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Szenenfoto aus "Pension Europa 01" von aktionstheater ensemble

„Heimat ist, wo ich gut sch… kann“ und Show über (Selbst-)Inszenierung

„Die große Pension Europa Show“ heißt der aktuell im Werk X Meidling (Kabelwerk) laufende großartige, tiefgründige und streckenweise sehr witzige Abend vom „aktionstheater ensemble“. Das Stück „Pension Europa“ (aus 2014) trifft über viele Strecken genau so zu wie damals, wurde dezent aktualisiert – da reichen mitunter wenige Sätze, beispielsweise wenn die Sprache Russisch angesprochen wird – und schon ist der Bezug – ohne ihn auszusprechen – angesprochen (!)

Weil – auch mit teils anderer Besetzung – der Grundtenor der Gleiche, ja sogar der Selbe ist, sei hier erlaubt, weitgehend die eigene – damals noch im KiKu erschienene – Rezension zu zitieren:

Wo ist die Grenze? Zwischen Publikum und Bühne – in den großen Theatern leicht sichtbar. Vor Beginn trennt ein Vorhang sichtbar die Akteur:innen von den Zuschauer:innen. Bei vielen, den meisten kleinen Theatern fehlt der Vorhang. Der Blick auf die Bühne ist von Anfang an frei.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Pension Europa 01“ von aktionstheater ensemble

Hinterm „Vorhang“?

Was würde sich hinter einem imaginären Vorhang abspielen, bevor die Darsteller:innen in ihre Kostüme geschlüpft sind? Von ihrem ureigensten Metier, ihrer Profession ausgehend stellen fünf Schauspieler:innen (diesmal ist auch ein Mann dabei) vom „aktionstheater ensemble“ in „Pension Europa“ diese Frage. Sie sind noch in der Unterwäsche, ihre Kleidungsstücke auf der fahrbaren Garderobe. Die sechste voll in Robe knüpft zwar – nur hin und wieder – als elegante Opernsängerin mit englischen Arien (Aisha Eisa) an Diskursen der anderen fünf an, bleibt aber dennoch am Rande des Geschehens, eine Außenseiterin in einer Art Elfenbeinturm, die von anderen eher höflichkeitshalber angesprochen wird.

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Pension Europa 01“ von aktionstheater ensemble

(Ent-)Grenzen

Grenzen aller Art – zwischen Ländern, Gesinnungen, Körpern und Gefühlen, Mensch, Göttern und Tieren (der Mythos von Hera/Zeus, Europa, Kuhherde und Stier) – werden in den rund 70 Minuten thematisiert, nicht nur kurz angesprochen, sondern oft tiefgehend. Nie aber in Form theoretischer Diskurse, sondern stets auf sehr praktische, persönlich berührende Beispiele runter gebrochen. Bildungsbürgerliches Gut-Sein-Wollen wird hinterfragt und aus Korn genommen: Vom Urlaub in Thailand mit Taxi-Rundfahrt zu Protestdemonstrationen (wogegen/wofür? Keine Ahnung!) bis zu „denen da unten helfen wollen“ bei der ägyptischen Revolution, „weil irgendwo musst du dich doch engagieren. Und außerdem gab’s grad billige Flüge“ samt erotischem Abenteuer, „jetzt will er zu mir flüchten, aber nein, da kann ich ihn nicht brauchen!“

Szenenfoto aus
Szenenfoto aus „Pension Europa 01“ von aktionstheater ensemble

Heimat

Wohl „ewig“ in Erinnerung bleiben wird der geniale Satz Tamara Sterns: „Heimat ist dort, wo ich am besten scheißen kann…“ Dort fühle sie sich zuhause, am wohlsten.

Dass Grenzen nicht so einfach zu ziehen seien, nicht so eindeutig wären, symbolisiert das Ensemble mit dem Spiel rund um den imaginären (Theater-)Vorhang am Beginn und der Vorstellung, „wenn das jetzt Regen wäre: Da gibt’s doch nicht so eine klare Linie, wo es noch regnet und gleich daneben nicht, der Übergang ist eher fließend.

Herzhaftes Lachen

Die Art und Weise wie Michaela Bilgeri, Isabella Jeschke, Kirstin Schwab, Benjamin Vanyek und die schon erwähnte Tamara Stern – immer wieder im kongenialen Zusammenspiel mit Sängerin Aisha Eisa und den Live-Musikern (Dominik Essletzbichler, Christian Musser, Daniel Neuhauser, Gidon Oechsner, Daniel Schober, Pete Simpson) dies zumeist in sehr ironischer, witziger, (selbst)verarschender Weise tun, ruft beim Publikum sehr oft spontanes herzhaftes, manchmal sogar brüllendes Lachen hervor. Und überwindet praktisch die ganze Aufführung lang, das was im Theater oft als sogenannte vierte Wand verhindert, dass der Funke überspringt.

Die große Show

Mit einer neuen Hauptdarstellerin steigt nach der Pause „Die große Show“. Babett Arens 60er soll gefeiert werden. Und dennoch wird sie von der Moderatorin des Abends, Michaela Bilgeri, die mehr als ein halbes Dutzend Mal ihre Kostüme wechselt, in den Hintergrund, an den Rand gedrängt. Obwohl sie ständig behauptet, „zur Seite getreten zu sein“ (der Spruch kommt doch bekannt vor, oder?!)

Zwei Gäste bereichern die Show. Raphael Macho, der einen eher unmotivierten Zauberer gibt, der Momente des Staunens bringen will – mit altbekannten Tricks, die dennoch hin und wieder überraschen. Und der als Stimme der Jugend vom Geburtstags„kind“ gefragt wird – aber dann doch nie zu Wort kommt.

Elias Hirschls Auftritt mit seinem Text übers Blutspenden als Mittel zur Überwindung der Gesellschaft – weil damit Menschen gerettet werden, egal welcher Geistes- und politischen Haltung sie sind – macht auch in der nun deutlich gekürzten Version recht nachdenklich.

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Pension-europa -> Stückbesprechung 2014 im Kinder-KURIER