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Szene aus "The Future is in our Hands"
Szene aus "The Future is in our Hands"
28.03.2024

Wie sollen wir zuhören lernen, wenn’s kaum wer vorlebt?

Zwischen-Präsentation von (Theater-)Werkstätten der Jungen Akademie von Dschungel Wien und Burgtheater Studio rund um Demokratie und Mitspracherechte.

Noch war die Demonstration „Demokratie verteidigen“ bei strömendem Regen in Wien im Gange bzw. deren Abschlusskundgebung auf dem Ballhausplatz. Während die Redner:innen auf der Bühne zwischen Bundeskanzleramt und Amtssitz des Bundespräsidenten Gefahren für die Demokratie ansprachen, stürmten – ungeplant – Kinder die Bühne im Kasino am Schwarzenbergplatz, einer der Spielstätten des Burgtheaters. Die 7- bis 10-Jährigen erobern die Bühne anders als geprobt – wie später im Publikumsgespräch verraten wird.

Szene aus
Szenenfoto aus „The Future is in our Hands“

Danach allerdings spielen Elektra Birkhan-Dhellemmes, Lola Kaja Cimesa, Lenz eichenberg, Iris El Fehaid-Power, Sina Tobias Kananian, Sami Kiegleder, Lieselotte Leineweber, Leo Schönwald, Thimo Temt, Ossian Trischler, Cecilia Eunice Pail-Valdés ihre Rollen im gespielten Streit mit der Leiterin ihres Workshops, Sasha Davydova wie eingeübt. Sie – im Publikum sitzend – ruft Anordnungen zu und die Kinder befolgen diese NICHT. Demokratie ist auch, sich nicht unbedingt Autoritäten zu unterwerfen ist die offensichtliche und später auch so erklärte Botschaft der Performance. Und so sollten, durften und konnten die Kinder ihre Ideen einbringen – und rasch fanden sich einige zu einer Band zusammen…

Respekt sowie Freiheit und dazu zählt nicht zuletzt auch das Recht auf nicht von außen diktierte Freizeit ist ihnen besonders wichtig.

(Zwischen-)Ergebnisse

Fünf Projektgruppen haben in dieser Spielzeit in Kooperation mit dem Dschungel Wien, bzw. dem Burgtheater Studio, Omas gegen Rechts und dem Gleis 21 zu den Themen rund um Demokratie und Mitbestimmung, Krieg und Frieden gearbeitet und zeigten am Wochenende vor den Osterferien in Live-Performances sowie einem Film (Zwischen-)Ergebnisse ihrer Arbeit. Wobei die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit dem Dschungel Wien arbeite(te)n ihre Performances weiterentwickeln und im Juni beim Festival der Theaterwerkstätten präsentieren werden.

Mega-Verstärker:innen

Ein Gutteil der Performance der Gruppe „Mega-Verstärker:innen“ von Lotte Burger, Maxim Gerginov, Ona Fabre Kasebacher, Matteo Lusher, Pauline Meitz, Emilia Reisinger-Bosse, Hannah Stangl, Sophie Szakasits, Franka Throm, Keara Li Rose Tromp (Leitung: Sylvi Kretzschmar) war schon Tage zuvor im öffentlichen Raum auf dem Platz für Menschenrechte vor dem MuseumsQuartier zu erleben. Hier nun konzentrierter ohne störenden Verkehrslärm. Ums Zuhören ging es auch vielfach. Wenn mehr auf Kinder gehört werden würde gäbe es – besseres Schulessen etwa. Aber auch „keine neuen SmartPhones“, und wenige Sätze davor „mehr neue elektronische Geräte“. Widersprüchlich? Mag sein, Demokratie ist eben viel- und nicht ein-fältig 😉

Und die Frage: Wie sollen wir zuhören lernen, wenn es uns nicht vorgelebt wird – weil Erwachsene Kindern zu selten zuhören.

Vorerst ein Film

Gemeinsam mit renommierten Autor:innen – Armela Madreiter, Thomas Perle – arbeiten Jugendliche und junge Erwachsene an Texten, die von Biographien zugewanderter Menschen inspiriert sind, sogenannter „Gastarbeiter:innen“ (Leitung neben den Genannten Elif Bilici). Rezitierend, tanzende, performend präsentierten Rocco Baldari, Naima Bouakline; Sarah Byrne, Nikolay Yulianov Chulev, Özge Dayan-Mair, Neil Dölling, Lucia Droner, Mohammed El Noed, Destiny Okon und Nina Vidaković Geschriebenes – vorerst in einem Film (Kamera und Schnitt: Özgün Yarar).

Damit ergänzen sie mit dem Workshop „Auf der Suche“ in anderer Form die seit vielen Jahren entstehende Buchreihe „Berichte aus dem neuen OE“, in der Jugendliche aus unterschiedlichen Bundesländern mit unterschiedlichsten Herkünften über ihr Leben erzählen.

Diese ersten drei Präsentationen – jeweils im Dschungel Wien entstanden – werden wie schon erwähnt – weiter ausgebaut und im Juni im Theaterhaus für junges Publikum vorgestellt – siehe Info-Block

(Nicht nur) Ukraine

Die dreisprachige (Englisch, Ukrainisch, Deutsch) Werkstatt-Präsentation – in Zusammenarbeit mit dem Burgtheater Studio – ist der seltene Fall, dass so ein Projekt nicht nur auf eine Saison beschränkt ist. „Letztes Jahr haben wir noch die Tage gezählt“ (Leitung: Anna Manzano, Mitarbeit: Anastasiia Yakovenko) wurde fortgesetzt. Natürlich vor dem Hintergrund des mittlerweile mehr als zwei Jahre dauernden kriegerischen Überfalls des russischen Putin-Regimes auf das Nachbarland. Doch Katharina Conradi, Patricia Falk, Elen Figol, Peta Klotzberg, Valeriia Lakaziuk, Aletheya Schreder, Shureen Shab-Par, Anastasia Ustymenko, Khrystyna Yerychuk behandeln nicht nur diese Situation. Sondern auch – heftigste – Diskussionen in der Gruppe, Ausstieg einzelner Mitwirkender.

Zur Sprache kommen auch kulturelle Aneignung ebenso wie, ob nun alles Russische verteufelt werden müsste, weil der Krieg ja von vielen Russ:innen mitgetragen werde. Nicht zuletzt wird das schnelle „Vergessen“ dieses Krieges in Medin thematisiert – und ruft ohne es vielleicht zu beabsichtigen – in Erinnerung, dass andere Kriege schon lange aus der medialen Berichterstattung und damit Wahrnehmung verschwunden sind – etwa 13 Jahre Syrien, 2 ½ Jahre neuerliche Taliban-Herrschaft in Afghanistan, laufende Bombardements des NATO-Staates Türkei von Medizin- und Bildungseinrichtungen sowie Infrastruktur in den befreiten, demokratisch-multikulturell verwalteten Regionen Nord-Syriens (Rojava).

Fast unbeachtet: Kartenhaus-Bau

Spannend, wenngleich fast unbeachtet, am Rande nicht nur dieser, sondern auch der nachfolgenden Performances, saß eine Frau auf dem Boden und bauten aus Spielkarten ein Haus, Stock für Stock. Immer und immer wieder fielen diese natürlich – Wind durch Bewegung der Performer:innen oder durch andere Luftzüge – in sich zusammen. Doch sie gab nicht und nicht auf. Selbst als das Publikum am Ende den Saal verließ, baute sie noch daran. Vielleicht durchschaute nur Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… nicht, was dahintersteckte und fragte dann eben beim Rausgehen.

Und da sich in Gesprächen danach herausstellte, dass andere ebenfalls den Sinn nicht erkannten, sei hier die Erklärung veröffentlicht: „Das stellt den Wunsch vieler Ukrainer:innen dar, in ihre Heimat zurückkehren und ihre Häuser wieder aufbauen zu können. Doch leider sind das derzeit noch lange nur Luftschlösser.“

Fotos davon gibt’s übrigens leider keine, denn es dürfen nur vom Burgtheater zur Verfügung gestellte Fotos veröffentlicht werden, und dies wurde entweder nicht fotografiert oder nicht „ausgewählt“. Viele Zuschauer:innen haben zwar Handyfotos und -videos während der Performances gemacht, die in sozialen Netzwerken kursieren (werden), aber bitte ;(

Generationen-übergreifend

Zwischen Klischees und Brechung genau solcher startete die erste von zwei Performances von und mit den „Omas gegen Rechts“. Viele von ihnen eroberten oder sollte vielleicht besser geschrieben werden Er’OMA’rten die Bühne mit großen meist roten Wollknäuel und Stricknadeln. Gestrickten Hauben mit dem Sticker – schwarzer Schriftzug dieser Bewegung auf weißem Grund – sind eines der Markenzeichen. Ein anderes: Aufstehen und mitgehen bei Demonstrationen und Kundgebungen zur Verteidigung der Demokratie, für Menschenrechte – auch solches auf Asyl, eigene oft lediglich Zwei-Frauen-Manifestationen vor Bundeskanzleramt und Innenministerium…

In „Er’OMA’rung“ erzählten Isabella Amadori, Vera Cerha, Simona Edelmann, Elisabeth Hofbauer, Bettina Hradecsni, Eringard Kaufmann, Petra Hayek, Caroline Koczan, Elsa Königshofer, Ingrid Porzner, Anna Pramböck, monika Salzer, Veronika Schmidt, Susanne Scholl, Jenny Simanowitz, Andrea Stockinger und Kathy Tanner (Leitung: Katrin Artl) szenisch einerseits die Gründung dieser Bewegung, andererseits individuelle Lebensgeschichten mit langen Aktivismus-Biographien.

Im Wechselspiel mit Sympathisant:innen, die im Publikum saßen – und dazu aufstanden – wurden so manche realen Reaktionen von Passant:innen nachgespielt; Beschimpfungen wie Solidarisierungen.

Mitmachen

Andere „Omas gegen Rechts“ – gemeinsam mit Gleis 21 (Wohn- und Kulturprojekt im neu bebauten Areal beim Wiener Hauptbahnhof) sowie wieder dem Burgtheater Studio traten als Chor auf (Ursula del Bello, Gisela Kranzelbinder-Deskoski, Karin Einsiedler, Ilse Friedl-Schuster, Katharina Hölzl, Barbara Klein, Günther Platzer, Doris Pollany, Adrea Roschek, Elisabeth Schmidauer, Martina Sinowatz, Monika Volk) unter anderem mit Texten aus dem Buch „Omas gegen Rechts – Warum wir für die Zukunft unserer Enkel kämpfen“ von Monika Salzer: und sie animierten die Besucher:innen dieser Werkstätten-Schau sich zu erheben und in chorische Slogans wie „Zusammenhalt gegen Rechts“ sowie „Klima in Gefahr – Demokratie in Gefahr“ miteinzustimmen.

Junge (?) Akademie

Dieses Aufbrechen von Klischees älterer und alter Frauen durch Aktivismus – nicht zuletzt an der Seite junger Aktivist:innen wie Klima-Klebe-Aktionen der „letzten Generation“ – wirkte erfrischend, ermutigend, aktivierend. Dennoch darf die Frage gestellt werden: Wenn schon in Werkstätten nicht nur neu zusammengewürfelte Mitwirkende Szenen erarbeiten, sondern auch bestehende Gruppen eingeladen wurden – wieso gerade unter dem Titel „Junge Akademie“ nicht beispielsweise „Demokratie, was geht?“, eine sehr vielfältige, diverse Gruppe an Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die an vielfältigsten kulturelle Formen arbeitet zur Kooperation gebeten worden ist.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Junge Akademie

The Future is in our Hands
Theater und Aktivismus
Ein musikalisches Manifest
Dschungel Wien
7 bis 10 Jahre
Von und mit: Elektra Birkhan-Dhellemmes, Lola Kaja Cimesa, Lenz eichenberg, Iris El Fehaid-Power, Sina Tobias Kananian, Sami Kiegleder, Lieselotte Leineweber, Leo Schönwald, Thimo Temt, Ossian Trischler, Cecilia Eunice Pail-Valdés
Leitung: Sasha Davydova
Assistenz: Marie Pailer, Linn Hütter

Mega Verstärker:innen
Performance und Musik
Dschungel Wien
11 bis 13 Jahre
Von und mit: Lotte Burger, Maxim Gerginov, Ona Fabre Kasebacher, Matteo Lusher, Pauline Meitz, Emilia Reisinger-Bosse, Hannah Stangl, Sophie Szakasits, Franka Throm, Keara Li Rose Tromp
Leitung: Sylvi Kretzschmar
Assistenz: Emilia Reiter

Auf der Suche
Schreiben + Theater + Film
Dschungel Wien
14 bis 25 Jahre
Von und mit: Rocco Baldari, Naima Bouakline; Sarah Byrne, Nikolay Yulianov Chulev, Özge Dayan-Mair, Neil Dölling, Lucia Droner, Mohammed El Noed, Destiny Okon, Nina Vidaković
Leitung und Film-Konzept: Elif Bilici, Armela Madreiter, Thomas Perle
Assistenz: Felat Diljin
Kamera und Schnitt: Özgün Yarar

Letztes Jahr haben wir noch die Tage gezählt
Performance in Englisch, Ukrainisch und Deutsch
Burgtheater Studio
Von und mit: katharina Conradi, Patricia Falk, Elen Figol, Peta Klotzberg, Valeriia Lakaziuk, Aletheya Schreder, Shureen Shab-Par, Anastasia Ustymenko, Khrystyna Yerychuk
Leitung: Anna Manzano
Mitarbeit: Anastasiia Yakovenko
Assistenz: Livia Andrä

Er’OMA’rung
Burgtheater Studio
Von und mit: Isabella Amadori, Vera Cerha, Simona Edelmann, Elisabeth Hofbauer, Bettina Hradecsni, Eringard Kaufmann, Petra Hayek, Caroline Koczan, Elsa Königshofer, Ingrid Porzner, Anna Pramböck, monika Salzer, Veronika Schmidt, Susanne Scholl, Jenny Simanowitz, Andrea Stockinger, Kathy Tanner
Leitung: Katrin Artl
Assistenz: Alexandra Kurcikova

Omas gegen Rechts
Burgtheater Studio + Omas gegen Rechts + Gleis 21
Chor: Ursula del Bello, Gisela Kranzelbinder-Deskoski, Karin Einsiedler, Ilse Friedl-Schuster, Katharina Hölzl, Barbara Klein, Günther Platzer, Doris Pollany, Adrea Roschek, Elisabeth Schmidauer, Martina Sinowatz, Monika Volk
u.a. mit Texten aus dem Buch „Omas gegen Rechts – Warum wir für die Zukunft unserer Enkel kämpfen“ von Monika Salzer

Technische Leitung: Michael Steinkellner
Licht: Enrico Zych
Ton: Moritz Scheuer
Inspizienz: Stefanie Schmitt
Videotechnik: Johannes Traun, Maximilian Wesner
Bühne/ Requisite: Dominik Hofmann, Stephan Wallensteiner
Maske: Michaela Korger
Garderobe: Elisabeth Cuk-Riegler
Film Kundgebung Junge Akademie 2024: Johannes Traun, Marcell Bandi, Emilia Reiter

Festival der Theaterwerkstätten

7. bis 11. Juni 2024
Dschungel Wien
1070, MuseumsQuartier

* The Future is in our Hands
* Mega-Verstärker
* Auf der Suche
* Letztes Jahr haben wir noch die Tage gezählt
* Er’OMA’rung
und zusätzlich
* Vorhang auf: For ever young?
* 404 Error: Theater Reset old Stage

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