Im jüngsten Mash-up verknüpft „das.bernhard.ensemble“ „Medea“ (in dem Fall von Grillparzer) mit dem mörderischen Film „Natural Born Killers (Oliver Stone/Quentin Tarantino).
Ein Soft-Start zieht das Publikum, das an den vier Wänden rund um das jüngste Mash-up von „das.bernhard.ensemble sitzen wird, schon beim Betreten der White Box im Wiener Off-Theater ins Geschehen. Schräge Figuren wandern, kriechen, umher, nähern sich den Zuschauer:innen, werden von einem Kollegen davon aber immer wieder abgehalten. Seit Jahren verbindet das Ensemble – meist nach einer Idee von Mastermind Ernst Kurt Weigel – einen Theater- mit einem Filmklassiker zu einer höchst intensiven theatralen Performance, selten auch mit Video-Einblendungen. Wie aber meist liegt auch dieses Mal die alleine Konzentration auf analoges, Live-Schauspiel mit starkem körperlichem Einsatz.
„Medea“, dritter Teil der Trilogie „Das golden Vlies“ von Franz Grillparzer stand Pate für den Theater-Ausgangspunkt. Meist bekannt als Kinder-Mörderin, liegt in manchen Versionen der Schwerpunkt der Interpretationen auf dem Mobbing gegen die Zugewanderte. Oder auch darauf, dass sie sich an Iason rächen will, dem zuliebe sie das Goldene Vlies klaut und mit ihm und den Argonauten aus Kolchis abhaut, der sie dann aber zugunsten der Tochter von König Kreos verlässt.
Hier war’s was anderes. „Bei der Beschäftigung mit dem Medea-Stoff hatte ich sofort diese Roadmovie-Assoziation des mordenden Liebespaares. „Bonnie und Clyde“, „Wild at Heart“, „True Romance“ waren sofort präsent und natürlich auch NBK“, schreibt Weigel im Programmheft. Mit NBK meint er „Natural Born Killers“, einen Film von Oliver Stone nach einem Drehbuch von Quentin Tarantino. In einem Lokal im US-Bundesstaat New Mexico richtet Mickey ein Gemetzel an, nachdem ein Gast seine Freundin Mallory belästigt hat. Das Ungewöhnliche: Am unteren Bildrand ist eine Pistole eingeblendet – wie bei einem Ego-Shooter-Computerspiel – und das 1994.
Im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… erzählt Weigel noch, dass er sich noch etliche andere Medea-Versionen reingezogen habe. Aber es blieb bei der Grundstimmung: Vermixung der Zeit, in der das Paar gemeinsam unterwegs ist mit jener der Flucht des eben genannten Paares aus dem Film.
Auf dieser Flucht bringen M & M Dutzende weitere Menschen um. In Rückblenden stellt sich obendrein heraus, dass Mallorys Vater die Tochter unzählige Male sexuell ausbeutet, die Mutter schaut weg… Neben den Morden spielt in dem Film nicht zuletzt die mediale Sensationsberichterstattung über die Taten einer- und die polizeiliche Verfolgung andererseits eine große Rolle.
Und das mixte „das.bernhard.ensmeble“ zu einer heftigen, zweistündigen, immer wieder aber auch satirisch distanzierten/distanzierenden Performance zusammen. Die Originalnamen aus dem Film und dem Stück werden verändert – Mae (umwerfend: Rinu Juniku) und Jay (heftig: Andrzej Jaślikowski) statt Medea und Iason etwa – und alles als Theaterprojekt in einem Gefängnis angesiedelt, dessen Direktor Kajetan Dick sozusagen auch die „Show“ auf der Bühne dirigiert.
Als besessener und skurpelloser Kommissar Scagnetti (der auch im genannten Film so heißt) agiert Matthias Böhm, der auch den ekelerregenden, gewalttätigen Vater spielt. Als völlig schräge Figur hoppelt Yvonne Brandstetter als Hase durch die Szenen. Dazu gesellen sich noch die – wie alle ja ständig von allen Seiten beobachtet werdenden und damit immer präsenten Spieler:innen Anja Štruc (Gefängnis-Seelsorgerin Kreusa bzw. Geisel des mörderischen Duos sowie Jula Zangger als Schamanin und u.a. wegschauende Mutter).
Für Bühne mit so manchen absurd erscheinenden Utensilien sowie Kostüme zeichnete Julia Trybula, für die ausgefeilte Choreografie- wenn Menschen von allen Seiten zuschauen – sorgte Leonie Wahl. Wie immer schuf Bernhard Fleischmann Kompositionen und die den Szenen angepasste Musik. Und: Ernst Kurt Weigel sitzt als Regisseur erstmals bei einem Mash-up von „das.bernhard.ensemble“ am Spielfeldrand statt mitten im Geschehen zu agieren.
Ein Mash-up inspiriert von Franz Grillparzers „Medea“ und Oliver Stones „Natural Born Killers“
das.bernhard.ensemble | Das Off-Theater
Regie/Konzept: Ernst Kurt Weigel
Performance:
Hase: Yvonne Brandstetter
Mae: Rina Juniku
Seelsorgerin Kreusa/ Geisel: Anja Štruc
Gora/ Schamanin / Mama: Jula Zangger
Kommissar Scagnetti/ Papa: Matthias Böhm
Gefängnisdirektor Kreon/ Tankwart: Kajetan Dick
Jay: Andrzej Jaślikowski
Bühne/Kostüme: Julia Trybula
Choreografie: Leonie Wahl
Komposition: Bernhard Fleischmann
Lichtdesign/Technik: Josef Morawek
Regieassistenz: Alexe Schmid
Produktionsleitung: Monika Bangert
Hospitanz: Beatrice Leodolter
Bis 9. Dezember 2023
Das Off Theater: 1070, Kirchengasse 41
Karten
Telefon: 0 676 360 62 06
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