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Jeremy-James Janisch, Damir Hofbauer, Jerome Usman, Keanu Bacco, Mayar Dawoud, Jasmin Weinmüller,
Jeremy-James Janisch, Damir Hofbauer, Jerome Usman, Keanu Bacco, Mayar Dawoud, Jasmin Weinmüller,
22.07.2021

Wie in einem dunklen Raum ohne Türen und Fenster – und viele Auswege

Jugendliche schildern, wie es ihnen in der Pandemie ergangen ist, aber noch viel mehr haben sie Vorschläge für Wiedergutmachungen bzw. Verhinderungen von Lockdown-Folgen.

Er habe sich gefühlt wie in einem total schwarzen Raum ohne Fenster und Türen, beschreibt Jeremy-James Janisch (19) gegenüber Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr … die Zeit im zweiten Lockdown als er nicht arbeiten durfte. Der mittlerweile ausgelernte Einzelhandelskaufmann erzählt am Rande des Mediengesprächs der Wiener Jugendzentren darüber, was Jugendliche jetzt ziemlich dringend brauchen, dass er im ersten Lockdown das Glück gehabt hatte, voll arbeiten zu dürfen. „Auch wenn wir zu gehabt haben (er arbeitet bei Libro und damit nicht im Lebensmittelhandel oder einer Apotheke) gab es Lieferungen, die entgegengenommen werden mussten und vieles andere. Aber im zweiten Lockdown musste ich dann zu Hause bleiben, die Decke ist mir bald auf den Kopf gefallen.“

Jugendlicher Jeremy-James Janisch
Jermey-James Janisch

Offen geworden und dann das …

Für ihn sei das besonders schwierig gewesen, weil er zwar als Kind zurückhaltend gewesen sei, „aber als Jugendlicher wurde ich viel offener und möchte gern für andere Menschen da sein, darum hab ich mir ja den Beruf im Handel ausgewählt“. Und so kam’s zum eingangs geschilderten Bild. Janisch ließ sich dennoch nicht unterkriegen, versuchte mit anderen darüber zu reden. Und fasste dabei beim Treffen mit einer Freundin zum Spazierengehen auf der Donauinsel – mit Maske und viel Abstand – obendrein eine Polizeistrafe von 500 € aus. „Und das war schon ein bisschen komisch. Die haben nicht einmal gegrüßt und außerdem sind vor uns vier andere Jugendliche gegangen, zu denen haben sie nichts gesagt. Meine Bekannte kommt aus Ägypten und hat ein bisschen dünklere Hautfarbe!“

Der Bursch wandte sich an die Betreuer:innen im Jugendzentrum, „die haben mir bei einem Einspruch geholfen, wodurch die Strafe halbiert und später nach Dutzenden Anrufen ganz zurückgenommen worden ist, weil sich herausgestellt hat, dass sie rechtswidrig war.

Jugendzentren zu

Apropos Jugendzentren: Die waren in den diversen Lockdowns immer wieder zwangsweise zu. Es wurde zwar rasch auf Online-Beratung/-Kommunikation umgestellt. Die vielen Online-Stunden im Distance-Learning vergällten vielen Jugendlichen aber durchaus solche Angebote.

Und ein zweites Apropos zu Jugendzentren: Es sollte mehr von diesen Einrichtungen geben bzw. zumindest mehr Infos, dass und wo es solche gibt. Dies ist eine der Anregungen von Mayar Dawoud die sie im Gespräch mit dem Reporter aufzählt. Eine ganze, lange, umfangreiche List hat sich die angehende Maturantin im Sigmund-Freud-Gymnasium (Wien-Leopoldstadt) für das Mediengespräch überlegt.

Insgesamt hatte sie und ihre Mitschüler:innen, so schildert die 17-Jährige, „fürs Distance-Learning den Vorteil, dass wir schon in der 5. Klasse das Fach POP – Planen, organisieren, präsentieren – gehabt haben. In zwei Wochenstunden haben wir da unter anderem Zeitmanagement gelernt.“ Aus dieser Erfahrung habe sie sich jeweils einen Wochen- und daraus Tagespläne und To-do-Listen erstellt. Abgesehen davon, dass alle Schulen so was vermitteln sollten, bedauert Dawoud jene in ihrer Schule, die das eben zu den Lockdown-zeiten noch nicht hinter sich hatten, denn gerade das wäre online viel schwerer zu vermitteln als im Präsenzunterricht.

Mayar Dawoud und Jasmin Weinmüller
Marya Dawoud und Jasmin Weinmüller

Ausführliche Liste

Aber zu der Liste der Vorschläge der Leopoldstädter Schülerin:
* Es sollte mehr Möglichkeiten für Sommerjobs, aber auch für bezahlte Aktivitäten unterm Schuljahr geben,
* Schnuppertage an Universitäten oder auch für die Medizin-Aufnahmeprüfung
* in der Schule sollten mehr Alltagsdinge wie etwa  Bewerbungen und Verfassen von Lebensläufen gelehrt werden
* Volkshochschulen sollten Gratis-Lernhilfe auch für die Oberstufe anbieten wie es sie schon für die Unterstufe gibt
* Für gute Noten sollte es mehr Belohnungen geben – wie Gratis-Eis
* Mehr Ferien – zum Beispiel im Mai wo es ohnehin viele Feiertage gibt
* Auftritte von Jugendlichen im Fernsehen, wo sie ihre Forderungen, Wünsche, Ansichten vorbringen können
* Mehr Sport- und andere Aktivitäten in Gemeindebau-Höfen und Stadt- und Bezirksvierteln
* offene Geschäfte an Sonntagen
* UND Schluss mit verwirrenden Verordnungen und Bestimmungen, was, wann wo gilt wie es in den vergangenen fast 1 ½ Jahren immer wieder der Fall war.

Computer teilen

Straight und tough stellt Mayar Dawoud nicht nur dem Reporter gegenüber, sondern auch später im großen Mediengespräch ihre ausgefeilte Liste vor. Dabei hatte sie’s trotz super-Selbstorganisation auch nicht ganz leicht, immerhin musste sie sich mit vier der sechs Geschwister einen Computer und zwei Laptops fürs Home-Schooling teilen. Ihr Glück, dass sie nach Fußball in der Volksschule und Karate in der Unterstufe auf Laufen und Joggen in der Oberstufe umgesattelt hatte.

Raummangel

Ihre Schulkollegin Jasmin Weinmüller, ein Jahr jünger und eine Klasse drunter im selben Gymnasium hat drei Geschwister und einen Vater, der im Home-Office arbeiten musste. „Wir haben zwar Laptops für alle fünf, aber wenn er ein Online-meeting und wir alle Online-Unterricht hatten, war’s trotzdem schwer, weil wir nicht so viele verschieden Räume in der Wohnung haben.“ Wie alle anderen wünscht sie sich nie wieder einen Lockdown und damit Home-Schooling.

Mangel an Sport

Jerome Usman (14), der im Herbst in der Höheren Schule für Tourismus in der Bergheidengasse beginnt, wünscht sich jetzt als Ausglich für die vergangenen fast eineinhalb Jahre die Förderung von mehr sportlichen Aktivitäten nicht zuletzt im Freien (siehe auch Artikel zum Maßnahmenpaket mit Freizeitpass und Gratis-Zugängen zu Sportangeboten), „weil Tischtennis mit Masken im Jugendzentrum ist schon recht anstrengend“.

Sport ist auch für Keanu Bacco (16, Gymnasium Schulschiff und derzeit Ferialjob bei einem Autofahrerclub in der Abteilung Interessensvertretung) ein wichtiges Anliegen. Darüberhinaus wünscht er sich „besonders Anlaufstellen, an denen man über aktuelle Probleme, egal ob es sich hierbei um schulische, mit den Freunden oder sogar der Familie handelt. Das kann ungefähr so sein wie das Jugendzentrum.“

Damir Hofbauer (14 Jahre) hat das Glück, dass „ich mich mit meiner Schwester gut verstehe, so war es zu Hause im Home-Schooling nie langweilig. Trotzdem war’s schwierig, lange zeit nicht rausgehen zu dürfen oder keinen Sport betreiben zu dürfen. Jetzt hoff ich, dass wir mit dem Jugendzentrum viele Ausflüge machen.“

Der 16-jährige Razul für den ein Auftritt vor Medien eine absolute Premiere war und der bat, nicht mit Foto aufzuscheinen, hat es – wie die allermeisten Jugendlichen „in den Lockdowns sehr vermisst, Freunde treffen zu können. Als ich draußen unterwegs war, habe ich eine Corona-Strafe bekommen. Aber in der Wohnung ist es sehr eng, wenn die ganze Familie zu Hause ist.“

Einmal nur 16 sein dürfen!

Vorab hinterließ der 15-jährige Azamat, der nach seinem Pflichtschulabschluss im Herbst in einem Gymnasium beginnt, folgendes Statement: „Ich wünsche mir ein Internetpaket zum Laptop, wenn es wieder einen Lockdown geben muss. Und ich fände es toll, wenn die Familienbeihilfe als Taschengeld ab 14 Jahren für alle Jugendlichen auf ein eigenes Jugendkonto überwiesen wird.“

Außerdem zitiert Selina Englmayer, eine der Mediensprecherinnen des Vereins Wiener Jugendzentren bei dem Event im J.at (Jugendtreff alte Trafik) neben der bekannten Studie der Donau-Universität Krems in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien – 55 Prozent leiden unter einer depressiven Symptomatik, die Hälfte unter Ängsten, ein Viertel unter Schlafstörung und 16 Prozent haben suizidale Gedanken * – eine 16-Jährige, die seufzend von sich gegeben hatte. „Ich würd so gern einfach einmal 16 sein dürfen!“

Follow@kiJuKUheinz

Zur Studie der Donauuni Krems gemeinsam mit der Meduni Wien.