Räder auf Rädern – Vorne im Lastenrad einige Kinder-Fahrräder, hinten auf dem Anhänger noch ein paar größere. Die Baumannstraße, eine kleine Sackgasse zwischen Beatrixgasse und Sünnhof in Wien-Landstraße wurde am letzten Augusttag (2024) zur belebten Begegnungszone, zum Spielplatz, Radparcours mit Wippe, Kreisverkehr und Verkehrszeichen – jedenfalls zum ersten Mal seit ewig autofrei.
Vor der Werkstatt kreativer, junger Tischler:innen schraubten Kinder mit einem der Organisatoren Holzlatten zusammen, verbanden die vier Ecken mit diagonal gespannten Tragegurten und „reanimierten“ damit das „Geh-Zeug“. Der einst bekannte, jahrzehntelange TU-Professor für Verkehrsplanung hatte dieses Ding erfunden. Ein Holzrahmen im Ausmaß eines durchschnittlichen PKW. Mit den Gurten zum Umhängen und Gehen – um sehr deutlich zu machen, wie viel Platz ein Auto verbraucht, in dem sehr oft auch nur genau ein Mensch sitzt. Und das die meiste Zeit steht, (versiegelten) Platz verbraucht. Doch wehe, du würdest auf dem selben Platz eine Sandkiste oder ein paar Liegestühle auf die Straße stellen wollen 😉
Letzteres passiert – auf Initiative von Bewohner:innen – immer wieder da und dort – siehe Links am Ende des Artikels über andere Gassen. Hier in der Baumannstraße war’s „Die Werkstatt – Baumanstraßen-Verschönerungsverein“. Dort wo lange Jahre das LEO – Das letzte erfreuliche Operntheater und danach das Clowntheater Olé im Souterrainlokal an der Ecke zur Beatrixgasse gespielt haben, sind seit einigen Jahren die kreativen Holz-Künstler:innen am Werk. Rund um einen der Bäume bauten sie Bankerln und Blumentröge. Nachbar:innen ließen sich davon „anstecken“ und setzten ebenfalls Pflanzen rund um einen der Bäume – samt Holzschild mit der Bitte, die Erde frei von (Hunde-)Kaka zu halten.
Apropos Hunde – für Vierbeiner wurde eine eigene Hunde-Spielzone bei einem Baustellengitter eingerichtet – samt Tisch mit Leckerlis und Anleitungen, solche selber herzustellen.
Angebot zu eigener kreativer Betätigung gab es an verschiedenen Ecken und Enden der Gasse. Faltanleitungen für unterschiedlichste Papierschiffe lagen – samt dem dazugehörigen bunten Papier auf einem Tisch neben einer kurvigen Rinne für Bootsrennen – nicht nur für die papierenen Schifferl, sondern auch für zuvor 3D-gedruckte Wasserfahrzeugerln. Bunte Stifte und Malblöcke fanden sich auf anderen Tischen – sowie Pläne der Gasse, um zu zeichnen und zu malen, wie hier der öffentliche Raum umgestaltet werden könnte. Schwarz-Weiß-Fotos eines der Häuser warteten auch darauf be-buntet zu werden. An anderer Stelle konnte aus Ton alles Mögliche geformt werden – das dann in der Werkstatt gebrannt wurde.
Der Spruch aus der Überschrift dieses Beitrages ist von einer Losung auf einem Holzgestell ausgeborgt. Auf einem anderen Brett stand: „Was ich gerne hätte? Autofreie Städte!“ und als dritter Spruch: „Stadt für Menschen statt für Autos“.
Bänke zum Sitzen und Tische nicht nur zur kreativen Betätigung, sondern auch zum Essen, Trinken, Plaudern brachten Menschen, die oft schon ewig lang hier wohnen und einander höchstens vom Vorbeihuschen kennen, dazu, miteinander in Gespräche zu kommen.
Was alles ohne Auto möglich ist, bewies der DJ, der seine gesamte Anlage samt Lautsprechern per Lastenfahrrad anlieferte. Dem Gedanken der Nachhaltigkeit diente auch ein Kleidertauschplatz mit Tischen und langen Ständern voller Gewand.
Nachdem dieser Bericht fertig war und online gestellt wurde, besuchte Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… noch einmal das Straßenfest. Es war schon dunkel, An den bunten Girlanden brannten Lichter, Musik spielte, Kinder sausten weiter mit Scootern durch die Straße, Menschen saßen oder standen beisammen und unterhielten sich. Urlaubsfeeling wie im Süden!
Und in der Ecke vor der Werkstatt von der die Initiative zu diesem autofreien Straßenfest ausgegangen war, werkten noch wenige Leute, wenigsten ein Kind und ein Erwachsener an der Fertigstellung von Insektenhotels – ein kleines handliches und ein riesiges, richtiggehend „Luxus“-Hotel für Bienen.
Allüberall zufriedene, heitere, entspannte Gesichter und die ersten „schade“-Rufe, als begonnen wurde, nach und nach alles abbauen zu müssen.
Kopien alter Bilder zeigten, wie die Gasse einst ausgeschaut hatte – und weitere folierte Infos wiesen auch darauf hin, dass der Namensgeber dieser Gasse, Oscar Baumann, nicht nur ein gewalttätiger Herr über afrikanische Träger war, der vor allem im Kongo und in Tanzania gegen Ende des 19. Jahrhunderts Tausende Kunst- und andere Gegenstände „sammelte“, die Teil der umstrittenen „Afrika-Kollektion“ des heutigen Weltmuseums geworden sind.
Eine Initiative nutzte die Gelegenheit des Straßenfestes, um für eine Umbenennung zu werben – alternativer Vorschlag: Ingeborg-Bachmann-Straße. Die bekannte österreichische Schriftstellerin (1926 – 1973), hatte einige Jahre in der Nähe, in der Beatrixgasse, gelebt und ihr bekannter Roman „Malina“ spielt weitgehend in den Häusern Ungargasse 6 und 9, ebenfalls nur wenige Gehminuten entfernt.
Übrigens gab es vor zehn Jahren eine andere Initiative in der Baumannstraße: Gedenksteine für die aus den wenigen Häusern der kurzen Gasse von den Nazis vertriebenen 120 Jüd:innen – Link zu diesem Beitrag (damals noch im KURIER) unten am Ende des Beitrages.
Ausgelassenes fast ein wenig chaotisches Spiel auf der Bühne. Elf Kinder toben sich aus, haben ihren Spaß. Die einen laufen, verkleiden sich, andere spielen am Keyboard, auf E-Gitarren und am Schlagzeug. „Ältere Semester“ im Publikum erkennen eine der Melodien – neben Beethovens „Für Elise“ den antiautoritären Klassiker „We don’t need no Education“ aus der Rock-Oper „Another Brick in the Wall“ von Pink Floyd (Musik, Dramaturgie: Siruan Darbandi). Noch heute Sonntagnachmittag und Montagvormittag zu erleben.
Lola Kaja Cimesa, Lenz Eichenberg, Iris El Fehaid-Power, Sina Tobias Kananian, Sami Kiegleder, Lieselotte Leineweber, Cecilia Pail Valdés, Leo Schönwald, Thimo Temt, Ossian Trischler scheinen – wie Kinder oft im Spiel – in diesem versunken zu sein. Ganz bei sich. Da kommt eine Stimme aus der letzten Publikumsreihe. Mit versuchter Autorität „fragt“ Sasha Davydova, die künstlerische Leiterin dieser Theaterwerkstatt „The Future is in our Hands“ im Dschungel Wien, ob die Kinder auf der Bühne nicht vielleicht doch das tun könnten, was ausgemacht war.
Zwischen ja, doch irgendwie, wenngleich widerwillig und nein, sicher nicht samt bewusstem Widerspruch pendelt die halbe Stunde der Performance. Samt Vorwurf, auch belogen worden zu sein, als ihnen, den spielenden, performenden Kindern, erzählt wurde, dass im Kasino am Schwarzenbergplatz (eine Spielstätte des Burgtheaters), wo sie im März schon auf der Bühne waren, 200 Politiker:innen zugehört hätten. Dass an diesem Juni-Samstag auch Politiker:innen da wären, glauben sie aber dann doch – oder spielen glaubhaft, dass sie es meinen.
Vielleicht (zu) viele Regie-Anweisungen vermitteln den Eindruck, dass auch der gesamte Widerstand nur gespielt ist. Wenngleich in so manchen Momenten aufblitzt, dass die einen oder anderen doch auch das machen, wonach ihnen gerade der Sinn steht – also wirklich widerständisch. Wobei der starke Schluss-Satz: „Ihr dürft uns nicht vorschreiben, was wir zu wollen haben!“ aber wiederum schon ein eingelernter ist. Aber doch die Haltung der elf 7- bis 10-Jährigen ehrlich ausdrücken dürfte.
Sieben Frauen treten in Erscheinung. Alle Pädagoginnen – von Elementar- bis Nachmittagsbetreuung. Die eine oder andere vielleicht auch schon pensioniert. Wie auch immer, sie bilden Stehkreise, Reihen – nein, keine „Stirnreihe“, treten mal in den Vordergrund – einzelne oder mehrere, dann verschwinden sie sogar hinter einem Vorhang im Dunkel. Nur durch Lichtpunkte von Taschenlampen in den Fokus gerückt.
Die Performerinnen der Theaterwerkstatt „Vorhang auf: Forever Young?“ erzählen, hin und wieder spielen sie auch von Herausforderungen in ihrer alltäglichen Arbeit in Jahr(zehnt)en, Glücksmomenten, wo sie in der einen Schülerin, dem anderen Schüler „Feuer entfachen“ konnten. Von eigenen pädagogischen Ansprüchen und dem Kampf zur Um- und Durchsetzung derselben. Von der Unzufriedenheit mit dem und der Wut auf das einschränkende System, die Ignoranz von Bildungspolitik.
Sie spielen und reden aber auch vom eigenen Scheitern. Sowie von etwas, das unser Bildungssystem fast gar nicht kennt: Den Mut, Fehler machen zu dürfen – und das auch Kindern und Jugendlichen beizubringen. Und von dem, was vielleicht noch wichtiger ist, als Wissen zu vermitteln, Herzensbildung zu verbreiten. Und sie vermitteln, dass jahr(zehnte)lange Arbeit mit Kindern und Jugendlichen durchaus jung hält – und den Titel ihrer Theaterwerkstatt im Dschungel Wien rechtfertigt.
Wenngleich auch diese – wie in diesem Jahr viele der Werkstatt-Performances – mehr pädagogisch als theatral ausgefallen ist. Und diese im Speziellen am Ende von einer Schwäche vieler Pädagog:innen gekennzeichnet ist: Nicht auf das schon Erzählte, Gezeigte zu vertrauen; sondern noch einmal und immer wieder fast wie mit erhobenem Zeigefinger zu verklickern, was da jetzt an Botschaft transportiert werden soll(te).
Übrigens – da einige Stimmen aus dem Off kommen – wäre das Einholen von Stimmen von Schüler:innen nicht gerade schlecht gewesen;)
Diese Werkstatt-Präsentation gab’s nur ein Mal. Schade.
Wem gehört die Bühne? Was wird im Theater gespielt? Welche Themen verhandelt? Wer tritt auf? Wessen Geschichten kommen vor? Welche Formen? Viele dieser und weitere Fragen spielen große, ja die zentralen Rollen in der Arbeit vor allem einer der Theaterwerkstätten im Dschungel Wien, jener unter dem Titel „404 Error: Theater – Reset old Stage“, die zum Auftakt des Festivals der Werkstätten (Freitag, 7. Juni 2024) schon ihre ½-stündige Performance zeigte – einen Mix aus Schauspiel, Rap, (Kreide-)Zeichnungen und Tanz dazu. Und nochmals am frühen Abend des EU-Wahlsonntags zu erleben sein wird.
Unter der künstlerischen Leitung von Myassa Kraitt und Emily Chychy Joost rissen die „Hybrid Rebels + Gl!tch4-Team + Princess Njoku, Stella Biziyaremye, Laura Asemota, Nathalie Kinard Torres, Elias Nwankwo, Elnara Türhan, Maggie Alghraibawi“ mit und veranlassten das Publikum aber immer wieder auch zu einem nachdenklichen Innehalten – Letzteres vor allem durch aufgeworfene in den Raum – ans Publikum ebenso wie an Verantwortliche – gestellte Fragen. Wenn es etwa – in verteilten Rollen – hieß: „Meine Diagnose ans Theater: Ein nicht enden wollendes Drama, eine Tragödie, … Ein Theater, das glaubt zu wissen, was es tut, letztendlich nur Farbkleckse auf einem Programmblatt verkauft, für uns wirken sie wie Verschmutzungen unseres Bildes…
Schon die Biographie des Theaters beginnt mit Exklusion, die Bühne … für wenige … was ist das für ein arrogantes Gehabe. Ihr glaubt doch nicht, dass ihr eure Arbeit geleistet habt, in dem ihr ein paar diverse Gesichter inkludiert.
Inklusion und Diversität das sind eh nur Passwörter für euch. Wo spiegelt sich das allerdings wider in eurer Struktur? Welche Themen werden gefördert, welchen Stimmen wird Gehör geboten, welchen Perspektiven gebt ihr Raum?
Oder seid’s ihr nur hier, um euch zu wundern? Und über uns zu staunen, sind wir nur Geschichten, die der Unterhaltung dienen?
Es ist an der Zeit, dass das Theater seine eigene Tragödie erkennt und beginnt, echte Veränderungen zu vollziehen, denn sonst bleibt nur eine leere Hülle die es selbst bewundert, während die Welt um sie herum gezwungen wird, andere Wege einzuschlagen…“
Wobei zwar die Mitwirkenden sehr divers sind, der Inklusion jedoch mit einem Bühnenpodest mit ziemlich steilen Stufen auch sichtbare Grenzen setzen – denn wie käme da etwa eine performende Person im Rollstuhl hinauf?
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