Interview mit dem Schauspieler Bagher Ahmadi, der kürzlich seine spannende, abenteuerliche Reality-Autobiographie veröffentlichte – Link zur Buchbesprechung am Ende dieses Beitrags.
KiJuKU: Zuerst einmal, danke, modhsa kheram, khili mamnoon, sepaz, mersi für dein Buch und das Hörbuch.
Bagher Ahmadi: Ja, gerne, khoish mi khonam
KiJuKU: Einen Teil deiner Lebensgeschichte kannte ich schon aus Erzählungen und aus früheren schriftlichen Versionen, in die ich hin und wieder reingelesen habe, aber die jetzige Version ist sehr dicht und flüssig zu lesen geworden. Wann hast du begonnen, deine Geschichte aufzuschreiben?Bagher Ahmadi: Ich hatte das schon ein Jahrzehnt lang vor, habe immer wieder Notizen gemacht – am Handy. Aber so richtig hingesetzt, um zu schreiben, hab ich 2020 bei Corona, als wir alle im Lockdown waren.
KiJuKU: Weil du da viel Zeit hattest und nirgends – weder in Theatern noch für Filme spielen konntest?
Bagher Ahmadi: Klar, ich hab dann rechts schnell so circa 20 Seiten geschrieben, hauptsächlich über die Kindheit in Afghanistan. Dann hab ich irgendwie nicht weitergemacht, ich war nicht sicher über die Struktur des Buchs. Ich hatte ja zunächst einfach drauflos geschrieben.
Beim Tippen war ich zu langsam, in Gedanken war ich viel schneller. Dann hab ich mir gedacht, ich warte, ich möchte zuerst mehr über Schreiben auch von Drehbüchern lernen. Und ich hab begonnen Tippen zu üben.
Erst zwei Jahre später – da hatte ich schon viele Bücher gelesen, um mehr übers Erzählen von Geschichten zu erfahren, bevor ich schreibe – hab ich richtig viel geschrieben. Innerhalb von wenigen Wochen hab ich 45.000 Wörter geschrieben. Aber ich bin am Schluss ein wenig depressiv geworden.
KiJuKU: Wegen deiner eigenen Geschichte, wo du dich in deiner Familie gar nicht wohlfühlen konntest? Und obwohl du genau das erreicht hast, was du wolltest – Schauspieler werden.
Bagher Ahmadi: Ja, genau, ich weiß nicht mehr, warum das so war. Ich hab dann erst später wieder am Text gearbeitet und ihn an ein paar Leute geschickt und um Feedback gebeten. Und wieder zwei Jahre später, 2024 also letztes Jahr, hab ich dann wieder daran geschrieben. Diess Mal hab ich es ernst genommen, in der Hoffnung, dass ein Verlag das veröffentlicht. Es waren schon Verlage interessiert, haben aber gemeint, sie glauben nicht, dass sich das gut verkaufen lässt. Da hab ich mir dann gedacht, das ist mir egal, dann geb ich das selber heraus. Davor hab ich es noch einmal überarbeitet und verfeinert.
KiJuKU: Hast du immer auf Deutsch geschrieben, oder fallweise auch auf Englisch oder Dari/Farsi?Bagher Ahmadi: Als ich mich hingesetzt hatte, hauptsächlich auf Deutsch, aber Notizen hatte ich auf Deutsch und Englisch und teilweise auch auf Farsi. Das aber nur mit Stift auf Papier, am Handy kann ich nur in lateinischen Buchstaben schreiben.
KiJuKU: Hattest du von all deinen Stationen die Erinnerungen noch so präsent, die Notizen haben ausgereicht?
Bagher Ahmadi: Ich war so erstaunt, schon bei den ersten 20 Seiten, wie detailliert ich mich an die einzelnen Stationen erinnern konnte. Ich hatte befürchtet, dass ich mich nicht mehr an alles erinnern könnte, ich vergesse zum Beispiel schnell Namen. Aber als ich begonnen habe zu schreiben, konnte ich mich so detailliert an alles erinnern.
Ich hab extra fürs Schreiben von dem Buch das Zehnfinger-System gelernt, damit die Gedanken schneller getippt werden können. Trotzdem war ich im Kopf immer viel schneller als beim Schreiben.
KiJuKU: Hast du einmal probiert, den Text zu sprechen, mittlerweile funktioniert die Übersetzung ins Geschriebene mit Diktierfunktionen halbwegs brauchbar?
Bagher Ahmadi: Nein, beim Schreiben kann ich doch besser die Gedanken ordnen. Es ist mir auch oft lieber, eine eMail zu schreiben als etwas zu sagen, weil ich beim Reden mitunter auf Sachen vergesse sie zu erwähnen. Obwohl ich Schauspieler bin, kann ich mich schriftlich oft besser ausdrücken.
KiJuKU: Du beschreibst im Buch ja auch einige peinliche Situationen, hast du überlegt, die wegzulassen?
Bagher Ahmadi: Ja, einerseits gab es schon die Überlegung, manches wegzulassen, aber irgendwie dachte ich, diese Begebenheiten erzählen auch etwas über mich und die Kultur, in der ich aufgewachsen bin. Und es wird damit ja noch authentischer und realistischer.
KiJuKU: Gibt es aber andere Geschichten, die du tatsächlich weggelassen hast?
Bagher Ahmadi: Ja, für den besseren Lesefluss hab ich schon einiges wieder weggestrichen.
KiJuKU: Hast du noch Kontakt zu deiner Familie in Afghanistan oder zu den Arbeitskollegen in der Glasfabrik oder der Schneiderei im Iran?
Bagher Ahmadi: Zu den Arbeitskollegen kaum, Kontakt zur Familie hab ich erst später aufgenommen. Es ist eine komische Beziehung, ich denke oft an sie, aber ich vermisse sie nicht, ich bin ja weggegangen, weil es nicht so schön war.
Erst beim Schreiben sind mir auch wieder viele Situationen eingefallen, wie arg vor allem die Stiefmutter zu mir war.
KiJuKU: Hast du vor, das Buch, das du ja auch schon auf Englisch übersetzt und veröffentlicht hast, auch auf Dari/Farsi zu übersetzen und es deiner Familie zu schicken?
Bagher Ahmadi: Nein, ich hab kurz gedacht, meinem Vater das Buch auf Deutsch zu schicken, weil er es nicht lesen kann.
Eines der 100 Bücher, die ich gelesen habe, bevor ich zu schreiben begonnen habe, war „Die Elenden“ von Victor Hugo (1862). Da kommt eine Frauenfigur, Fantine, vor, die wie ein Stück Sch… behandelt hat, das hat mich sehr daran erinnert, wie meine Stiefmutter mich behandelt hat.
Beim Schreiben ist das alles wieder sehr lebendig geworden, das war teilweise wie eine Tortur, wenn man schwer verletzt auf eigene Wunden drückt. Aber es war teilweise auch wieder gut, weil ich vieler dieser Sachen be- und verarbeiten konnte.
KiJuKU: Klingt fast wie eine Therapie, oder?
Bagher Ahmadi: Ja, genau. Am Anfang hat’s wehgetan, aber dann war’s gut. Manches Mal, wenn wir telefonieren, fragt mich mein Vater, warum ich weggegangen bin und ich denk mir, warum kommst du selber nicht drauf.
KiJuKU: Im Buch schreibst du, dass der erste Job nachdem du die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen hast, ein Dreh in Italien war, wo hattest du noch in anderen Ländern Engagements?
Bagher Ahmadi: Nicht der erste, aber der erste im Ausland. Ja, als Stunt-Double in Spanien für eine Netflix-Serie und immer wieder auch in Deutschland.
KiJuKU: Mit „Draußen vor der Tür“ warst du ja nach dem Akzent-Studio auch in einer Schule, jetzt hier beim Kultursommer, warst du sonst noch wo mit diesem Solostück?
Bagher Ahmadi: Ja, in Litschau in einer Schule, dann noch in der Brunnenpassage und am 14. November spiele ich noch im Gymnasium Dachsberg in Oberösterreich.
KiJuKU: Das ist ja deine ehemalige Schule!
Bagher Ahmadi: Und wo ich auch zum ersten Mal auf der Bühne war. Das wird irgendwie krass, der Direktor freut sich auch schon sehr, obwohl er schon in Pension ist, organisiert er das.
Das wird was ganz Besonderes auch für mich, ich spiel am Vormittag in der Schule und am Abend eine öffentliche Veranstaltung.
KiJuKU: Dein Buch, deine Geschichte liest sich echt filmreif, hast du auch an einen Film gedacht?Bagher Ahmadi: Ich hab das Buch an eine Filmproduzentin geschickt, die hat auch gefragt, ob ich daran interessiert wäre. Ja, voll hab ich ihr gesagt. Wir treffen uns übernächste Woche. Da hat sie das Buch dann hoffentlich schon gelesen. Sie hatte auch die Idee, dass ich den Hauptdarsteller spiele, aber in vielen Stationen war ich ja noch Kind oder Jugendlicher, mittlerweile bin ich ja schon fast 30.
KiJuKU: Dankeschön, thank’s, modsha kheram, khili mamnoon, sepaz, mersi, tasakkor.
Bagher Ahmadi: Ja auch vielen Dank, khoish mi khonam.
Bagher Ahmadi beim mehrsprachigen Redebewerb „Sag’s Multi!“ <- noch im KiKu
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