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Montage aus mehreren Fotos - Mahsan Ehsani bei ihrer Finalrede, mit Freund:innen in einer Pause hinter dem Redepult und beim Spaziergang in der Natur
Montage aus mehreren Fotos - Mahsan Ehsani bei ihrer Finalrede, mit Freund:innen in einer Pause hinter dem Redepult und beim Spaziergang in der Natur
25.06.2022

Rassismus, Klimakrise: nicht wegschauen, aktiv was dagegen tun!

„SAG’S MULTI!“-Finalist:innen-Serie (5): Telefoninterview mit Schülerin über rassistische Erfahrungen, Diversität und Zivilcourage.

Ihr halbes Leben verbringt sie schon in Österreich. Während sie sich in der Schule aufgehoben und wohl fühlt – „wir sind eine internationale Klasse, in der rund 80 Prozent Migrationshintergrund haben“ – erlebt Mahsa Ehsani im Alltag außerhalb der Schule immer wieder Beschimpfungen. „So ist einmal ein Mann mit dem Fahrrad an mir vorbeigefahren und hat mir zugerufen Sch…Taliban“, erinnert sich die 16-Jährige, die in Afghanistan geboren wurde und deren Familie in den Iran flüchtete. Wo Menschen aus Afghanistan sehr oft als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, wenig bis keine Rechte haben, weshalb sich die Familie entschloss, weiter zu flüchten. Und 2015 in Österreich landete.

Mahsa Ehsani bei ihrer Finalrede von
Mahsa Ehsani bei ihrer Finalrede von „SAG’S MULTI!“

„Die ständige Verachtung und Entmenschlichung seitens der Gesellschaft und der Politik trieb uns letztendlich nach Europa. Hier angekommen dachte ich wir hätten all den Hass hinter uns. Dachte die Wunden könnten nun endlich heilen. Doch es dauerte nicht lange bis ich anfing, daran zu zweifeln“, berichtet sie darüber in ihrer Vorrunden-Rede von „SAG’S MULTI!“ 2021/22. Am Sonntag werden in einer großen Abschlussveranstaltung im Wiener Rathaus 27 Preisträger:innen der 13. Auflage des mehrsprachigen Redebewerbs ausgezeichnet. Jugendliche – von der 7. Schulstufe an bis zum Ende der Schulzeit (also 12. oder 13. Schulstufe in BHS) – treten mit Reden an, in denen sie jedenfalls Deutsch verwenden (müssen) und einer anderen, frei gewählten Sprache – Erst- oder Familien- bis erlernte Fremdsprachen. Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … veröffentlicht diese Woche täglich ein Interview mit einer/einem der Finalist:innen – Links zu den bisherigen Gesprächen sowie Detail-Infos zum Bewerb siehe unten am Ende dieses Beitrags.

Die Rednerin mit Freund:innen aus ihrer Klasse rund um das Redepult im ORF-Wien-Funkhaus
Die Rednerin mit Freund:innen aus ihrer Klasse rund um das Redepult im ORF-Wien-Funkhaus

Nicht wegschauen

Mahsa Ehsani wählte Farsi (Persisch, die Amtssprache im Iran aber auch in Afghanistan – als Dari – weit verbreitet). Um Rassismus – samt eigenen leidvollen Erfahrungen – kreiste ihre erste Rede. Und auch das Telefoninterview. „Ich kann zum Glück gut mit meiner Familie und Freundinnen und Freunden über rassistische Angriffe reden, wir ermutigen uns gegenseitig, überzeugen auch andere, nicht wegzuschauen, sich nicht alles gefallen zu lassen. Denn wenn alle immer wegschauen und nichts sagen, wird die Lage nicht besser, es wird dann nur schlimmer und rassistische Ideologie bekommt mehr Platz.“

In ihrer Klasse im Gymnasium am Augarten (1o. Bezirk in Wien, genannt Brigittenau) „sind alle offen und lernbereit, auch sich zu entschuldigen, wenn die eine oder der andere einmal etwas sagt, das rassistisch und ihr oder ihm gar nicht so bewusst ist“.

Engagiert gegen Klimakrise

Im Finale stellte sie Zivilcourage ins Zentrum ihrer Rede. Natürlich auch gegen Rassismus und für Frauenrechte, aber sie fasst den Begriff viel weiter: „Zivilcourage ist, wenn ich mir beim Kauf von Kleidung, sei es online oder im Shop, die Lage der Näherinnen und Näher aus Kambodscha oder China vor die Augen führe und bewusst meinen Modekonsum verringere. … Da ich der Überzeugung bin, dass auch solche kleinen Taten eine große Wirkung auf diese Industrie haben. Zivilcourage ist, wenn ich aufgrund der Klimakrise meinen Alltag umgestalte. Wenn ich mich also bewusst für öffentliche Verkehrsmittel entscheide oder wenn ich sparsamer mit unseren natürlichen Ressourcen umgehe. Versuche unnötigen Müll zu vermeiden und auch meine Familie und Freunde dazu bewege, klimabewusster zu leben.“

Die Rederin bei einem Spaziergang - fotografiert von ihrer Schwester
Die Rederin bei einem Spaziergang – fotografiert von ihrer Schwester

Medizin und sozial aktiv

In der Schule mag sie an Fächern am liebsten Deutsch, überhaupt alles Sprachen (derzeit Englisch und Latein) und Geschichte. Seit einem Jahr besucht sie nun dieses Gymnasium in Wien, „davor war ich in St. Pölten in einem Gymnasium, das war nicht so angenehm wie hier“, verrät sie dem Journalisten. Gefragt nach ihrem Berufswunsche, nennt Mahsa Ehsani: „Ich würde gern Medizin studieren, aber jedenfalls daneben auch sozial aktivistische Arbeit für mehr Gerechtigkeit und Diversität leisten.“

Angesprochen auf liebste Freizeitbeschäftigungen sagt die 16-Jährige: „Ich geh gerne spazieren in der Natur, um einen freien Kopf zu bekommen. Ich lese gerne – und suche gezielt Lektüre aus, derzeit die Autobiographie von Malcolm X, der sich in den USA für Bürgerrechte für Schwarze Menschen eingesetzt hat. Sein Engagement find ich sehr inspirierend.“

Follow@kiJuKUheinz

INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

SAG’S MULTI!

Der mehrsprachige Redebewerb „SAG’S MULTI!“ will seit Beginn Mehrsprachigkeit fördern – bei Gleichwertigkeit aller Sprachen. Und Schüler:innen eine Plattform und Forum geben, ihre Gedanken in Deutsch und jeweils einer anderen Sprache zu Gehör zu bringen.
Im 13. Jahr des Bewerbs, dem zweiten in dem der ORF „SAG’S MULTI!“ hostet, starteten im Herbst 410 Jugendliche aus 160 österreichischen Schulen – mit insgesamt 39 verschiedenen Sprachen. 161 redeten sich ins Bundesfinale – sie alle sind Sieger:innen. Dennoch werden bei der Schluss-Gala im Wiener Rathaus am 26. Juni Preise vergeben.
Vorgestellt werden die Preisträger:innen von Alumni, vormaligen Preisträger:innen, deren erfolgreiche weitere Wege ebenfalls präsentiert werden.

sagsmulti

In der ORF-TVthek können die Finalrunden nachgeschaut werden