Unicef-Report zum internationalen Tag der Kinderrechte: Nicht nur in ärmeren, auch in reicheren Ländern stockt der Kampf gegen Kinderarmut.
1, 2, 3, 4, X, 6, 7, 8, 9, X, 11, 12, 13, 14, X – so wie hier an jeder fünften Stelle ein X steht, so ist jedes fünfte Kind in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen in mindestens zwei lebenswichtigen Bereichen die für Gesundheit, Entwicklung und Wohlbefinden entscheidend sind, stark benachteiligt. Und das sind immerhin rund 417 Millionen Kinder – also fast so viele wie Menschen in der gesamten EU leben (450 Millionen). Diese Zahlen gab die Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen zum Kinderrechtetag (20. November, Jahrestag des UNO-Beschlusses über die Kinderrechtskonvention, 1989) bekannt.
„The State of the World’s Children 2025: Ending Child Poverty – Our Shared Imperative“ (Die Lage der Kinder in der Welt 2025: Kinderarmut beenden – Unsere gemeinsame Aufgabe) wie dieser Bericht offiziell heißt, stützt sich auf Daten aus mehr als 130 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, um das Ausmaß multidimensionaler Armut zu bewerten. Gemessen wird sie anhand von sechs Kategorien: Bildung, Gesundheit, Wohnen, Ernährung, sanitäre Versorgung und Wasser. Die Analyse zeigt, dass 118 Millionen Kinder drei oder mehr Deprivationen (Entbehrungen) erleben und 17 Millionen vier oder mehr (Anm.: Die Daten stammen aus dem Jahr 2023).
„Kinder, die in Armut aufwachsen und denen grundlegende Dinge wie gute Ernährung, angemessene sanitäre Versorgung und eine sichere Unterkunft fehlen, sind verheerenden Folgen für ihre Gesundheit und Entwicklung ausgesetzt“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Es muss nicht so sein. Wenn Regierungen sich dazu verpflichten, Kinderarmut durch wirksame politische Maßnahmen zu beenden, eröffnen sie Kindern eine Welt voller Möglichkeiten.“
Die höchsten Raten multidimensionaler Armut bei Kindern konzentrieren sich auf Subsahara-Afrika und Südasien. In Tschad beispielsweise erleben 64 % der Kinder zwei oder mehr schwere Deprivationen, und knapp 25 % sind drei oder mehr ausgesetzt.
Sanitäre Versorgung ist der am weitesten verbreitete schwere Mangel: 65 % der Kinder in Ländern mit niedrigem Einkommen haben keinen Zugang zu einer Toilette, 26 % in Ländern mit unterem mittleren Einkommen und 11 % in Ländern mit oberem mittleren Einkommen. Ein Mangel an angemessener sanitärer Versorgung erhöht die Gefahr, dass Kinder Krankheiten ausgesetzt sind.
Der Anteil der Kinder, die in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mindestens eine schwere Deprivation erfahren, sank zwischen 2013 und 2023 von 51 auf 41 %, größtenteils dank der Priorisierung von Kinderrechten in nationalen Politiken und wirtschaftlicher Planung. Doch der Fortschritt stockt. Konflikte, Klima- und Umweltkrisen, demografische Veränderungen, steigende nationale Schulden und wachsende technologische Ungleichheiten verschärfen die Armut. Gleichzeitig drohen beispiellose Kürzungen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA) die Deprivation von Kindern in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu vertiefen.
Dennoch ist Fortschritt möglich. Tansania etwa erzielte zwischen 2000 und 2023 eine Reduzierung der multidimensionalen Kinderarmut um 46 %, teilweise dank staatlicher Zuschüsse, die armen Haushalten finanzielle Entscheidungsspielräume eröffneten. In Bangladesch sank die Kinderarmut im gleichen Zeitraum um 32 %, dank staatlicher Initiativen, die den Zugang zu Bildung und Elektrizität ausweiteten, die Wohnqualität verbesserten und in Wasser- und Sanitärversorgung investierten. Offene Defäkation wurde so von 17 % im Jahr 2000 auf null Prozent im Jahr 2022 reduziert.
Armut beeinträchtigt die Gesundheit, Entwicklung und das Lernen von Kindern – mit Folgen wie schlechteren Berufsaussichten, kürzerer Lebenserwartung sowie erhöhten Raten von Depressionen und Angststörungen. Der Bericht betont, dass besonders junge Kinder, Kinder mit Behinderungen und Kinder in Krisenkontexten gefährdet sind.
Der Bericht untersucht auch monetäre Armut, die den Zugang zu Nahrung, Bildung und Gesundheitsdiensten weiter einschränkt. Laut aktuellen Daten leben mehr als 19 % der Kinder weltweit in extremer monetärer Armut, das heißt mit weniger als 3 US-Dollar (2,50 €) pro Tag. Fast 90 % dieser Kinder leben in Subsahara-Afrika und Südasien.
Der Bericht enthält außerdem eine Analyse von 37 Ländern mit hohem Einkommen. Rund 50 Millionen Kinder – oder 23 % der Kinderpopulation in diesen Ländern – leben in relativer monetärer Armut. Das bedeutet, dass ihr Haushalt deutlich weniger Einkommen hat, als die meisten anderen im jeweiligen Land, was ihre Fähigkeit einschränken kann, vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Während die Armut in den 37 Ländern zwischen 2013 und 2023 durchschnittlich um 2,5 % sank, stagnierte oder kehrte sich der Fortschritt in vielen Fällen um. In Frankreich, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich stieg die Kinderarmut beispielsweise um mehr als 20 %. Im gleichen Zeitraum senkte Slowenien seine Armutsquote um mehr als ein Viertel, vor allem dank eines starken Familienleistungssystems und Mindestlohnregelungen.
Laut den Daten des Berichts leben 17,9 % der Kinder unterhalb der Armutsgrenze (2023), ein Anstieg von über zehn Prozent seit 2018. Besonders besorgniserregend ist die Tiefe und Dauer der Armut: Kinder in einkommensarmen Haushalten liegen im Schnitt 19,8 % unter dem Schwellenwert, und 10,6 % sind von anhaltender Armut betroffen. Während die realen Einkommen leicht gestiegen sind, hat sich die relative Armut um mehr als 20 % verschärft, was auf wachsende Ungleichheit hinweist. Auch nicht-monetäre Aspekte zeigen Herausforderungen: 4,8 % der Kinder leben in Haushalten mit schwerer materieller Deprivation, 12,9 % der 15-Jährigen haben kein eigenes Zimmer, und 8,8 % der Jugendlichen berichten, mindestens einmal pro Woche nicht gegessen zu haben, weil kein Geld für Essen vorhanden war. Digitale Exklusion ist hingegen kaum ein Problem.
„Der Anteil der armutsgefährdeten Kinder ist im vergangenen Jahr gestiegen. Einer aktuellen Erhebung des Statistischen Bundesamts zufolge waren 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren betroffen – das entspricht einem Anteil von 15,2 Prozent, bezogen auf die Altersgruppe. Ein Jahr zuvor hatte der Anteil erst 14,0 Prozent betragen“, schreibt Spiegel Online vor wenigen Tagen auf der Basis aktueller Zahlen des deutschen Statistischen Bundesamtes.
Laut EU-SILC 2024 sind 344.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie 666.000 Frauen und 518.000 Männer ab 18 Jahren von Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung betroffen. 23 % aller Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten sind unter 18 Jahre alt. Das Risiko von Kindern und Jugendlichen für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung beträgt 21 % und liegt damit über dem der Gesamtbevölkerung (16,9 %).
„Kinderarmut bedeutet gesellschaftlichen Ausschluss, raubt Perspektiven und hindert eine gesunde Entwicklung. Sie ist kein Schicksal, sondern eine Aufgabe, die entschlossen angepackt werden muss. Durch die konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Kindergarantie und die Einführung einer Kindergrundsicherung wird die Grundlage für eine Gesellschaft, in der jedes Kind die Chance erhält, sicher und gesund aufzuwachsen, geschaffen“, erklärt UNICEF Österreich Geschäftsführer Christoph Jünger.
The State of the World’s Children 2025 zeigt, dass die Beendigung der Kinderarmut erreichbar ist, und hebt die Bedeutung hervor, Kinderrechte – wie in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegt – in den Mittelpunkt aller staatlichen Strategien, Politiken und Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu stellen, indem:
Der Bericht erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem viele Regierungen weltweit ihre Auslandshilfe zurückfahren. Laut The Lancet könnten Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit bis 2030 zum Tod von 4,5 Millionen Kindern unter fünf Jahren führen. Gleichzeitig zeigen aktuelle UNICEF-Schätzungen, dass infolge dieser Kürzungen bis nächstes Jahr sechs Millionen Kinder zusätzlich nicht zur Schule gehen könnten.
„Schon vor der globalen Finanzierungskrise hatten viel zu viele Kinder keinen Zugang zu ihren grundlegenden Bedürfnissen, nun droht sich die Lage deutlich zu verschlimmern“, sagte Russell. „Dies ist nicht der Moment, sich zurückzuziehen. Es ist die Zeit, auf den hart erarbeiteten Fortschritten für Kinder aufzubauen. Regierungen und Unternehmen können dazu beitragen, indem sie Investitionen in zentrale Dienste für Kinder stärken, um sie gesund und geschützt zu halten, und indem sie sicherstellen, dass sie Zugang zu essenziellen Dingen wie guter Ernährung haben – insbesondere in fragilen und humanitären Kontexten. Investitionen in Kinder schaffen eine gesündere und friedlichere Welt – für alle.“
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