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Vor der Vorstellung führt der Schauspieler blinde und sehschwache Besucher:innen und deren Begleiter:innen durch die Bühne. So können diese Requisiten im wahrsten Sinn des wortes be-greifen
Vor der Vorstellung führt der Schauspieler blinde und sehschwache Besucher:innen und deren Begleiter:innen durch die Bühne. So können diese Requisiten im wahrsten Sinn des wortes be-greifen
30.03.2025

Besonders gut war, dass wir vorher alles be-greifen konnten

Eine Vorstellung mit Audi-Kommentaren im „Zirkus des Wissens“, KiJuKU-Gespräche mit Blinden und Sehbeeinträchtigten.

„Baustelle Demokratie“ folgte als Podiumsdiskussion auf die Vorstellung „WIR! Eine Solo-Show“, die den Untertitel „Sie müssen ja nicht meiner Meinung sein…“ trug – Stückbesprechung am Ende des Beitrages verlinkt.

Für einige Besucherinnen und Besucher begann der Nachmittag im „Zirkus des Wissens“ an der Linzer JKU, der Johannes-Kepler-Universität, aber schon mehr als eine halbe Stunde vor dem Stück. Organisiert von diesem Theater und über den oberösterreichischen Blindenverband an die Betroffenen herangetragen, konnten Gästinnen und Gäste, geführt vom Schauspieler Andreas Pfaffenberger, der gemeinsam mit Martina Winkel das Stück auch entwickelt hatte, die Requisiten und Kulissenteile auf der Bühne im wahrsten Sinn des Wortes be-greifen. Ob die papierene Krone, das kleine Papiertheater mit seinen dünnen, metallenen Stangen, auf die Papierfiguren eingehängt werden können, das große Podest, kleine Servierwägen, künstliche Olivenbäume, den Schreibtisch mit seinem Chaos…

Knapp unter dem Dach des
Knapp unter dem Dach des „Zirkus des Wissens“ sitzt Alexandra Kloiber in der Regie-Kabine mit Blick auf Bühne und Publikumsreihen und spricht laut zum Stück den Audio-Kommentar für Blinde und Sehschwache

Knopf im Ohr

Und während der Vorstellung setzten sich jene Theaterbesucher:innen, die das Geschehen wenig bis gar nicht sehen konnten, einen kleinen Kopfhörer ins Ohr, schalteten davor schon ein kleines Gerät ein, und bekamen erklärt und geschildert, was sich auf der Bühne abspielte. Wo der Schauspieler sich gerade befand, was er tat, welche Gegenstände er in die Hand nimmt – all das, was die anderen Besucher:innen sehen konnten. Das zweite Ohr blieb jedenfalls frei, denn was er sprach, das konnten sie ja hören!

Für die Audio-Deskription sorgte von der Regie-Kabine knapp unter dem Dach des Theaters Alexandra Kloiber, selber Schauspielerin, seit mehr als zehn Jahren (ab 2012) vor allem aber auch Live-Kommentatorin in Theatern und fürs Fernsehen. Theatermäßig vor allem in Graz und Wien, nun zum ersten Mal in Linz.

Extra angereist

„Vor allem das Stück war super“, beginnt Edith Kohn nach Vorstellung und Diskussion im Gespräch mit Kinder I Jugend I Kultur I und mehr… „und mit der Audiobeschreibung haben auch wir was davon, nur ein oder zwei Mal kam der Kommentar mitten rein, wenn der Schauspieler gesprochen hat. Ich bin extra aus Niederösterreich hergefahren. Sonst fahr ich öfter nach Graz, wo oft etwas für uns Blinde audiokommentiert wird oder nach Wien in ein Theater. Übers Internet erfahr ich vom Blindenverband immer, wo etwas für uns gespielt wird.“

Warum nicht im Musiktheater auch?!

Häufig ist Regina Welles gemeinsam mit der zuvor genannten Besucherin unterwegs. Sie selber ist aus dem oberösterreichischen Enns, Edith Kohn aus dem benachbarten aber schon in Niederösterreich liegenden Ennsdorf. Sie schwärmt von Graz, „wo es oft Audiokommentare gibt, in Linz leider selten. Dabei könnte das tolle Musiktheater doch wenigsten ein bis zwei Mal im Jahr, vielleicht einmal im Frühjahr und einmal im Herbst so wie die Grazer Oper ein Stück einsprechen, so dass wir auch was davon hätten.“ Das Musiktheater hat wie die Oper in Wien an jedem Sitzplatz einen kleinen Monitor für Untertitel – davon haben Gehörlose und Gehörbeeinträchtigte etwas. „Ich hab das Gefühl, bei Barrierefreiheit wird oft auf uns Blinde vergessen“, kommt ein Zwischenruf aus der Runde der um den Reporter stehenden Besucher:innen.

ORF hat zu wenig Audio-Kommentare

„Sehr zufrieden mit der heutigen Vorstellung“, zeigt sich auch Edith Rosenthaler. „Das Stück war sehr gut gemacht. Besonders gut war, dass wir vorher alles angreifen konnten. In Graz gibt’s das auch immer wieder.“ Sie geht gern und oft in Theaterstücke, Operetten, „aber leider gibt’s Audiobeschreibungen nur in Graz und Wien. Mein Mann, der sieht, begleitet mich immer, aber es ist unangenehm, wenn er mir was erklären will, weil dann sofort alle rundherum zischen „pscht“, daher gehe ich nur dann, wenn die Vorstellung audiokommentiert wird. Außer ins Kabarett, da braucht es das nicht, das lebt allein vom Gesprochenen, das ist super.“

Sie – und da fallen ihre Kolleginnen und Kollegen gleich ein – bedauern, dass es „auch im ORF viel zu wenige Audiokommentare gibt. Im Sport ja, beim Skifahren und Fußball, aber ansonsten gibt es auf deutschen Sendern viel öfter Audio-Deskripiton!“

Demokratiepädagogik und politische Bildung…

… standen im Zentrum der eingangs erwähnten Podiumsdiskussion nach der Vorstellung „WIR! Eine Solo-Show“. Organsiert wurde diese vom Zirkus des Wissens in Zusammenarbeit mit der Studierenden-Vertretung des Masterstudiums Politische Bildung. Im Podium sprachen Robert Hummer von der Pädagogische Hochschule Salzburg, Claudia Fahrenwald von der PH Oberösterreich, wo erst wenige Tage dvor der fünfte Geburtstag des Projekts „Demokratie in Schule leben“ gefeiert wurde und Eric Amelin (Leiter der Agentur Müllers Freunde, die unter anderem die Demokratiewerkstatt des österreichischen Parlaments durchführt). Moderation Martina Kapsammer von der Studierenden-Vertretung hatte Fragen vorbereitet.

Wichtig sei, nicht reine Institutionenkunde wie Anzahl der Abgeordneten im Nationalrat auswendig und abprüfbar zu lernen, sondern unterschiedliche und gegensätzliche Standpunkte zu diskutieren einerseits und Mitbestimmung zu erleben andererseits. Sicher viele spannenden Beiträge, im Sinne des „Wir“ und von Demokratie und Mitbestimmung wäre es nicht schlecht (gewesen), den Podiums-Teil knapper zu halten und mehr Zeit und Raum fürs Publikum zu gewähren.

kijuku_heinz

Theater4alle