Auf den Tischen stehen Laptops, daneben Kunststoff-Bausteine, Räder, Motoren. Auf dem Boden schlängelt sich ein langes rotes Seil in mehreren Windungen auf dem Teppich, ein Stück weiter liegen weiße Kartonplatten mit vor allem schwarzen Klebestreifen. Auf manchen der Quadrate auch ein paar bunte Kurven. Hier setzt die 12-jährige Sophie ihren aus den Bausteinen zusammengesetzten Roboter auf eines der Felder. Der fährt nun entlang der schwarzen Linie. Irgendwo klafft eine Lücke. Die Schülerin schnappt eines der Quadrate, das der Karren schon befahren hat und setzt das Teil mit einem schwarzen Viertelkreis ein, der Roboter kann weiter seine Kreise ziehen.
Sophie ist eine von insgesamt 71 Schüler:innen der sogenannten Sekundarstufe I (5. Bis 8. Schulstufe), die die letzte Augustwoche (2024) nutzt, um bei der „Vifzack-Academy“ im Klosterneuburger ISTA-Campus (Institute of Science and Technology Austria) ihrer naturwissenschaftlichen Leidenschaft zu frönen. Eine Woche lang lernen und forschen Jugendliche (von 275 Bewerber:innen aus ganz Österreich) spielerisch in Fachgebieten, die sie besonders interessieren, wie bei den Kinderunis nur viel intensiver. „Das Programmieren war neu, aber es hat mich vorher schon sehr interessiert“, verrät Sophie Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Am vorletzten Tag des einwöchigen Camps darf der Journalist durch einige der Workshops wandern und mit den MINT-Kids (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) kurze Interviews führen.
„Am Montag haben wir ein kleines Computerspiel programmiert und dabei Scratch kennengelernt“, berichtet die Neu-Programmiererin. „Am nächsten Tag haben wir einen Micro-Controller programmiert und seit gestern arbeiten wir an den Robotern“, zeigt sie auf ihrem Laptop-Monitor auch die ineinander gefügten Coding-„Bausteine“, damit der Lego-Tech-Roboter „weiß“, was er zu tun hat – über seinen Sensor checkt, immer der schwarzen Linie entlang fahren zu sollen / müssen.
Dieses Programmier-Werkzeug (Coding-Tool) wurde am renommierten MIT (Massachusetts Institute of Technology, USA) entwickelt – übrigens in einer Arbeitsgruppe, die sich Lifelong Kindergarden Group (lebenslange Kindergarten-Gruppe) nannte. Bei einer Tagung in Hamburg, organisiert vom Lego Learning Institute, vor mehr als 20 Jahren (Dezember 2003) erzählte der „Kindergarten-Leiter“ Mitchel Resnick erstmals von der Arbeit an dem spielerischen Programmier-Tool (Werkzeug) für Kinder. Das funktioniert grafisch wie ein buntes Baukasten-System. Inspirieren ließen sich er und seine Mitarbeiter:innen tatsächlich von jeder Menge der bunten genoppten Bausteine, die sie in ihren Büros hatten und mit denen sie ebenso wie mit anderen Dingen spielten, ihrer Kreativität freien Lauf ließen wodurch sie zu ihren Erfindungen inspiriert wurden und werden.
Einen Raum weiter sitzen Jugendliche rund um Tische – vor sich Pipetten, kleine Kunststoffgefäße, Halterungen für diese sowie Müllbehälter. In kreisrunden verschlossenen Schalen befindet sich – fürs Laien-Auge – eine Art trüber Flüssigkeit. „Da schwimmen Fadenwürmer drinnen“, erklären die Biologie-Fans dem Reporter. Und richtig, wenn sie diese Schalen unters Mikroskop schieben, ist auf den Monitoren tatsächlich zu erkennen, dass sich da kleine, dünne Würmer herumschlängeln.
Nun machen sie sich in Kleingruppen an ein Forschungsprojekt. Sie bringen in neue Schalen, die sie zuvor auf der Rückseite beschriften, jeweils eine – unbekannte – Flüssigkeit ein, um zu beobachten und damit zu erforschen, handelt es sich um eine solche, die die Würmer als Nahrung anerkennen oder nicht.
Antonia und Mia fragen den Journalisten, ob sie sich – als hier neu kennengelernte Freundinnen – fotografieren lassen könnten. Und beginnen zu erzählen. Erstere, 11 Jahre: „Ich hab seit vielen Jahren zu Hause ein Mikroskop, Biologie ist mein Lieblingsfach in der Schule, darum hab ich mich für diese Akademie angemeldet.“ Diese Woche habe sie in ihrer Leidenschaft bestärkt. „Da haben wir viel Neues gemacht und jetzt will ich auch Forscherin werden – oder Autorin oder Architektin oder Archäologin; Astronomie interessiert mich aber auch sehr. Oder ich werde Lehrerin – für Biologie.“
Auch Mias Schulfach-Favorit ist Bio; „zu Hause forsche ich auch gern, meine Großeltern, die Lehrerin und Lehrer waren, unterstützen mich dabei. Was wir hier lernen, ist sehr cool.“ Wissenschafterin oder Rechtsanwältin oder Lehrerin oder auch Autorin sind die Berufswünsche, die aus ihr heraussprudeln.
Nächste Station: Schüler:innen, die sich eine Woche lang mit Sinnen und Gehirn beschäftig(t)en: Neuro-Science, also Nerven-Wissenschaften. Bevor sich alle zu einem Gruppenfoto versammeln mit Händen an einem zerlegbaren Kunststoff-Modell eines menschlichen Hirns, schildern vor allem Karolina und Rafael die vielen, vielen Fragen, über die sie diskutierten, grübelten und mit Expert:innen des ISTA gesprochen haben: Wie und wieso träumen wir, was passiert da im Gehirn warum. „Das Coole ist, dass es auf diese und viele andere Fragen noch gar keine Antworten gibt und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier auch erst daran forschen. Täglich kamen wir auf neue Themen.“
Das war aber noch lange nicht alles. „Wir haben auch Experimente zu Sinnen und -Täuschungen gemacht. Zum Beispiel haben wir eine Flüssigkeit zu trinken bekommen – eine davon war rot gefärbt und für viele hat sie fruchtiger geschmeckt als die andere, obwohl beides das Gleich war.“
Recht spooky sei ein anderer Versuch mit Elektroden und gewesen, wo jeweils zwei Schüler:innen über Kabel und ein kleines Gerät verbunden waren – und sich Muskelbewegungen automatisch übertragen haben. Mehrere greifen nach ihren Smartphones und zeigen die entsprechenden Videos.
Und während Jan und Tobias verschiedene Versionen des berühmten Rubik’s Würfel – und das recht schnell – lösen, erfährt Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… noch einen Fun-Fact. „Wir werden sicher alle ab jetzt bei jedem Hangman-Spiel gewinnen können, weil wir so viele komplizierte Begriffe kennengelernt haben wie zum Beispiel „Adenosintriphosphat“ – das ist übrigens der Energieträger in unseren Zellen.
Anlässlich der oben erwähnten Sponsion sagte die Vizepräsidentin für Wissenschaftsvermittlung am ISTA, Gaia Novarino: „Spitzenforschung gelingt nur gemeinsam. Das ISTA ist erfolgreich, weil Wissenschaftstalente aus der ganzen Welt nach Klosterneuburg kommen, um hier gemeinsam an grundlegenden Fragen zu forschen. Und was für die Spitzenforschung gilt, gilt auch für die Vifzack-Woche. Wir schaffen für junge Talente aus ganz Österreich einen sozialen Rahmen und einen Ort, wo sie Gleichgesinnte treffen, gemeinsam an Forschungsprojekten arbeiten und im direkten Austausch mit Wissenschafter:innen des ISTA in die Welt der Forschung eintauchen.“
Das ISTA bietet aber nicht nur diese intensive Woche für besonders interessierte Schüler:innen an, sondern auch einfachere Workshops und Laborbesuche… auch unter dem Schuljahr – übrigens alles kostenlos – siehe Link in der Info-Box.
Christian Bertsch hält eine viereckige Kartonröhre in die Kameras – links und rechts schauen weit oben rote Schnüre heraus, viel weitere unten tun dies blaue. Er zieht zunächst an einer der roten Enden und – es wird nicht nur diese Schnur auf der anderen Seite kürzer, auch bei den blauen Schnüren zeigt sich Bewegung!?
Wie geht das? Nein, aufmachen oder aufschneiden gilt nicht. Es gehe darum, erst Theorien zu entwickeln, zu diskutieren, wie der „Trick“ funktioniert. Idealerweise wird danach mit eigenen Kartonröhren und Schnüren ein Modell gebaut, das zum selben Ergebnis kommt.
Mit diesem einfachen und doch so anschaulichen Experiment demonstrierte der Bildungsexperte Mittwochmittag im Wiener MuseumsQuartier einen wichtigen Zugang zu Wissenschaft. Den will eine neue Abteilung mit eigenem Namen – VISTA – am ISTA (Institute of Science and Technology Austria, 1100 Mitarbeiter:innen, 78 Forschungsgruppen aus 80 Nationalitäten), der exzellenten Forschungseinrichtung in Klosterneuburg (nahe bei Wien), ab sofort verstärkt unternehmen.
Bertsch, der Vista leitet und Gaia Novarino, selber Neurowissenschafterin am ISTA und dort Vizepräsidentin für Wissenschaftsbildung, stellten einige dieser Aktivitäten vor. Die reichen für mobile Vermittlung in Parks oder auch bei heurigen mit einem Elektro-Tuck-Tuck voller Experimentierboxen bis zu Workshops in Schulen bzw. für Kinder und Jugendliche am ISTA-Gelände. Dafür wird übrigens noch ein eigenes Gebäude (VISTA Science Experience Center) errichtet, das in zwei Jahren den Betreib aufnehmen soll und für das diese Woche noch der offizielle Spatenstich erfolgt.
Mehr Raum für Vorträge, Workshops, aber auch für Ausstellungen als Ergebnis von Kooperationen zwischen Wissenschaft und Kunst wird es dort geben. Zwölf Mitarbeiter:innen hat das neue VISTA – das V steht übrigens nicht als Abkürzung für irgendetwas.
Mit den genannten und noch vielen weiteren sowohl analogen als auch digitalen und virtuellen Aktivitäten – unter anderem knapp vor Weihnachten zwei gestreamten – auch nachzusehenden – Christmas Lectures für jüngere bzw. ältere Schüler:innen sollen viele, vor allem aber nicht nur, junge Menschen für Wissenschaft interessiert werden. Und zwar nicht nur für deren Ergebnisse, sondern vor allem die Methoden und Arbeitsweisen. Außerdem will VISTA – wie auch die Kinderunis – Forscher:innen und Kinder bzw. Jugendliche zusammenbringen, auch Vorbilder schaffen, nicht zuletzt weibliche. So waren bei dem Mediengespräch Plakate der Computerwissenschafterin Jen Iofinova, der Klimaforscherin Yi-Ling Hwong sowie der Zellbiologin Medina Korkut-Demirbaş als Anschauungsbeispiele dafür platziert.
Prozessorientiertes Lernen und Forschen sind in Österreichs Schulen noch weit unterentwickelt, stellten die Wissenschafter:innen fest und verwiesen auf entsprechende Ergebnisse bei Pisa-Studien. Die Mission lautet: „Verstehen, wie Wissenschaft Wissen schafft!“
Mit VISTA solle keine Konkurrenz zu bereits existierenden ausgezeichneten Wissenschaftsvermittlungen wie Kinderunis, Sparkling Science, Science Center Netzwerk betreiben werden, sondern einfach zusätzliche Angebote.
Eine weitere Intention von VISTA ist, der in Österreich stark ausgeprägten Skepsis gegenüber Wissenschaft, die sich nicht zuletzt in der Corona-Pandemie gezeigt habe, entgegenzuwirken. Daher werden nicht nur auf Kinder, Jugendliche und Pädagog:innen angesprochen, das rollerartige Elektrofahrzeug mit Anhänger fahre mit Wissenschafter:innen immer wieder auch zu Heurigen, um dort Besucher:innen zu Experimenten einzuladen.
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