Mediengespräch des Netzwerks Kinderrechte und Umfrage der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit vor dem internationalen Kinderrechte-Tag.
Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass neue Fälle von Gewalt und sexueller Ausbeutung (vulgo Missbrauch) an Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und Organisationen in Österreich publik werden – von Kindergärten über Schulen bis zu Sport- und Freizeitvereinen. Wie aber können solche verhindert werden? Das stellten anlässlich des 33. Geburtstags der UNO-Kinderrechts-Konvention Fachleute aus der Praxis in den Mittelpunkt eines Mediengesprächs. Das Netzwerk Kinderrechte findet, ein wichtiges Mittel gegen gewalttätige Übergriffe und Grenzverletzungen sind Kinderschutz-Konzepte – und zwar verpflichtende.
Was bringen gelebte Kinderschutz-Konzepte in der Praxis konkret? Wie schützen sie? Dazu sprachen Sebastian Lapka (Leiter KIWI-Hort und -Kindergarten Erlaaer Straße), Alexandra Brenter (Leiterin Kindergarten der Wiener Kinderfreunde Museumsquartier), Ferry Kainz (Jiu- Jitsu-Trainer und Kurs-Leiter von „Sicherheit4kids“ im schulischen und außerschulischen Trainingsbereich), Valeria Plohovich (Katholische Jungschar, Gruppenleiterin in der Pfarre Breitenfurt St. Bonifaz), Jürgen Czak-Kroboth vom Verein Multikulturelles Netzwerk in Wien mit Jugendcafé, Mobiler Jugendarbeit/Streetwork, Parkbetreuung sowie Hannah Schmahel, Leiterin der Pfadfinder und Pfadfinderinnen in Klosterneuburg-Weidling. Dazu gesellten sich noch Astrid Winkler (ECPAT Österreich – Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung) und die Sprecherin des Kinderrechte-Netzwerks in Österreich, Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez.
Als Vorbild nannten sie Deutschland, wo seit Mitte des Vorjahres öffentliche Träger verpflichtet sind, Kinderschutzkonzepte umzusetzen. Die österreichische Politik habe bisher nicht reagiert, kritisierten die genannten Vertreter:innen namens ihrer Organisationen und Vereine bzw. für das gesamte Netzwerk Kinderrechte.
„Es gibt bereits funktionierende Konzepte, die Organisationen müssten nicht bei null anfangen“, wie diese oft befürchteten, bestätigte Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez vom Zusammenschluss von mehr als 40 Organisationen im Kinderrechte-Netzwerk in einer Aussendung der Austria Presse Agentur (APA). Was fehle, sei die politische Antwort. Von dieser Seite werde oft auf Kosten, Bürokratie oder einen zu befürchtenden „Generalverdacht“ verwiesen und dass Ehrenamtliche wegbleiben könnten. Hingegen sind Schutzkonzepte ein Qualitätsmerkmal für die Organisationen und bieten obendrein Handlungssicherheit für die Mitarbeitenden, betonte ECPAT-Sprecherin Astrid Winkler.
Die laufende Debatte hat sogar für viele Einrichtungen Folgen. Er registriere etwa ein „größeres Aufkommen an Eltern, die fragen, welche Trainer fahren auf Sportveranstaltungen mit“, berichtete Ferry Kainz, Jiu-Jitsu-Trainer und Kursleiter von „Sicherheit4kids“ an Schulen. „Wir haben auch noch nie zuvor gehabt, dass Führungszeugnisse hinterfragt werden.“ Der Kontaktsportbereich sei eben ein besonders heikler Bereich. Er sieht das von seiner Organisation gelebte Konzept – „bei der Implementierung gab es natürlich zuerst einen Aufschrei“ – als wichtige Antwort auf die Sorgen der Eltern und für die Sicherheit der Kinder. Es sei „wie bei einem Auto mit Airbags“- die würden nicht bedeuten, dass man nicht Autofahren kann, sondern im Notfall schützen, ebenso seien Richtlinien gegen Grenzüberschreitungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu sehen.
Über die positiven Erfahrungen mit klaren Konzepten berichteten die anderen genannten Vertreter:innen.
Zum Thema veröffentlichte ebenfalls am Freitag die „Kinderliga“ (Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit) eine Umfrage, die zeigt, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Schutzkonzepten in den Mitgliedsorganisationen der Kinderliga in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen ist. „Immer mehr Organisationen implementieren, an die eigene Organisation angepasste, Kinderschutzrichtlinien.“ Die Kinderliga bietet dafür Workshops und Einzelberatungen an.
Noch 2017 gaben nur zehn von 55 Organisationen an, über ein eigenes Schutzkonzept zu verfügen. Fünf Jahre später, also heuer waren es fast zweieinhalb Mal so viele – genau 24 Organisationen und 14 weitere sind gerade dabei solche Konzepte für ihre Einrichtungen zu entwickeln.
Herausforderungen sehen die Organisationen in knappen Zeit- oder Personalressourcen, in der Schwierigkeit, die relevanten Personen für die Erarbeitung einzubinden und zu koordinieren sowie unterschiedliche Arbeitsgegebenheiten (Einzel- oder Gruppenarbeit, junge Kinder oder Jugendliche, u.v.m.) zu berücksichtigen. Gleichzeitig betreffen die Schutzkonzepte angefangen von der Auswahl und Schulungen von Mitarbeiter:innen, über räumliche Anforderungen und pädagogische Konzepte auch den Außenauftritt der Einrichtungen wie Werbung, Newsletter-Formulierungen, Umgang mit Medien und Berichterstattung.
Die Mitgliedsorganisationen der Kinderliga können der Auseinandersetzung mit Schutzkonzepten trotz des hohen Aufwands viel Positives abgewinnen. Genannt wurden:
* Verstärkte Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung in Bezug auf sichere Räume für Kinder und Jugendliche
* klare Rahmenbedingungen für die eigene Arbeit und mehr Handlungssicherheit sowie
* Sicherheit für die eigene Organisation
* der Prozess der Erarbeitung förderte die Motivation der Mitarbeitenden
* die Schutzkonzepte werden als Hilfe bei Verdachtsfällen und
* als Qualitätsmerkmal der Organisation nach außen erlebt.
Zum nicht ganz einstündigen Mediengespräch des Netzwerkes Kinderrechte geht es hier unten