Profis wählten die besten Brett- und Kartenspiele Österreichs und stellten sie kürzlich vor. Hier die Hit-Liste mit Beschreibungen.
Jahr(zehnte)lang spielte es sich im Herbst an drei Tagen im Wiener Austria Center ab – im wahrsten Sinn des Wortes: Beim Spielefest wurden nicht nur von Unternehmen neue – vor allem – Brettspiel präsentiert, sondern Spielfreudige konnten Hunderte verschiedene Spiele ausprobieren. Corona hat so manches durcheinandergebracht. Geplant ist die nächste Großveranstaltung im Frühjahr 2024.
Eine Schmalspur-Ausgabe stieg kürzlich gegen Ende der Herbstferien in einem Wiener Einkaufszentrum. Auch dort konnten Dutzende Brettspiele an- oder durchgespielt werden. Und an einem der letzten Tage stellte die „Österreichische Spiele Akademie“ (gemeinnütziger Verein zur Förderung des Gesellschaftsspiels) die diesjährigen Favoriten, die Juror:innen in verschiedenen Kategorien – Kinder-, Familien-, Expert:innen-, Trend-, Karten-, Freund:innen-Spiele sowie DAS Top-Spiel der Spiele – ausgewählt hatten, vor – und zeichneten die entsprechenden Spieleverlage aus. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… stellt die von den Spieleprofis gewählten Hits vor UND gesteht: KiJuKU hat all diese Spiele (noch) nicht ausprobiert, sondern verlässt sich hier sowohl auf die Urteile der Jury als auch deren Spielebeschreibungen.
Die Spiele-Akademie hat übrigens zu den gewählten Top-Spielen auch noch eine Auswahlliste erstellt, die in jeder der Kategorien zwischen fünf und zehn weitere von den Fachleuten als sehr gut bewertete Spiele umfasst – Link zum Download dieser Liste am Ende des Beitrages.
Die Jury bestand aus Alexandra Lugert (Geschäftsführerin Familienbund Österreich), Sonnja Altrichter (Leiterin der WienXtra Spielbox), Pia Lemberger (Organisatorin des Donauzentrum Spielefest – Leiterin Thalia), Rene Eichinger (Pädagoge und langjähriger Expertenspiel-Kenner), Johann Herrmann (Ludovico Graz – Spiel-Pädagoge, der auf der Bühne auch Urkunden übergab), Alexander Bürger (vermittelte auf der Bühne Background-Infos zum Spiel „Atiwa“) sowie Thomas Bareder (Obmann der österr. Spieleakademie, Herausgeber von „Frisch gespielt“, Mathematiker und Marktforscher).
Die Spieleakademie beschreibt das Top-Spiel jenseits aller Kategorien so: Als Barista gilt es, Kaffee-Spezialitäten möglichst Punkte-optimierend zuzubereiten und das in Konkurrenz zueinander. Die dafür benötigten Zutaten, Milch und Kaffee, werden von der allgemeinen Espressomaschine erworben, wobei die Preisbildung mit faszinierend simplem wie effektvollem Mechanismus erfolgt. Die Frage „Welche der fünf Kaffee-Spezialitäten bereitet man zuerst zu?“ hat jeder Spieler/jede Spielerin sich selbst, frei von Vorgaben und Zwängen, zu stellen.
Nahezu maximale Transparenz – man sieht jederzeit den Zubereitungsstatus aller Getränke aller SpielerInnen – hilft dabei, ohne zu überfordern.
Café del Gatto
Wirtschafts- und Sammelspiel, für 2 bis 5 SpielerInnen, ab 8 Jahren
Autorinnen: Lena Burkhard & Julia Wagner
Verlag: Schmidt
Jury: Ein höchst gelungenes Familienspiel, das auch in anspruchsvolleren Freundesrunden mit hohem Spielreiz und (ganz dem Motto des Spiels folgend) mit einer guten Mischung überzeugt… unkomplizierter Einstieg und zügiger Spiel-Rhythmus, viel Freiraum für taktische Überlegungen dank nahezu maximaler Transparenz. Dazu ständige Interaktion, eine Prise Glück und haptisch wie optisch ansprechendes Material.
Als GemüsegärtnerIn wollen wir möglichst viel Gemüse ernten – Schnecken sollten nicht dabei sein. Was brauchen Pflanzen zum Wachsen? Richtig: Wasser. Genau das gießen wir auf die Samen in den Erdmulden, auf dass diese zu wachsen beginnen und – sind genug gleiche Pflanzen sichtbar – geerntet werden können. Doch wo sind die anderen Pflanzen versteckt und gelingt es mir, den Wassertropfen (Spielsteine) dorthin rollen zu lassen?
Beethupferl
Geschicklichkeits- und Memospiel, für 1 bis 4 SpielerInnen, ab 4 Jahren
Autor: Bernhard Weber
Verlag: Zoch
Jury: Was ihr gießt, das sprießt! heißt das Motto des herzigen, sympathisch anmutenden und vor allem sehr durchdacht gestalteten Geschicklichkeits-, Memo- und Sammelspiels. Mit einfachen Mitteln gelingt es nämlich dem Autor, einen höchst faszinierenden Vorgang der Natur spielerisch umzusetzen und am Spieltisch sogar zu simulieren – und das ohne Elektronik: „Gießen“ die Kinder Wassertropfen nachempfundene Murmeln aus den kleinen Karton-Gießkannen nach und nach über das Gemüsebeet, so „sickert“ das „Wasser“ zuerst ein und lässt bei erneutem Gießen das Gemüse(plättchen) durch Zauberhand „sprießen“. Spielerisch fördert das leicht zugängliche, witzige Wettgießen einfache taktische Überlegungen, Feinmotorik, Auge-Hand-Koordination sowie Merkfähigkeit.
Weltreisende eifern Phileas Fog am Weg von London um den Erdball auf verschiedensten Routen per Heißluftballon, Zug oder zur See nach. Doch gewinnt nach fünf Etappen nicht, wer zuerst London erreicht (was aber immerhin lohnende Extrapunkte bringt), sondern wer außerdem unterwegs die lukrativsten Abenteuer bestehen konnte. Dafür benötigt es mal Schirm, Zylinder oder gar eine Pistole, Utensilien, die in den Koffer passen und ebenso erworben werden müssen, wie die Tickets je Transportmittel für die jeweiligen Reisestrecken. Doch aufgepasst: Die jeweiligen Kosten dafür steigen mit jedem Kauf eines Spielers/einer Spielerin – Reisen ist nicht billig! Vielleicht zwischendurch ein Abenteuer erleben oder auf ein aktuell günstigeres Transportmittel wechseln und die Route umplanen oder auch eine Reisepause einlegen, um Geld zu sparen.
80 Days
Laufspiel, für 2 bis 4 SpielerInnen, ab 10 Jahren
Autor: Emanuele Briano
Verlag: Piatnik
Jury: Ein erfrischend leichtgängiges, dennoch taktisch-strategisches Laufspiel, dem das seltene Kunststück gelingt, weitestgehend auf den Glücksfaktor zu verzichten und dennoch als Familienspiel zu begeistern. Dabei spielen sowohl modernes Design, moderate Spieldauer und ein höchst interaktiver Mechanismus eine (Haupt)Rolle. Auch auf den inhaltlichen Bezug zur literarischen Vorlage „In 80 Tagen um die Welt“ hat man nicht vergessen – Kartentexte erinnern an Passagen von Jules Vernes Klassiker.
20 mörderische Fälle warten darauf, gemeinsam gelöst zu werden. Die jeweilige Fallakte gibt einen ersten Hinweis: „Als der Kapitän die Brücke betrat, wusste er, dass der Maschinist tot war.“ Weitere Szenenkarten, die nun nach und nach aufgedeckt werden, sollen helfen, dieses Rätsel zu lösen. Bei jeder gilt es, einige Fragen zu beantworten wie „Stimmt die Uhrzeit?“ „Ist das Schiff auf Kurs?“ „War die Crew bei der Besprechung vollzählig?“
Black Stories: Das Spiel
Krimispiel, für 1 bis 4 SpielerInnen, ab 13 Jahren
AutorInnen: Inka & Markus Brand und Folko Streese
Verlag: moses
Jury: Das Spiel ist ein höchst kommunikatives Krimi-Spiel auf kooperativer Basis, dem es gelingt, ohne große Vorbereitung und ohne lange Fallakten, mit wenigen Kniffen und sehr gut aufeinander abgestimmten Fall-Karten den Hercule Poirot oder die Miss Marple in jedem anzuspornen und herauszufordern. Das stimmige Design, die keineswegs Klischees und bekannten Schemata folgenden Fälle und die unbeschwerte, zu Diskussionen einladende Herangehensweise samt finaler Beurteilung der Ermittler-Leistung verwandeln den Spieleabend in ein 10-mal wiederkehrendes (es gibt 20 Fälle).
An drei Markttagen wollen wir als Schmied, Alchemistin, Kapitänin und Zeitreisende möglichst viel Reichtum durch Warenverkauf anhäufen und in der Zeit davor möglichst die gefragtesten Waren produzieren. Diese Zeit gilt es effektiv zu nutzen, schließlich stellt sie auch die Kosten-Einheit in Form von Sanduhren für alle Aktionen dar. Tränke brauen, das Schmieden oder das Schätze-Heben bzw. Fischen sind solche, die sich je nach Rolle zwar völlig voneinander unterscheiden, im Ergebnis jedoch einen vergleichbaren Produktionsprozess darstellen.
Merchants Cove
Wirtschaftsspiel, für 1 bis 4 SpielerInnen, ab 13 Jahren
Autoren: Carl Van Ostrand, Jonny Pac und Drake Villareal
Verlag: Pegasus
Jury: Ein opulent ausgestattetes, spektakulär – fast bahnbrechend –asymmetrisch konzipiertes Produktions- und (interaktives) Handelsspiel, das seinen vollen Reiz erst nach zwei, drei Partien entfaltet. Aufgrund der individuell völlig unterschiedlichen Produktions-Mechanismen, die jeweils im Prinzip eigene Spiele darstellen mit allem was dazugehört,
sprich Brett, Material, Regeln, Hintergrund und Konzept jeweils (völlig) anders, lassen sich die Spielzüge der MitspielerInnen erst dann gut nachvollziehen und einschätzen, wenn man selbst diese Rolle schon mal gespielt hat. Grandios und variantenreich konzipiert, herausragend abgestimmt, im Design atmosphärisch, sogar mit 3D Elementen illustriert und – last but not least – ein Fest für OrdnungsliebhaberInnen, allerdings nicht ohne Auf- und Abbau-Aufwand.
Ganz historischen Fasanerien nachempfunden, die mit vielen schönen bunten Vögeln einst dem Adel als ein anmutiges Ausflugsareal dienten, „bevölkern“ in „Fasanerie“ hübsch anzusehende Vögel(-karten) das Deck. Diese sollen von uns – Angestellte von hohen Herrschaften – gesammelt werden, die wertvollste Tier-Sammlung gewinnt. Das Spannende dabei: Die Wertigkeit eines Tiers wird meist durch die Gruppe definiert, sodass unterschiedliche Sammel-Logiken zu berücksichtigen sind: Mal sollte man eher größere Gruppen einer Art, mal kleine, oder aber auch nur paarweise sammeln, um Punkte-maximierend zu agieren bzw. gar um Minus-Punkte zu vermeiden.
Das Sammeln selbst läuft höchst ungewöhnlich ab, legt man doch, beginnend mit fünf Karten, diese offen ab.
Fasanerie
Sammelspiel, für 1 bis 2 (6) SpielerInnen, ab 8 Jahren
Autor: Friedemann Friese
Verlag: 2F
Jury: Ein für Gelegenheits-, wie VielspielerInnen über nahezu alle Altersklassen zu begeistern vermögendes Sammelspiel, das mit ungewöhnlich transparentem Konzept, einem hohen Grad an Interaktion und Varianz für anhaltenden Spielspaß sorgt: Wenn gewünscht, sind (fast) immer neue Ausgangslagen möglich. Ebenso ein Plus: Die höchst ansprechende Illustration der Karten, der einfache Zugang und der niedrigschwellige Anreiz, strategische und taktische Überlegungen anzustellen.
Wir übernehmen die Rolle von Bauern im westafrikanischen Regenwald, wobei es gilt, die Bedürfnisse der Bevölkerung möglichst gut mit denen der Natur zu verbinden und eine ökologisch nachhaltige Wirtschaft aufzubauen.
Flughund-Kolonien, Ziegen oder Buschtiere anzusiedeln, hilft ebenso, wie der Anbau von Obstbäumen. Die Schulung der Familien ist gar essentiell, sorgt diese doch für regelmäßiges Einkommen – im umgekehrten Fall für Ausbeutungsambitionen in Form von Schürfen nach Gold und Bauxit, was zu Verschmutzung führt. Gelingt es uns, das Nahrungsangebot so weit zu erhöhen, dass wir vor Dorfgründungen nicht zurückschrecken müssen?
Atiwa
Umwelt- und Aufbauspiel, für 1 bis 4 SpielerInnen, ab 12 Jahren
Autor: Uwe Rosenberg
Verlag: Lookout Games
Jury: „Atiwa“ demonstriert auf eindrückliche Weise, dass sich ein brandaktuelles Thema – nämlich Regenwälder vor der Ausbeutung zu schützen – adäquat auf Basis eines anspruchsvollen Familienspiels umsetzen lässt und dabei das faszinierende Zusammenspiel der Natur, das beeindruckende Lösungsansätze offeriert, aufzeigt. Der Mechanismus, der das Aufforstungspotential durch Ansiedlung von Flughund-Kolonien gut simuliert, überzeugt auch spielerisch und sorgt im Worker-Placement-Spiel um Ressourcen im Regenwald für Spieltiefe und weist – ergänzt durch eine gelungene graphische Umsetzung – hohen Wiederspielreiz auf.