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Szenenfoto aus einer der Generalproben für "Lysistratæ" von der /D des BORG Hegelgasse im Theater Arche (Wien)

Make Love, Not War!

Sicher fiel die Wahl auf dieses Stück nicht zufällig. DIE Anti-Kriegs-Komödie schlechthin – fast 2.500 Jahre alt/jung wird derzeit von Jugendlichen des BORG (BundesOberstufenRealgGymnasiums) mit künstlerischem Schwerpunkt in der Hegelgasse 12 (1010 Wien) im Theater Arche (1060 Wien) gespielt: Lysistrata/e von Aristophanes (411 vor unserer Zeitrechnung im antiken Griechenland uraufgeführt.

Wer die Geschichte nicht kennt, hier kürzest zusammengefasst: Die Frauen Athens und Spartas – jener Stadtstaaten, die ständig im Clinch und oft auch im Krieg liegen – tun sich zusammen: Sex-Streik. Erst wenn die Männer Frieden schließen, gibt es wieder Zärtlichkeiten, Erotik und Sexualität.
Da braucht es keine aktuellen Text-Änderungen – die Bezüge liegen auf der Hand. Kriege kommen (wieder) näher. Nicht nur – Stichwort Ukraine und Nahost – real, sondern auch allumfassend: höhere Militär-Budgets, Kriegsrhetorik, zunehmender Hass… – bleibt da noch Raum und Zeit für Liebe?

Lysistrata mal zwei

Die große Klasse (30 Schüler:innen) spielt in zwei verschiedenen Bestzungen (A und B – ohne Bewertung – siehe Info-Box), wobei es nur in den zentralen Rollen unterschiedliche Spieler:innen gibt. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… konnte lediglich der Generalprobe einer – noch dazu aus Krankheitsgründen – gemischten Besetzung zusehen. Und kann den Besuch empfehlen. Trotz Hektik und sehr verzögertem Probenbeginn flutscht die knapp mehr als eine Stunde nur so dahin – mit dramatischen überzeugend gespielten Momenten, viel Musikalität und Rhythmus, Tanz und auch manch szenischem Witz.

Szenenfoto aus einer der Generalproben für
Szenenfoto aus einer der Generalproben für „Lysistratæ“ von der /D des BORG Hegelgasse im Theater Arche (Wien)

Hirn und Herz

Diese Version der Aristophanes-Komödie weist einige Besonderheiten auf. Auffälligste: Es gibt jeweils zwei – unterschiedlich angelegte – Lysistratas, eine die eher aus dem Kopf und die andere, die mehr aus dem Bauch/Herz heraus agiert sozusagen – die Denkerin mit den Ideen und die (emotional) Handelnde, die auch alle anderen zu überzeugen versucht. Denn so leicht wie der Gedanke klingt ist es nicht. Auch die Frauen sehnen sich nach der Zärtlichkeit ihrer Männer. Oder sie trauen sich nicht (zu), gegen die vorgegebenen Rollen aufzubegehren. Und selbst wenn, können sie das durchhalten?

Und so ließen sich die Macher:innen dieser Stückversion (Dramaturgie: Lehrerin ute Bauer) den Trick einfallen, die beiden verschiedenen Schreibweisen der Transkription des letzten griechischen Buchstabens im Namen a bzw. e zu verschmelzen: Lysistratæ.

Zwei Richtungen

Apropos doppelt: Die Inszenierung (Regie führte mit Jakub Kavin der Co-Leiter von Theater Arche) setzt auch auf zwei Sichtweisen – ein Teil des Publikums sitzt an der sonst üblichen Bühnen-Rückwand. Womit die Jugendlichen in beide Richtungen spielen. Außerdem treten die Männer (einige auch von Mädchen gespielt) von der einen, Frauen von der anderen Seite auf – stehen einander sozusagen im Konflikt gegenüber. Die Mitte der Bühne ist der Raum der ausgetragenen Streits ebenso wie der Verhandlungen. Oder in einer Szene für Kinesias und Myrrhine und ihr Spiel zwischen Aufreizen und dann doch nicht – wenn du nicht für den Frieden bist. „Make Love not War!“ weltberühmt geworden durch die „Bed-Ins“ von John Lennon und Yoko Ono und als Protestslogan vor allem gegen den Vietnamkrieg der USA gegen Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts, verknüpft mit den „Hippies“.
Auch bekannt wurde der Slogan „Stell dir vor, es ist Kreig und keiner geht hin!“ Er wird oft dem (Theater-)Dichter Bertolt Brecht (1898 – 1956) zugeschrieben, wurde aber – im englischen Original vom Dichter Carl August Sandburg (1878 – 1967) in „The people, yes“ verfasst: „Sometime they’ll give a war and nobody will come.“

Platz für jede:n

Die Darsteller:innen der genannten Rollen werden hier nicht erwähnt, weil erstens keine Beurteilung der anderen Besetzungen abgegeben werden kann. Und aus einem zweiten, sogar noch wichtigeren Grund: Was in der knapp mehr als einen Stunde auffällt – in Wahrheit gibt es kaum Nebenrollen, selbst 1., 2., 3…. (alte) Frau haben ihre großen Auftritte, auch wenn es quantitativ weniger und kürzere sind als die der zentralen Figuren. Doch die Inszenierung gibt praktisch allen Mitwirkenden auf der Bühne Raum und Zeit, die Rolle und sich in Szene zu setzen.

Übrigens haben die Jugendlichen, von denen einige auch live musizieren (Klavier vs. Schlagzeug sozusagen), auch die wenigen aber markanten Bühnenelemente in „Kunst und Gestaltung“ geschaffen: auf Karton gemalte altgriechische Säulen, die auf dem flachen Material bestechende 3D-Effekte vermitteln.

Praxagora

Natürlich läuft nicht alles glatt – gemeint ist nicht die Inszenierung, sondern das Stück selbst, aber letztlich doch. Zumindest auf der Bühne! Aristophanes schrieb übrigens rund 20 Jahre später „Die Weibervolksversammlung oder Frauen in der Volksversammlung“. Zuerst als Männer verkleidet übernehmen Frauen – angeführt von Praxagora die Macht, um die Stadt ohne Korruption, Krieg und Bereicherung zu regieren.

Gegen Resignation

So einfach wär’s also? Natürlich könnte dem Dichter vorgehalten werden, seine Idee wäre naiv. Und hat seit fast 2.500 Jahren nicht funktioniert. Wurde sie aber je angewandt? Und ist sie nicht zu vereinfachend? Gibt es nicht auch Frauen, die als Staatenlenkerinnen Kriege initiierten – erinnert sei an Margret Thatcher, die als britische Premierministerin Krieg um die Malvinas (Falkland-Inseln) mit Argentinien führen ließ? Steckt nicht mehr und weitergehendes – Stichwort Interessen – hinter Kriegen? Aber braucht es nicht wenigstens Utopien und gehörige Portionen Humor, um nicht völlig zu resignieren?

Übrigens: Das griechische Lysis steht für Auflösung und stratós für Heer!

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