KiJuKU-Gespräch mit fünf Schüler:innen, die – wie viele ihrer Oberstufen-Kolleg:innen die szenische Lesung mit Live-Musik „Adressat unbekannt“ erlebt hatten.
Mit Daniel, Markus und Robin sowie Moritz und Theresa setzten sich fünf der Oberstufen-Schüler:innen, die zuvor die 1 1/4 -stündige szenische Lesung mit Cello-Begleitung, -Untermalung und … verfolgt hatten in eine Interviewrunde mit Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Zu einer Besprechung dieser Veranstaltung geht es gleich hier unten.
Die ersten drei Genannten haben selber Theater-Erfahrung in der Bühenspielgruppe, Robin schreibt sogar am Stück, das ab Jänner geprobt und im Mai aufgeführt werden wird – ebenfalls in dem großen Festsaal hier im ersten Stock des Gymnasiums Hagenmüllergasse.
„Am Anfang hat es sich zwar ein wenige gezogen“, fügt Markus seinem allerdings ersten Satz hinzu: „Das Ende hat sich sehr spannend gestaltet, ab dort wo es direkter heftiger wurde in dem Briefwechsel der beiden und insbesondere Martin gar nicht mehr freundlich geschrieben hat.“
Theresa, die Jüngste – sie besucht die 6a, während die ersten drei Jungs in die 8b und Moritz in die 8a geht – meinte in ihrem ersten Satz: „Sehr, sehr gut. Gegen Ende schenken sie sich gegenseitig nichts mehr. Da hat auf einmal sogar Martin Angst, obwohl er vorher ja das System verteidigt hat.“
Daniel hebt neben dem inhaltlichen Spannungsbogen vor allem die Musik hervor, „die die Emotionen stark zum Ausdruck bringt“.
Markus verweist noch auf die deutliche Doppelmoral Martins. Am Ende, wo er selbst Angst hat, fleht er Max fast an, ihm ja nicht mehr zu schreiben, weil ihn der Kontakt zu einem Juden ja in Gefahr bringt. Aber als Max ihn gebeten hatte, sich um seine schauspielende Schwester, die aus Berlin flüchten musste, anzunehmen, da hat Martin sie glatt vor seiner Haustür von SA-Männern erschießen lassen.
KiJuKU wollte von den Jugendlichen auch wissen, ob sie sich möglicherweise in die Lage des einen oder des anderen hineinversetzen hätten können/könnten.
Robin packt zunächst die Erkenntnisse auch aus der Bühnenspielgruppe aus. „Wenn du eine Rolle spielst, musst du immer versuchen, nicht moralisch zu be- bzw. verurteilen, sondern dich in die Figur hineinzudenken. Bei Max ist das einfacher, weil der auch empathischer agiert.“
Daniel verweist auch auf den Aspekt der Propaganda, die offenbar bewirkt habe, wie schnell Martin sich von einem Liberalen zu einem Nazi entwickelt habe – im Übrigen ja nicht einmal Mitläufer, sondern mit führender Funktion in seiner Stadt.
„Und wie stark das schon in seiner Psyche verankert ist hat, zeigt ja auch, dass die Familie den jüngsten Sohn ausgerechnet Adolf nennt.“
Moritz konnte sich gut in Max hineinversetzen. Theresa merkte an, dass zwar Max Reaktion, weiter Briefe zu schreiben, um mehr zu erfahren, was Martin zu seiner Entwicklung getrieben habe, aber, „dass er ihn jetzt in Gefahr bringt, verstehe ich zwar, weil Martin ja Max‘ Schwester nicht geholfen hat, aber er macht sich ja jetzt auch schuldig, wenn ihm was passiert.“
Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… wollte dann noch wissen, ob die fünf Jugendlichen denken oder meinen, so etwas wie die Entwicklung in Deutschland vor rund 90 Jahren könne sich heute wiederholen.
Praktisch alle sehen Gefahren in bestehendem und leider auch (wieder) zunehmendem Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Ausgrenzung. Und diese können sich „dank“ Social Media schnellerer und größerer Verbreitung bedienen. Die seien noch effizienter als die Propagandamethoden der Nazis seinerzeit, meinte Moritz. „Und durch die Mittel von KI (Künstlicher Intelligenz) kann Hass-Propaganda noch überzeugender verbreitet werden“, gibt Daniel zu bedenken. Auf die Frage, wie damit direkt in der Schule damit umgegangen werde, kommt die erste spontane Antwort: „Unterschiedlich“. Die drei 8b-Schüler schwärmen fast von kompetenter Auseinandersetzung sowohl in Geschichte als auch in Deutsch, fügen aber gleich hinzu, „das ist in der Schule aber doch die Ausnahme. Wobei der Kollege aus der Parallelklasse hinzufügt, dass „wir uns aktuell in Geschichte und Ethik ausführlich mit dem brennenden Nahostkrieg beschäftigen. Auseinandersetzung mit Medienkompetenz spielt aber sonst bei uns weniger Rolle. Die Kollegin aus der sechsten wirft ein, erst seit Anfang dieses Schuljahres hierher gewechselt zu haben von einer privaten AHS weg und merkt an: „Dass Lehrerinnen und Lehrer in Privatschulen besser sind, ist ein Gerücht.“ Und ergänzt: „Ich finde es wichtig, dass Lehrkräfte Kindern und Jugendlichen nicht Meinungen aufdrängen.“