Selbstverwaltung in der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) schreibt – laut der kurdischen, in mehreren Sprachen publizierenden Nachrichtenagentur ANF (Ajansa Nûçeyan a Firatê / Nachrichtenagentur Euphrat): „Am 26. Dezember sind Wohnhäuser, Getreidesilos, eine Klinik, ein Bahnhof, Produktionsstätten, eine Baufirma, Straßen, ein Stadtviertel in Hesekê und zehn Checkpoints der Inneren Sicherheitskräfte in Cizîrê und in Kobanê bombardiert worden. 18 Angriffe erfolgten mit Drohnen, zwanzig weitere Angriffe mit schweren Waffen.“

Das war einmal die Dialyse-Station in Qamishli
Das war einmal die Dialyse-Station in Qamishli

Die Diabetes-Station, die von einem deutschen Verein unterstützt wird, war zum Glück über die Feiertage geschlossen, weshalb dort niemand zu Schaden kam. Dieses Zentrum versorgte hauptsächlich ältere Menschen in der Stadt und den Dörfern über eine mobile Klinik. Jetzt gibt es keine Chance mehr, die gleichen Dienstleistungen zu erhalten. Das Nierendialyse-Zentrum versorgt(e) monatlich zwischen 650 und 700 Patienten.

Schulbuchdruckerei in Simav - nach dem Luftangriff des türkischen Militärs
Schulbuchdruckerei in Simav – nach dem Luftangriff des türkischen Militärs

Zum Glück keine Hochzeit

Beim Luftschlag auf die erwähnte Buchdruckerei wurden sechs Arbeiter getötet. Diese Druckerei verteilt Bücher an mehr als 800.000 Schüler:innen in mehr als 4.400 Schulen in der Region. Zum Glück fand zum Zeitpunkt des Bombardements des Hochzeitssaals keine Hochzeit statt. Die genannten und weitere Angriffe auf Strom- und Ölstationen hat zur Folge, dass in der Stadt Qamishli, neun Städten und 2.680 Dörfern die Stromversorgung unterbrochen ist, was wieder zum Stillstand in Gesundheits- und anderen öffentliche Einrichtungen führt(e).

Landkarte der Angriffe des türkischen Militärs vom 25. Dezember 2023in
Landkarte der Angriffe des türkischen Militärs vom 25. Dezember 2023in

Jahrelange Angriffe

Die Angriffe dauern bereits seit vielen Jahren an und haben sich seit Oktober 2022 gegen die zivile Infrastruktur enorm verschärft. Die jüngsten Angriffe auf die Infrastruktur werden die humanitäre Tragödie im Nordosten Syriens verschärfen. Die permanente Angst vor neuen Angriffen mit Drohnen belastet die psychische Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere der Kinder, tief.

Betroffen sind auch die großen Lager – einerseits für Binnenflüchtlinge aus Syrien, die dem „islamischen Staat“ entkommen sind und andererseits für Häftlinge des unter besonders tatkräftiger Mithilfe der kurdischen Milizen zerschlagenen „islamischen Staates“. Besonders die Situation im Al Hol Camp ist besorgniserregend. Das Lager beherbergt immer noch fast 60.000 Menschen, die meisten von ihnen sind Familien von Mitgliedern des Islamischen Staates und viele von ihnen kommen aus europäischen Ländern. Das Lager dient bereits jetzt als Drehscheibe für die Radikalisierung seiner Bewohner. ISIS-Familien erziehen ihre Kinder zu neuen Soldaten des Islamischen Staates. Schon vorher gab es nicht genügend Kapazitäten, um auf diese besorgniserregende Situation zu reagieren, und der Mangel an humanitärer Hilfe und die schlechten Lebensbedingungen verschärften sich, berichtet der Rote Halbmond.

Proteste in der Region - als Appell an die Welt
Proteste in der Region – als Appell an die Welt

Gefahr des Wieder-Erstarkens der Islamisten

„Die Instabilität der gesamten Region als Folge des 12-jährigen Bürgerkriegs, durch den Klimawandel, durch die seit Jahren anhaltenden türkischen Angriffe und insbesondere durch den aktuell andauernden Großangriff schafft perfekte Voraussetzungen dafür, dass der IS wieder stärker wird. Die Radikalisierung wird zunehmen, die Vertreibung der Bevölkerung wird zunehmen, der Bedarf an humanitären Helfern wird zunehmen, die Zahl der Flüchtlinge, die ein sicheres Leben suchen, wird zunehmen“, appelliert die Schwesterorganisation des Roten Kreuzes an die Weltöffentlichkeit.

Nach Angaben des Roten Kreuzes leben über 90 % der Syrer unterhalb der Armutsgrenze. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Syrien 16,7 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, davon leben etwa 6 Millionen in den Gebieten Nord- und Ostsyriens. Dennoch nimmt die Türkei Getreidemühlen und Öfen in der Region ins Visier und entzieht so Tausenden Familien das Brot.

Ablehnung aus Österreich

Der „Verein zur Unterstützung geflüchteter Menschen und Schaffung solidarischer Strukturen“ aus Wien-Mariahilf wollte vor Monaten übrigens ein Projekt der Prothesenklinik von Qamishli mit Prothesen, Physiotherapie und psychosozialen Support unterstützten und fragte um Förderung beim österreichischen Sozial- und Gesundheitsministerium um eine 120.000-Euro-Förderung an. „Zu Ihrem Ansuchen wird mitgeteilt, dass aufgrund der restriktiven Budgetvorgaben für das gegenständliche Projekt/Vorhaben keine finanzielle Unterstützung gewährt werden kann“, kam Anfang Dezember die abschlägige Antwort.

Eine der Verletzten
Proteste in der Region – als Appell an die Welt

„Vergeltung“

Türkische Behörden bezeichneten die Angriffe als „Vergeltung“ für den Tod mehrerer Soldaten, die bei „grenzüberschreitenden Operationen“ der türkischen Armee im Irak von der kurdischen Guerilla getötet worden waren. Die Türkei rechtfertigt sich mit Verweis auf Artikel 51 der UN-Charta, in der das Selbstverteidigungsrecht eines Landes geregelt ist.

Im Völkerrecht gebe es aber kein Recht auf Vergeltung, argumentieren die Kurd:innen. Außerdem seien – mit Ausnahme der gezielten Ermordung des Kommandanten Ferhad Dêrik, Koordinator des multiethnischen Bündnisses für die Zusammenarbeit mit der internationalen Anti-IS-Koalition – keine militärischen, sondern praktisch ausschließlich zivile Infrastruktur angegriffen und zerstört worden, berichte die kurdische Nachrichtenagentur Ajansa Nûçeyan a Firatê (Nachrichtenagentur Euphrat).

Im Völkerrecht gebe es aber kein Recht auf Vergeltung, argumentieren die Kurd:innen. Außerdem seien gar keine militärischen, sondern praktisch ausschließlich zivile Infrastruktur angegriffen und zerstört worden, berichte die kurdische Nachrichtenagentur Ajansa Nûçeyan a Firatê (Nachrichtenagentur Euphrat).

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Mehr Informationen

„Kriegsverbrechen“

Der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi, hat die türkischen Angriffe auf die zivile Infrastruktur der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien verurteilt. Wörtlich sprach Abdi auf der Plattform X von Kriegsverbrechen.

Proteste

In den deutschen Städten Bremen, Stuttgart, Freiburg sowie im schweizerischen Zürich und Basel hat es bereits Kundgebungen gegeben. Die schon zitierte – vielsprachige – kurdische Nachrichtenagentur ANF-News erwähnte auch Zypern, Frankreich und Dänemark

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Kurdischer Roter Halbmond über die Lurftangriffe

rojavainformationcenter.org

anfdeutsch.com/

Bombenangriffe auf Dörfer in Nordsyrien

Drohnen-Angriffe in Korea, Russland und Nordsyrien

Zu den Feiertagen – christliche Weihnachten – fanden in unterschiedlichsten Weltgegenden Drohnenangriffe statt.

Vier verletzte Zivilist:innen

„An Heiligabend wurden Dörfer rund um Tarbespiyeh (Al-Qahtaniya) angegriffen. Fünf Drohnen und eine Mörsergranate verletzten auch vier Zivilisten: Aisha Khalaf Ali, Jawaher Khaled Mohammed, Thawra Al-Matar und das Kind Reham Azzam Al-Ali wurden auf ihrem Bauernhof in der Nähe des Dorfes Khuzaymouk getroffen und mussten ins ins medizinische Zentrum Tarbespiyeh gebracht werden.

Weitere Angriffsziele waren die Dörfer Taweel, Zour Ava. (Quelle: Offizielle Vertretung der Selbstverwaltung Nord- und Ostyriens in Deutschland)

Sechs Tote bei IS-Attacke

Außerdem meldeten Roz-Press (kurdische Nachrichtenagentur) und Associated Press (USA), dass bei einem Terrorosten des IS am Montag einen Anschlag auf ein Sicherheitszentrum in der Nähe des Nationalkrankenhauses westlich der Stadt Raqqa verübten und dabei sechs Menschen töteten. Im Zuge der Kämpfe wurde auch einer der Terroristen getötet, ein weiterer konnte mit einem Sprengstoffgürtel festgenommen werden. Beide Agenturen zitieren Mazloum Abdi, einen Kommandeur der von Kurden geführten „Demokratischen Kräfte Syriens (SDF).

Abdi sagte – laut Roz-Press auch noch: „Diese terroristischen Angriffe fallen zusammen mit den Attacken türkischer Drohnen und wies auf die Gefährlichkeit – nicht nur – für die demokratisch verwaltete Region Nordsyriens hin. (Rozpress, AP)

„Bilanz“

Rozpress veröffentlichte am Montag auch eine Schreckensbilanz: In diesem Jahr hat türkisches Militär 27.498 Granaten auf die besetzten Gebiete in Efrîn (Afrin) und al-Shahba abgeschossen und 13 Drohnen-Angriffe geflogen. Allein unter den Zivilist:innen forderte dies sieben Todesopfer und 44 Verletzte.

Anwalt und Menschenrechtsaktivist Lukman Hamid Hanan
Anwalt und Menschenrechtsaktivist Lukman Hamid Hanan

Getöteter Anwalt und Menschenrechtsaktivist

Außerdem berichteten Augenzeugen und Menschenrechtsorganisationen, dass wenige Tage zuvor (20. Dezember 2022) der Anwalt und Menschenrechtsaktivist Lukman Hamid Hanan in der besetzten Region Efrîn von türkischen Geheimdiensten und Ahrar al-Sharqiya, einer Fraktion der sogenannten Syrischen Nationalarmee, aus seinem Haus in Viertel Mahmudia entführt wurde. Zwei Tage später wurde seine Leiche der Familie übergeben.

Die Leiche des Anwalts wies Anzeichen von Folter auf, die der Mann in der Gefangenschaft der Ahrar al-Sharqiya-Miliz und des türkischen Geheimdienstes erlitten hatte. (Informationsbüro des demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens)

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