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Szenenfoto aus "Die.Stunde.Shining" von "das.bernhard.ensemble" im Off-Theater, Wien-Neubau
Szenenfoto aus "Die.Stunde.Shining" von "das.bernhard.ensemble" im Off-Theater, Wien-Neubau
13.03.2023

Sehr schräge, unterhaltsame, mitunter gruselige Theater-Tour

„das.bernhard.ensemble“ verknüpfte im jüngsten Mash.Up „Die.Stunde.Shining“ den Spirit aus einem Horrorfilmklassiker mit dem eines Handke-Stückes.

Eine Hetz mit Gruselmomenten und vielen mehr als schrägen Begegnungen ist die jüngste „Vermanschung“ von „das.bernhard.ensemble“ im eigenen Off-Theater in Wien-Neubau. Inspiriert vom Hotel, das nebenan seinen Eingang und über dem Theater etliche Zimmerfluchten hat, wirst du glich beim Eingang von Kassenpersonal in Hotel-Livree mit Fez auf dem Kopf empfangen. Schon dieses Detail nicht zufällig; es erschließt sich im Laufe des rund zweistündigen, sehr abwechslungsreichen und kurzweiligen Abends. Hier hat Ernst Kurt Weigl, Prinzipal des Ensembles und des Theaterhauses in das Mash-Up viel Historisches zum Haus selbst und seiner Umgebung bzw. dem Untergrund reingepackt; in dem Fall Stichwort Türkenbelagerung unter Kara Mustafa mit Hauptquartier am nahegelegenen Spittelberg und Ausssichts„warte“ am Turm der Ulrichskirche.

Auf Friedhöfen gebaut

„Die.Stunde.Shining“ verknüpft einerseits den Horror-Kinoklassiker „The Shining“ (1980) von Stanley Kubrick nach dem gleichnamigen Roman von Stephen King, der die Verfilmung gar nicht schätzte und fast 20 Jahre später das Drehbuch für einen mehrteiligen TV-Film schrieb, und andererseits Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“. Dabei bediente sich das Mash-Up weniger an Handkes Stück selbst, sondern viel mehr an dem unsichtbaren Eindruck des Autors, der stundenlang Menschen beobachtete, die über den Platz in der Nähe Triests gingen, sich dort aufhielten, das eine oder andere verrichteten, ihnen passierte usw. Davon manifestierten sich in Handke bleibende Bilder, die so nur von dem von außen Beobachtenden gesehen, erahnt, gespürt werden konnten. Aber sozusagen etwas Bleibendes auch am Ort unsichtbar Spürbares hinterließen.

Und genau dasselbe passiert sozusagen im besagten Horrorfilm, den zu kennen das Stück-Erlebnis noch einmal stärker machen könnte. Ich muss zugeben, ich kannte/kenne ihn nicht, habe mich auch unzureichend vorbereitet und den Wikipedia-Eintrag dazu erst nachträglich gelesen. Aber auch in das – im Winter jeweils geschlossene Hotel „Overlook“ haben sich vormalige Ereignisse und Geschichten sozusagen eingeschrieben.
Übrigens sind sowohl das besagte Hotel als auch das Off-Theater in der Kirchengasse auf ehemaligen Friedhöfen gebaut!

Handke als überforderter Hausverwalter

„The Shining“ ist die Grundkonstellation entnommen. Der Hotelmanager sucht für die Schließzeit jemanden, der es mehrere Monate verwalten will/kann. Hier nicht wegen der Jahreszeit, sondern den Folgend der vielen Lockdowns. Es meldet sich ein Schriftsteller, um im leeren Hotel in Ruhe arbeiten zu können – im Film Jack, hier Peter, unschwer als Handke-Reminiszenz erkennbar – irgendwie unnahbar bis unheimlich, autoritär, gefährlich, von sich mehr als eingenommen Gerald Walsberger. Aus der Film-Wendy wird hier Winifred, irgendwie überdrehte, um ihre Unabhängigkeit kämpfende Schauspielerin – wunderbar, aufs erste gar nicht erkennbare Isabella Jeschke, die nie direkt ins Publikum blicken darf, weil sie die Gestalten – das Publikum – das aus Geistern der Toten aus dem Untergrund besteht, nicht sehen kann.

Der Film-Sohn Danny ist hier die Tochter Dani, die aber ebenso einen unsichtbaren Freund hat, den alle Tony nennen. Der wohnt in ihrem Mund und wenn die derben, vulgären Schimpfkanonaden daraus hervorbrechen, krümmt sie den Zeigefinger der rechten Hand zu einem Haken. Rina Juniku versinkt völlig in dieser wie aus dem Jenseits kommenden Figur – in beiden Seiten ihrer (Danis) Persönlichkeit.

DAS Werk 😉

Soweit das Setting der neuen Hausverwalter:innen. Peter, der nie gestört werden will, wenn er im maximal Zwei-Fings-System auf der Schreibmaschine an seinem monumentalen Werk arbeitet. Das er gegen Ende seiner Ehefrau als DAS Stück für sie antragen will. Und das diese zerfetzt. „Drei Monate für einen Satz!!!!???“

Wobei „ich möchte ein solcher werden, wie einmal ein anderer gewesen ist ich bin nur zufällig ich“ tatsächlich ein Handke-Satz ist – aus „Kaspar“ (1968) unschwer erkennbar nach Kaspar Hauser.

Nestroy’sche Figur

Teppiche – gedruckt nach dem Muster aus dem genannten Film – legen die Wege für das Publikum, das jederzeit von einem in einen anderen Raum (White und Open.Box des Off-Theaters sowie alle möglichen Nebenräume von Foyers, Garderoben, Badezimmer, Werkstatt) in einen anderen wechseln kann – wo immer wieder auch gleichzeitig Auftritte stattfinden.

Als Hausmeister und erzählender Tour-Guide in Nestroy’scher Manier fungiert der Ausdenker (nicht nur) dieses Mash-Ups und Prinzipal bis Bub für alles im Off-Theater Ernst Kurt Weigel himself. Kajetan Dick schlüpft nicht nur in die Rolle des Hotelmanagers Halorani mit kosovarischen Vorfahren (eine Anspielung auf den echten vormaligen serbischen Hausmeister des Gebäudes), sondern in etliche weitere, ziemlich schräge Figuren – vom Taubenjäger bis zum Thunfisch-Aufstrich-Verzehrer. (Die beiden eben genannten erschließen sich erst nach Lektüre des ausführlichen, sehr interessanten Programmheftes als echt in diesem Theaterhaus einst agierende Personen bzw. Begebenheiten – so erst ergibt der aus einer fast übersehenen, nun geöffneten Tür erschallende Song aus dem Musical „Cats“ Sinn.)

Bluts-Schwestern

Wiederum aus dem Film „entstiegen“ sind die Zwillingsschwestern, die viele jeweils schräge bis blutige Auftritte an unterschiedlichen Stellen der Tour haben – und die meist auf echten Anekdoten in der Geschichte des Off-Theaters, meist abseits der Bühne, basieren. Yvonne Brandstetter und Leonie Wahl (die auch das Stück choreografierte) geben diese beiden mitunter mit heftigem Körpereinsatz agierenden Figuren.

Nicht nur als Taube, sondern vor allem als Akkordeon spielender „unlieber Augustin“ ist Bernhard Jammernegg einer der bereichernden Neuzugänge in einer Produktion von „das.bernhard.ensemble“.

Märchenspiel

Das Off-Theater beherbergt auch die Märchenbühne „Der Apfelbaum“. Stephanie Troehler baute Figuren und Objekte für eine nicht jugendfreie Version von „Die drei kleinen Schweinchen“, ein Märchen, das vor allem durch die Disney-Verfilmung (aus 1933, die einen Oscar für den besten animierten Kurzfilm bekam) bekannt wurde. Albane Troheler spielt in der Werkstatt des Theaters auf engstem Raum die Geschichte: Der Wolf will zwei Schweinchen aus einer strohbedeckten Unterkunft … Sie können entkommen, suchen Unterschlupf in einer Holzhütte, und in der Folge im Steinhaus eines dritten Schweinchens. Dort will der Wolf über den Kamin hinein. Im Original stellen sie einen Topf mit heißem Wasser unter den Kamin, hier eine Tiefkühltruhe – die gegen Ende des Stücks in Großformat eine Rolle spielen wird, wenn Winifred und Dani vor dem ausrastenden Peter mit Hacke flüchten wollen.

Sängerin

Keineswegs unerwähnt bleiben sollen Tamara Stern, die als wandelnde Geisterfrau im Foyer der White.Box auf und ab wandert bevor sie die kleine Eckbühne erklimmt und in unterschiedlichsten Stilen singt, summt, teils fast tonlos aber beeindruckend; begleitet am Kontrabass, den Mathias Krispin Bucher – in manchen Vorstellungen David Dolliner – bespielt (Soundscape für die ganze zweistündige Tour: Bernhard Fleischmann); zeitweise mit Katzenkopf. Christina Berzaczy ist ein, die einzige wirklich auch mitspielende Tour-Guide in Hotel-Uniform (Ausstattung und Kostüme: Pia Stross); und sie hat auch bei Regie und Dramaturgie sowie am Konzept stark mitgewirkt.

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

Die.Stunde.Shining

immersives Mashup von Ernst Kurt Weigel
inspiriert von Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ und Stanley Kubricks „The Shining“ nach dem gleichnamigen Roman von Stephen King.
das.bernhard.ensemble
ca. 2 Stunden variable Tour durch das ganze Theaterhaus

Regie/Raum: Ernst Kurt Weigel
Konzept: Christina Berzaczy und Ernst Kurt Weigel

Performance:
Winifred, Ehefrau von Peter und Mutter von Dani: Isabella Jeschke
Dani, Tochter von Winifred und Peter: Rina Juniku
Peter (Handke): Gerald Walsberger
Eine Zwillingsschwester: Yvonne Brandstetter
Andere Zwillingsschwester: Leonie Wahl
Theater-Manager u.a.: Kajetan Dick
Sängerin und jenseitige Frau X: Tamara Stern
Märchenspielerin: Albane Tröhler
Kontrabassist/ Katze: Mathias Krispin Bucher – alternierend mit David Dolliner
Der unliebe Augustin/ Taube: Bernhard Jammernegg
Hausmeister und erzählender Tour-Guide: Ernst Kurt Weigel
Tourguide in hotelartiger Livree: Christina Berzaczy

Choreografie: Leonie Wahl
Soundscape: Bernhard Fleischmann
Ausstattung und Kostüme: Pia Stross
Puppen-Bühnenbau für die Version von „Die drei kleinen Schweinchen“: Stephanie Troehler (Märchenbühne „Der Apfelbaum“)
Lichtdesign/Technik: Julian Vogel
Regie- und Dramaturgie-Assistenz: Christina Berzaczy
Kostüm-Mitarbeit: Amy Marlies Tindl, Mael Blau
Produktionsleitung: Monika Bangert

Wann & wo?

Bis 31. März 2023
Das Off Theater: 1070, Kirchengasse 41
Telefon: 0 676 360 62 06
digital: karten@off-theater.at
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