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Szenenfotoa aus "Die Habsburger – A Vampirg’schicht" im Schubert Theater Wien

Der Vampir der Kaiserin

Passend zu Halloween startete das Wiener Schubert Theater mit dem ersten Teil einer geplanten Trilogie über „Die Habsburger“, und zwar mit „A Vampirg’schicht“. Und verknüpfte dabei Wahres – weitverbreiteten Vampirglauben Mitte des 18. Jahrhunderts im Kaiserreich. Den gab es wirklich, auf vielen Friedhöfen wurden Leichen ausgebuddelt und die vermeintlichen „Untoten“ gepfählt, verbrannt…

Obwohl das einmalige Premieren-Abend-Feeling mit verkleideten und geschminkten, teilweise unkenntlichen, Besucher:innen anlässlich des speziellen Datums nicht wiederholbar ist, die Bühnen-Performance ist allemal lohnenswert, unterhaltsam mit so manchen Anspielungen auf aktuelle Debatten – Seuche, Verschwörungstheorien, Schwurbeleien… Und die „G’schicht“ geht fantasievoll über die Geschichte hinaus – samt (traumhaften) Begegnungen der Kaiserin mit einem Vorfahren, der sich als Vampir ent„puppt“.

Vom Bett aus regieren

Die nicht ganz zwei Stunden führen vom Bett der Kaiserin in dem sie als Puppe entweder liegt, sitzt oder samt der Bettstatt aufrecht hängt über ihren Leibarzt Gerard van Swieten, der und in dem Fall in geheimer Mission gegen den Vampirglauben nach Böhmen und Mähren geschickt wird. Was sich im Hof so schnell herumspricht, dass von geheim keine Rede mehr sein kann. Herrlich die Kutschenfahrt mit allein durch laufendes Licht sich drehenden Rädern, dem schonmehr Vampir als Kutscher und Einflüsterer des Arztes und Wissenschafters.

Schau- und Puppenspieler:innen

Manuela Linshalm und Markus Peter Gössler sind einerseits – in welcher Rolle auch immer – ebenso überzeugende Schau- wie Puppenspieler:innen. Egal ob sie die vom Bett aus regierende Kaiserin mit Bewegung von deren Puppenkopf sprechen lässt oder Friedhofsgehilfen ganz ohne Puppen spielt. Oder er den Arzt ebenso wie einen kaiserlichen Diener – oder mit der Puppe Kaiser Maximilians, der als Untoter auferstanden ist im Widerstreit liegt. Die großartigen Puppen kommen – wie hier sehr oft – aus den Händen von Soffi Povo, Kostüm & Ausstattung: Lisa Zingerle, Bühne & Ausstattung: Angelo Konzett. Nicht zu vergessen: Licht und Technik – mit so manchem Gruseleffekt: Marvin Schriebl, Simon Meusburger; Stimme aus dem Off: Christoph Hackenberg.

So ernst die beschriebenen Szenen, so gibt es keine, in der nicht Humor wenigstens mitschwingt. Darüber hinaus sorgen Slapstick- und andere Einlagen für lautstarke, herzhafte Lacher. Die hin und wieder ein bisschen im Hal stecken bleiben – angesichts schon genannter Anspielungen (Text: Stephan Lack, Regie: Simon Meusburger).

Rätselhafterweise steht in einer Nische des Theatergangs, oft Platz für einen Notsitz oder zusätzliche Technik-Steuerung, ein großer hölzernen Sarg. So manche grübeln beim Einlass, ob da die eine oder der andere Spieler:in schon die ganze Zeit auf den Start wartet. Es kann gespoilert werden: Nein, aber der Sarg kommt gegen Ende dann doch noch ins Spiel 😉

Achja: Die 1 ¾ Stunden sind recht kurzweilige und machen auch schon neugierig auf die beiden folgenden Teile der als Trilogie angekündigten „Habsburger“.

Vampirismus

Obwohl lange Zeit kein Thema, wurde der Vampirismus-Glaube während der Regentschaft Maria-Theresias in den vergangenen Jahren mehrfach aufgegriffen, in Filmen sowie einem Jugendbuch über die „Vampirprinzessin“, Eleonore Schwarzenberg in Český Krumlov (Krumau, im böhmischen Teil Tschechiens) – Link zu einer Buchbesprechung am Ende des Beitrages.

Fortsetzungen

Teil 2: „A Liebeslied‘l“ – ausgehend von der Tragödie im Jagdschloss Mayerling (1889) ist für April 2024 angekündigt. Ein Jahr später soll „A Trauerspül“ Premiere feiern. In der Ankündigung heißt es: „Die Prunkbauten der einstigen Weltmacht strotzen prächtig und werden immer neu poliert – wohin auch mit all dem Schutt? Nach Spittelau, oder zum Recycling? Trotz Untergangs ist das Erbe Habsburg beliebter denn je.“

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Das Gemälde Eleonores mit ihrem Sohn Joseph. Um ihren Kopf herum ist deutlich der Leinwand-Flicken zu erkennen, der auf eine Wiedereinsetzung ihres Hauptes, nach vorherigem Entfernen, schließen lässt.

Das Geheimnis hinter dem Vampirismus

Jan, der als Komparse in einem Vampirfilm mitspielen darf ist ebenso erfunden wie seine Tante Amalie, eine Schlossbesitzerin. Nicht irgendeine, sondern Eigentümerin jenes adeligen Wohnsitzes in Český Krumlov (Krumau, im böhmischen Teil Tschechiens). Die Rahmenhandlung hat sich der Jugendbuchautor Robert Klement ausgedacht, um die Handlung seines jüngsten Romans um „Vampirismus“ zu bauen.

Auf dem besagten Schloss lebte unter anderem Fürstin Eleonore Schwarzenberg (1682 bis 1741). Und die geistert als „Vampirprinzessin“ durch viel Geschichten. Zu ihren Lebzeiten, insbesondere nachdem ihr Ehemann bei einer Jagd vom damaligen Kaiser (Karl VI.) erschossen wurde, verdichteten sich die Gerüchte, sie stehe mit dem Jenseits in Verbindung, hatte sie doch Wolfsmilch getrunken, um einen Sohn zu gebären.

Mobbingopfer

Ausgegrenzt, an den Rand gedrängt, in Einsamkeit und Wahnsinn getrieben (heute würde Mobbingopfer das passende Wort sein), konnte sie ihrem Sohn Josef Adam, der ihr vom Kaiserhaus in Wien weggenommen wurde, um ihn in der Hauptstadt der großen Monarchie zu erziehen, nur mehr Schulden hinterlassen.

Diese wahren Geschichten baut Klement ebenso organisch in die eingangs angesprochen Rahmenhandlung ein, wie Schilderungen nächtlicher Aktionen auf dem örtlichen Friedhof mit Ausbuddeln von Leichen. Verstorbenen, die verdächtigt wurden, Vampire zu sein, wurden Pfähle ins Herz getrieben, anderen die Köpfe abgeschnitten, dritte verbrannt.

Und das gab es wirklich zuhauf in der Monarchie. Darauf stieß der Autor bei der Recherche für sein voriges Jugendbuch „Laras Vampir“ (Link zur Buchbesprechung nach diesem Absatz). Das hatte er im klassischen Vampir-(Film-)Land Rumänien angesiedelt – und es mit den sprichwörtlichen Blutsaugern, die Armut erzeugen – verknüpft.

Folgeprojekt

„Man kann sagen, dass „Untot – Die Vampirprinzessin“ ein Folgebuch des vorigen ist“, sagt Klement im Telefoninterview mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… „Als ich damals in Rumänien recherchiert habe, ist mir die Vampirhysterie in der Habsburgermonarchie bewusst geworden. In Serbien wurden reihenweise Gräber geöffnet, Leichen geschändet, weil Tote beschuldigt, Vampire zu sein, ihre Körper zerstückelt, gepfählt oder verbrannt. Das ging aber auch quer durch das Kaiserreich bis Böhmen und Prag. Es war eine regelrechte Hysterie, die erst mit dem sogenannten Vampirerlass von Kaiserin Maria Theresia 1755 dezidiert verboten worden ist.“

Anlass für den Erlass war, dass sich bei der Monarchin Beschwerden von Bürgermeistern und Pfarrern über aufgerissene Gräber gehäuft haben. „Die aufgeklärte Kaiserin hat das grauenvoll gefunden“, so der Autor. Die Ankündigung dieses Erlasses bettet Klement in „Untot“ im vorletzten Kapitel ein in die beschwerliche Kutschenfahrt von Maria Theresias Leibarzt Gerard von Swieten mit seinem damaligen Studenten Anton Störck, um den Gerüchten gegen Eleonore auf den Grund zu gehen und aufzuklären, dass es sich eben um Gerüchte handelt, um eine Hysterie, die heute wohl mit dem Begriff Verschwörungstheorie bezeichnet werden würde/könnte.

Das berühmte Schloss Český Krumlov (Krumau)
Das berühmte Schloss Český Krumlov (Krumau)

Wissenschaft

Der berühmte Arzt versuchte einfach zu erklären. „Es gibt für alle diese Erscheinungen eine medizinische Erklärung…. Die Fingernägel wachsen nicht, … die Haut schrumpft, dadurch erscheinen die Fingernägel länger…“ wird als eines von mehreren Beispielen im besagten Kapitel angesprochen.

Der Autor stellt aber auch den Vampirglauben in einen gesellschaftlichen Zusammenhang, Armut, Kriegsdienst, Ausbeutung der Bauernschaft durch die Adeligen… schildert er in Szenen von – ebenfalls erfundenen Figuren wie Milan und Marie, in die er aber viel aus der Literatur Recherchiertes über das damalige reale Leben der einfachen Menschen gepackt hat. Und die Reaktionen lässt er van Swieten in Sätzen wie diesen zusammenfassen: „Wir leben in erhitzten Zeiten… da suchen die einfachen Leute nach Schuldigen, Sündenböcken und nach vereinfachenden Erklärungen“ und lässt ihn solche zu Sündenböcken gestempelten Menschengruppen aufzählen wie Juden, Hexen und eben aktuell – im Zeitraum, in dem die Handlung angesiedelt ist – Vampire.

Vorlage für Dracula?

Robert Klement führt im Anhang seines knapp mehr als 100-seitigen spannenden aufklärerischen Abenteuerromans Bücher und Dokus an, die er als Quellen zu Rate gezogen hat, um seine Eindrücke aus einem Aufenthalt rund um das besagt Schloss zu ergänzen/unterfüttern. Dazu zählt unter anderem der Dokumentarfilm „Die Vampirprinzessin“ (Koproduktion ORF; Arte, ZDF…) von vor rund 15 Jahren. In diesem wurde erstmals die Theorie des Wiener Medienwissenschafters Rainer Maria Köppl vorgestellt, dass eigentlich Eleonore Schwarzenberg die Inspiration für Bram Stokers berühmten Roman „Dracula“ gewesen wäre.

In Österreich: An Wissenschaft eher uninteressiert als skeptisch

„Das Desinteresse an Wissenschaft dürfte in Österreich ausgeprägter sein als die Wissenschaftsskepsis. Das zeigen erste Ergebnisse einer vom Bildungsministerium beauftragten Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) über Ursachen von Wissenschafts- und Demokratieskepsis“, schreib orf.at am 3. Jänner 2023. „Desinteresse dürfe nicht mit Skepsis gleichgesetzt werden, das Vertrauen in Wissenschaft sei hierzulande im Zeitverlauf hoch und konstant, so Studienleiter Johannes Starkbaum (IHS).“

Relativ viele Menschen in Österreich stimmen demnach wissenschaftsskeptischen oder verschwörungstheoretischen Aussagen zu, „etwa dass der Klimawandel natürlichen Ursprungs sei (31 Prozent Zustimmung), Viren im Labor erzeugt werden, um die Bevölkerung zu kontrollieren (23 Prozent) oder Ergebnisse der Krebsforschung zu kommerziellen Zwecken zurückgehalten werden (21 Prozent). „Aber nur eine vergleichsweise kleine Gruppe – sechs Prozent – stimmen allen drei Aussagen zu“, so der genannte Wissenschafter – Zur ausführlichen orf.at-Story geht es hier

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Titelsetie des Jugendromans
Titelsetie des Jugendromans „Untot – Die Vampirprinzessin“