Die Weizer Theaterfabrik schuf mit „Verfallen“ ein Stück Lokalgeschichte rund um das städtische Volkshaus und die Absichten rund um dieses, noch dazu mit allgemeinerer Dimension.
Das Publikum wird in der Performance „Verfallen“ von der Theaterfabrik Weiz (Steiermark) kurzerhand zu einer Versammlung interessierter Investor:innen umfunktioniert. Objekt der Begierde ist das Volkshaus dieser oststeirischen Stadt. Altes verfallenes Haus, lukrative Gegend, nahe dem Stadtzentrum und auch nicht weit weg von Bergen. Gut fürs Wandern…
Was als Show inszeniert wird – mit einer Bürgermeister-Darstellerin (Emma Pöcksteiner), einem Hauptinvestor (Tim Habe) sowie Vertreterinnen der verschiedenen Initiativen, Vereine und Organisationen, die ihre Aktivitäten oder einfach geselligen Treffen samt Veranstaltungen im Jahreskreislauf im Volkshaus ausüben können, hat einen realen Hintergrund: Das besagte Volkshaus ist kein fiktives, das gibt es wirklich.
Die Theaterfabrik, die dort seit rund 20 Jahren Kurse mit Kindern bzw. Jugendlichen abhält und Stücke entwickelt, arbeitet und spielt tatsächlich in diesem Haus. Obendrein sollte das sieben Jahrzehnte alte und damit in die Jahre gekommene Haus mit Verfalls-Erscheinungen wirklich abgerissen und durch einen „grünen“ siebenstöckigen Turm ersetzt werden. In dem es durchaus auch Platz u.a. für die Theaterfabrik gegeben hätte. Schon hatten sie die Räume ihrer Etage verplant, da erfuhren sie: Abgesagt, der Investor ist abgesprungen.
So manches, das sich die jugendlichen Theaterenthusiast:innen – neben den bereits Genannten noch Sarah Frank, Judith Karner, Kirstin Kniebeiß, Bettina Waclawek, Linda Walch, Marlen Weingartmann – sowie die beiden Profis, die Regie führten – Nora Köhler & Vera Kopfauf -an Szenen und Dialogen ausgedacht haben, wurde hin und wieder von der Realität fast übertroffen. Wie auch immer, sie als Theaterfabrik sind dem Volkshaus genauso wie die anderen Initiativen, Vereine usw. klassisch verfallen. Ihr Herz hängt an diesem ihrem Kulturzentrum. Wenngleich so manche Renovierung wohl längst angebracht wäre.
Wie auch immer – im Original bespielten die Theaterleute in einer kabarett-ähnlichen Art und so manch musikalischen bzw. (sessel-)tänzerischen Szenen in dem Stück das gesamte Haus mit allen Räumen und Winkeln, ob im Keller oder auf dem Dach. Auf einer Riesen-Leinwand wurden die live gefilmten Szenen live für das Publikum im großen Saal übertragen. Und schafften so auch neue Besucher:innen – aus anderen Einrichtungen des Volkshauses – anzulocken.
Trotz der Fokussierung auf das konkrete Gebäude schwingt in dem Stück das nicht so selten in Gemeinden verbreitete Phänomen mit, dass (lokale) Politiker:innen gut und gern auf scheinbar spannende Investoren-Projekte an- und aufspringen. Hin und wieder verdienen Bürgermeister (hier kann Gendern noch erspart werden) ja auch an Umwidmungen von Grundstücken für derartige Baupläne. Womit das Weizer Stück auch eine gesellschaftspolitische Dimension erhält.
Beim Stella-Festival in Kärnten / Koroška war es natürlich nicht möglich das gesamte Stück in dieser umfassenden Dimension zu zeigen. Aber der ¾-stündige szenische Ausschnitt – mit weniger Spieler:innen – samt Videos beispielsweise von der Volkshaus-Erkundung gab gute Einblicke.
Compliance-Hinweis: Zur Berichterstattung vom Stella-Festival wurde KiJuKU.at von der ASSITEJ-Austria eingeladen.
Theaterfabrik Weiz; ab 14 Jahren
Regie: Nora Köhler & Vera Kopfauf
Performance: Sarah Frank, Tim Habe, Judith Karner, Kirstin Kniebeiß, Emma Pöcksteiner, Bettina Waclawek, Linda Walch, Marlen Weingartmann
Bei der verkürzten Stück-Präsentation beim Stella-Festival im Kulturhof von Villach ohne Judith Karner, Kirstin Kniebeiß und Linda Walch