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Kinderfüße - um die Anonymität dieser Kindergartenkinder zu wahren
Kinderfüße - um die Anonymität dieser Kindergartenkinder zu wahren
10.10.2022

Kinderarmut wird auch in Kindergärten gespürt

Volkshilfe und Kinderfreunde stellten Umfrage unter Elementarpädagog:innen rund um Kinderarmut vor, und eine Broschüre mit Praxisbeispielen für die Behandlung des Themas mit Kindern.

Kinderarmut ist im Kindergarten angekommen. Na klar. Aber, die Elementarpädagog:innen merken sie. Und sie tun sich mehr als schwer, damit umzugehen: Wie sollen sie das Thema – mit Kindern – ansprechen und bearbeiten?

Dazu stellten Volkshilfe und Kinderfreunde am Montagvormittag eine Umfrage unter Elementarpädagog:innen vor. Zwischen Anfang August und Mitte September wurde online auf möglichst vielen Kanälen – auch via Social Media – viel dazu gefragt. 540 Pädagoginnen und Pädagogen – ein Viertel davon mit mehr als 25 Jahren Berufserfahrung, mehr als ein Drittel in Leitungsfunktionen – hatten geantwortet.

Volkshilfe-Armutsexpertin Hanna Lichtenberger
Hanna Lichtenberger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Kinderarmut bei der Volkshilfe Österreich

Ergebnisse knapp zusammengefasst: Viel über die finanziellen Lebensbedingungen der Kinder in ihren Einrichtungen wissen die wenigsten (5%), ein weiteres Drittel schätzt dieses Wissen als „ausreichend“ ein. Antworten kamen aus allen Bundesländern, aus Wien überproportional (mehr als 55 %) sowie allen Trägerformen (städtisch, privat, elternverwaltet). Trotz nicht detaillierter Kenntnisse nehmen Elementarpädagog:innen aber wahr, wenn Kinder weniger gut – gewandmäßig beispielsweise – ausgestattet sind, Eltern Schwierigkeiten haben, die Gebühren oder Beiträge (Essen, Ausflüge…) zu bezahlen.

16 Prozent der Antwortenden bemerkten stark, dass Familien die aktuelle Teuerung belasten, weitere fast 45 % nehmen das doch „ein wenig“ wahr. „9 von 10 Fachpersonen sagen, dass sie die Auswirkungen des Aufwachsens in Armut bereits bei Kindern unter sechs Jahren beobachten können. Ein erschütterndes Votum, das den hohen politischen Handlungsbedarf einmal mehr überdeutlich zeigt“, so Hanna Lichtenberger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Kinderarmut bei der Volkshilfe Österreich, zur aktuellen Umfrage.

Wenig vorbereitet

Auf den Umgang mit armutsbetroffenen Familien fühlen sich hingegen durch ihre Ausbildung lediglich ein Fünftel genügend, allerdings mehr als ein Drittel nicht genügend vorbereitet. „In der Ausbildung muss mehr Platz für den Kompetenzerwerb zu armutssensiblem Handeln geschaffen werden. Das ist ein Auftrag an die Schulen, die Träger und die Politik“, so Jürgen Czernohorszky, Bundesvorsitzender der Kinderfreunde Österreich. „Es zeigt sich einmal mehr, wie dringend notwendig eine breite Reform der Ausbildung der Elementarpädagog:innen ist. Die Bundesregierung ist gefordert, diese endlich auf den Weg zu bringen. Wir brauchen hier eine bundesweite Offensive in Quantität und Qualität und das bedeutet letztlich auch mehr Ressourcen für die Ausbildung. “

Mehr Personal und Zeit

Natürlich würde den Fachkräften nicht nur bessere Vorbereitung auf solch ein heikles Thema – es geht ja darum, keines der Kinder aus armutsbetroffenen Familien zu beschämen oder gar zu erniedrigen – helfen, sondern selbstverständlich, wenn es ausreichend Personal gäbe. Dann könnten die Kolleg:innen auch im Team darüber sprechen, sich Konzepte überlegen, wie sie damit umgehen. Außerdem wünscht sich fast die Hälfte der 540 Antwortenden „mehr Informationen über (finanzielle) Unterstützungsangebote“, um diese an Eltern weiterzugeben.

Judith Ranftler, Jürgen Czernohorszky, Hanna Lichtenberger, Daniela Gruber-Pruner
Judith Ranftler, Jürgen Czernohorszky, Hanna Lichtenberger, Daniela Gruber-Pruner

Pro Kindergrundsicherung

Mehr als die Hälfte der 540 Pädagog:innen befürwortet das Konzept der „Kindergrundsicherung“, wie sie die beiden, aber auch viele andere Organisationen fordern, stark, fast ein weiteres Drittel spricht sich eher dafür aus. Das Konzept sieht 200 Euro pro Kind und Monat – für jedes Kind unabhängig vom Einkommen – plus gestaffelt je nach Einkommen zusätzliche Beträge bis 425 Euro vor. „Wobei diese Beträge, die wir vor zwei Jahren berechnet haben, natürlich gerade angesichts der aktuellen Teuerung angehoben werden müssten“, so Judith Ranftler von der Volkshilfe zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … Auf der Basis der genannten Zahlen würde sich ein jährlicher Finanzbedarf von rund zwei Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung ergeben. Damit wäre aber kein Kind mehr von Kinderarmut betroffen; derzeit ist es fast jedes vierte Kind, andere Berechnungen gehen immerhin auch von jedem fünften Kind in Österreich aus.

Ihre eigenen Einrichtungen als erste Stufe der Bildungseinrichtungen sehen die Pädagog:innen gerade auch für armutsbetroffene und -gefährdete Kinder als einen großen Mehrwert. Weil sie ihn – unabhängig vom Einkommen der Eltern besuchen können, dort regelmäßige, auch warme Mahlzeiten, bekommen und soziale Kontakte mit anderen Kindern – auch aus anderen Schichten – pflegen.

Praktische pädagogische Beispiele und Tipps

Die beiden Organisationen stellten aber nicht nur diese Antworten der 540 Pädagog:innen vor, sondern auch eine Broschüre „Kinderarmut erkennen & handeln“. Neben Hintergrundfakten zur sozialen Lage von Kindern in Österreich enthält das Heft – das es auch online zum Download gibt – eine Sammlung von Spiele, Liedern, Büchern und Aktionen, die Pädagog:innen mit Kindern in den Gruppen bearbeiten können. Oder auch eine Tauschbörse für Gewand und Spiele im Kindergartenfoyer – auch als Nachhaltigkeits-Beitrag. „Denn Kinder haben ohnehin ein sehr starkes Gerechtigkeitsempfinden und Ungerechtigkeit empört viele Kinder sehr“, sagt Daniela Gruber-Pruner von den österreichischen Kinderfreunden.

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