Während die Begegnungen der jungen Frau Agnes (Veronika Zellner) mit ihrem Ehemann Richard Ebner (Paul Wiborny) eher von Kühle und Distanz gekennzeichnet sind, liegt Prickeln in der Luft, wenn die junge, vielumjubelte Bühnenautorin Sascha Korff (Lisa-Marie Bachlechner) das Ehepaar besucht, den Raum betritt, vielmehr erobert. Hier bin ich! Und (fast) nur ich! Sozusagen. Der Ehemann scheint die Besucherin weit mehr als zu verehren, eher zu begehren. Die scheint aber viel mehr Wert auf den Kontakt zu Agnes zu legen. Die wiederum das ziemlich kalt lässt.
„Wir Drei“ heißt dieses Stück, das derzeit (bis 2. November 2024) im „Experiment – Theater am Liechtenwerd“ (Wien-Alsergrund) gespielt wird. Große Fragezeichen ergeben sich aufs erste, wenn es dabei „österreichische Erstaufführung“ heißt. Kann das sein? Immerhin hat Elsa Bernstein (1866 – 1949), geborene Porges, unter dem Pseudonym Ernst Rosmer – inspiriert von Henrik Ibsens „Rosmersholm“ – das Stück als ihr Erstlingswerk 1891(!) veröffentlicht (Wikipedia zufolge zwei Jahre später), aber jedenfalls vor mehr als 130 Jahren. Und dennoch erfolgte selbst die Uraufführung erst 2003 (!) – im Solana Theater in Köln (Deutschland).
Und nun die Erstaufführung Österreichs im wohl kleinsten (49 Sitzplätze) und ältesten (seit 1956) Kellertheater Wiens. Regisseurin Stefanie Elias hat wie sie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… erklärt, „bewusst nach einer weiblichen Autorin aus der Zeit der Jahrhundertwende/Naturalismus gesucht, da ich persönlich großen Wert auf die weibliche Perspektive lege.“ (Elias betreibt auch den Podcast „weibs:bilder – von bitches und queens“ mit.) Bei dieser Suche stieß sie auf viele Frauen, aber – zunächst – lange auf keine Dramatikerin.
Dann also Elsa Bernstein, deren Stücke – nicht zuletzt „Königskinder“ – sogar viel gespielt wurde. „Ich fand gleich ihre ganze Biografie so spannend! Die Tatsache, dass sie zu Lebzeiten so bekannt war und nun in Vergessenheit geraten ist, ist so bezeichnend dafür, wie der literarische Kanon bestimmt, wer die Zeit überdauert und wer nicht – als Frau, noch dazu mit jüdischen Wurzeln, hat man da schlechte Chancen. Sie wurde als Jüdin geboren, hat als Kind mit der ganzen Familie zum Protestantismus gewechselt und als Erwachsene zusammen mit ihrem Mann als Atheistin gelebt – trotzdem wurde sie von den Nazis verfolgt und kam ins KZ (erst Dachau), wo sie durch ihren Prominentenstatus (in Theresienstadt) überlebte.“
Was als Dreiecksbeziehung und (Homo-)Sexualität im Ankündigungstext zu lesen ist, wirkt höchst ungleichgewichtig, ist davon doch bei Agnes gar nichts zu spüren. Und dies liegt nicht am Schauspiel, wenngleich die Textlawinen (126 Seiten), die zu 2 ½ Stunden (¼ Stunde Pause) Dauer führen, hin und wieder doch mehr Text als Gefühl transportieren. Großartig sind die vier Darsteller:innen hingegen dann, wenn sie die Gefühle ihrer Rollen das Publikum auch spüren lassen.
Das komplizierte Beziehungsgeflecht – Sascha brachte Agnes und Richard zusammen, hat sie ihrer Ansicht nach sogar füreinander ausgesucht – und doch setzt sie sich mittendrein – könnten aber vielleicht auch „nur“ Anteile einer Person sein, vielleicht sogar der Autorin selbst. Immerhin lässt sie hier ihre Sascha Korff Erfolg für das Drama „Königskinder“ haben – das Bernstein bald nach „Wir Drei“ veröffentlichte.
Richard begehrt an Sascha möglicherweise nur, was ihm selber (noch) nicht gelingt: Große Anerkennung für eigene Texte. Sascha will sowieso und immer im Mittelpunkt stehen und eigentlich geht es ihr immer nur um sie selber. Und dennoch beneidet sie Agnes um eine unaufgeregte, wenngleich durchaus langweilige Ehe mit Aussicht auf Kind(er). Ja sogar in der Tragik von Agnes Totogeburt konkurriert sie mit einer erzählten – angeblichen – Abtreibung.
Als vierte Figur zu den drei genannten Protagonist:innen hat sich Elsa Bernstein Agnes‘ alte Haushälterin, die diese schon seit Kindertagen begleitet, ausgedacht. Betty Hofstetter, herb-herzlich gespielt von Helga Grausam. Das Ende mit der Rückkehr Richards zu Agnes nach der Scheidung wirkt dann doch ein wenig aufgesetzt. Noch dazu, wo Agnes immer und immer wieder nach der Totgeburt ihres Kindes nichts sehnlicher wünscht als „Stille“ und Richard Schuldeinbekenntnisse quasselt und quasselt.
Kaum hast du „Kinder bis 5 Jahre“ gelesen, ist leider eines davon auf der Welt schon gestorben. Fünf Millionen Kinder (von rund 675 Millionen) weltweit starben 2021 (dafür liegen schon alle Zahlen vor) bevor sie ihren fünften Geburtstag erleben konnten. Weitere 2,1 Millionen Kinder und Jugendliche (bis 24 Jahre) verloren ihr Leben. Das bedeutet, dass alle 4,4 Sekunden weltweit ein Kind oder ein/e Jugendliche/r stirbt – anschaulich umgerechnet würden also in jeder Schulstunde (50 Minuten) rund 27 Klassen (bei durchschnittlich 25 Kindern) aussterben – und das rund um die Uhr – also 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr.
Außerdem wurden zusätzlich fast zwei Millionen weitere Babys tot geboren. Diese erschreckenden Zahlen veröffentlichte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) knapp nach den Weihnachtsferien.
Viele dieser Todesfälle hätten durch einen fairen Zugang und eine hochwertige Gesundheitsversorgung für Mütter, Neugeborene, Jugendliche und Kinder verhindert werden können weist Unicef auf die Zahlen und Erkenntnisse von UN IGME („Interinstitutionelle Gruppe für die Schätzung der Kindersterblichkeit“) hin.
Der Zugang zu und die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung sind für Kinder weltweit nach wie vor eine Frage von Leben und Tod. Die meisten Todesfälle bei Kindern ereignen sich in den ersten fünf Jahren, die Hälfte davon innerhalb des ersten Lebensmonats. Bei diesen Kleinkindern sind Frühgeburten und Komplikationen während der Geburt die häufigsten Todesursachen. Auch mehr als 40 Prozent der Totgeburten ereignen sich während der Wehen – die meisten davon sind vermeidbar, wenn Frauen während der Schwangerschaft und der Geburt Zugang zu einer hochwertigen Versorgung haben. Für Kinder, die die ersten 28 Tage überleben, stellen hingegen Infektionskrankheiten wie Lungenentzündung, Durchfall und Malaria die größte Gefahr dar.
„Jeden Tag sind viel zu viele Eltern mit der Angst konfrontiert, ihre Kinder zu verlieren, manchmal sogar, noch bevor diese den allerersten Atemzug machen“, sagt Vidhya Ganesh, Unicef-Direktorin der Abteilung für Datenanalyse, Planung und Überwachung. „Solche weit verbreiteten, vermeidbaren Tragödien sollten niemals als unvermeidlich akzeptiert werden. Fortschritte sind mit einem stärkeren politischen Willen und gezielten Investitionen in einen gerechten Zugang zur medizinischen Grundversorgung für alle Frauen und Kinder möglich.“
Die Berichte zeigen vermehrt positive Ergebnisse: Seit 2000 ist das Sterberisiko in allen Altersgruppen weltweit gesunken. Die allgemeine Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren ist seit Anfang des Jahrhunderts sogar um die Hälfte gesunken, während die Sterblichkeitsrate bei älteren Kindern und Jugendlichen um 36 Prozent und die Totgeburtenrate um 35 Prozent zurückgegangen sind. Dies ist auf die verstärkten Investitionen in die Stärkung der primären Gesundheitssysteme zum Wohle von Frauen, Kindern und Jugendlichen zurückzuführen.
Allerdings sind die Fortschritte seit 2010 deutlich zurückgegangen. Organisationen warnen, dass bis 2030 fast 59 Millionen Kinder und Jugendliche sterben und fast 16 Millionen Babys durch Totgeburten ihr Leben verlieren werden, wenn nicht rasch Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung ergriffen werden.
„Es ist zutiefst ungerecht, dass die Überlebenschancen eines Kindes allein durch seinen Geburtsort bestimmt werden können und dass es beim Zugang zu lebensrettenden Gesundheitsdiensten so große Ungleichheiten gibt“, sagt Dr. Anshu Banerjee, Direktor für Gesundheit von Müttern, Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen sowie Alterung bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO). „Kinder brauchen überall starke primäre Gesundheitssysteme, die ihren Bedürfnissen und denen ihrer Familien gerecht werden, damit sie – egal wo sie geboren werden – sowohl den besten Start als auch Hoffnung für die Zukunft haben.“
Die Überlebenschancen von Kindern sind nach wie vor sehr unterschiedlich, je nachdem, wo sie geboren werden. Berichte zeigen, dass Afrika südlich der Sahara und Südasien die größte Last zu tragen haben. Obwohl die afrikanischen Länder südlich der Sahara nur 29 Prozent der weltweiten Lebendgeburten verzeichneten, entfielen im Vorvorjahr 56 Prozent aller Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren auf diese Region, und auf Südasien 26 Prozent der Gesamtzahl. Kinder, die in diesen afrikanischen Ländern geboren werden, sind weltweit dem höchsten Risiko ausgesetzt, im Kindesalter zu sterben – ihr Risiko ist in etwa 15-mal höher als jenes für Kinder in Europa und Nordamerika.
Mütter in diesen beiden Regionen erleiden auch den schmerzhaften Verlust von Babys durch Totgeburten in einer außergewöhnlich hohen Rate: 77 Prozent aller Totgeburten im Jahr 2021 ereigneten sich in Afrika südlich der Sahara und in Südasien, wobei die Hälfte aller Totgeburten allein in Subsahara-Afrika stattfanden. Das Risiko einer Frau, eine Totgeburt zu erleiden, ist in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara siebenmal höher als in Europa und Nordamerika.
„Hinter diesen Zahlen stehen Millionen Kinder und Familien, denen ihr Grundrecht auf Gesundheit verwehrt wird“, sagt Juan Pablo Uribe, globaler Direktor für Gesundheit, Ernährung und Bevölkerung der Weltbank und Direktor der Global Financing Facility. „Wir brauchen politischen Willen und Führungsstärke für eine nachhaltige Finanzierung der primären Gesundheitsversorgung, welche eine der besten Investitionen ist, die Länder und Entwicklungspartner tätigen können.“
Auch wenn COVID-19 die Kindersterblichkeit nicht direkt erhöht hat – die Wahrscheinlichkeit, an der Krankheit zu sterben, ist bei Kindern geringer als bei Erwachsenen –, könnte die Pandemie ihr Überleben in Zukunft stärker gefährden. In den Berichten wird insbesondere auf die Besorgnis über die Unterbrechung von Impfkampagnen, Ernährungsdiensten und den Zugang zur medizinischen Grundversorgung hingewiesen, die die Gesundheit und das Wohlergehen der Kinder über viele Jahre hinweg gefährden könnten. Darüber hinaus hat die Pandemie zu dem größten Rückgang der Impfquoten seit drei Jahrzehnten geführt, weshalb die am meisten gefährdeten Neugeborenen und Kinder einem höheren Risiko ausgesetzt sind, an vermeidbaren Krankheiten zu sterben.
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