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Bildmontage aus Fotos aus Proben für das DWG-Festival im MQW und einem Screenshot der Homepage dieses Festivals "Demokratie, was geht?"
Bildmontage aus Fotos aus Proben für das DWG-Festival im MQW und einem Screenshot der Homepage dieses Festivals "Demokratie, was geht?"
21.09.2023

Jede Stimme braucht – und kriegt hier – eine Bühne…

„Demokratie, was geht?“ – 3-tägiges Festivals, in dem Jugendliche mit künstlerischen Mitteln ihre Gedanken, Wünsche, Forderungen an Teilhabe, Mitsprache und Partizipation zeigen und zu Gehör bringen. Lokalaugenschein an einem der letzten Probentage.

Auf der Bühne im Ankersaal in der Brotfabrik proben BeatBoxer:innen für ihren Auftritt beim Festival „DWG – Demokratie, was geht?“. Danach zeigen Breakdancer:innen ihre tänzerisch-akrobatischen Moves. Gleichzeitig kommt die Bitte, die Lautsprecher abzudrehen, weil auf der großen freien Fläche des Saals – üblicherweise für Publikum gedacht – eine Fashion-Performance erstmals geprobt werden will.
Ein bissl ist schon angespannte Hektik zu spüren. Immerhin sind es nur mehr wenige Tage bis zu den Live-Auftritten vor Publikum.

Festival mit 100 jugendlichen Künstler:innen

Das Festival bei dem insgesamt mehr als 100 Jugendliche ihre unterschiedlichsten künstlerischen Statements mit Gedanken, Wünschen, Forderungen zu (mehr) Demokratie, Teilhabe, Partizipation zeigen und zu Gehör bringen steigt vom 21. bis 23. September im Wiener MuseumsQuartier (Details in der Infobox am Ende des Beitrages).

Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… durfte am Wochenende vor dem Festival im Kulturareal Brotfabrik in Wien-Favoriten ein paar Stunden bei Proben zuschauen und -hören; vier der jugendlichen Künstler:innen gaben auch kurze Interviews. Die Fashion-Performance ist eine ziemlich komplizierte. Leopold hat ein weißes kleidartiges Gewand an, aus dem fast ein Dutzend urlange Stoffrollen laaaangsam abgewickelt werden sollen/müssen. Wer gerade Hände frei hat und nicht anderweitig im Einsatz ist, greift sich eine der Rollen. Langsam und würdevoll schreitet Leopold vom hinteren Ende des Saals in Richtung Bühne.

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Auf dem Boden sind die Teile der Ovalhalle des MQ mit weißen Klebestreifen markiert. Die Rollen werden Drehung für Drehung abgewickelt, schwarze Schrift kommt zum Vorschein, verschiedene Alphabete – lateinisch, arabisch, kyrillisch – in vielen Sprachen. Auf Deutsch ist – sobald das Banner einigermaßen abgerollt ist u.a. zu lesen: „Mitreden, wenn ihr über uns redet“. Ähnliches bedeuten die Losungen und Forderungen auf Arabisch, Farsi, Ukrainisch, Türkisch… Viele dieser Jugendlichen dürfen, auch wenn sie schon 16 Jahre sind, nicht wie ihre Alterskolleg:innen wählen. Selbst solche nicht, die schon praktisch das ganze Leben hier verbringen, weil ihnen die österreichische Staatsbürgerschaft fehlt/verwehrt wird.

Plakate

In einer Ecke im Vorraum malt jemand ein weiteres Plakat, dahinter lehnt eines zum Trockenen auf dem steht: Jede Stimme braucht eine Bühne. Hinter einem Vorhang eines anderen Bereichs des Ankersaal-Vorraums ertönt afghanische Musik. Der Reporter darf Blicke dahinter werfen. Einige Jungs üben einen Tanz ein. Beim Festival werden sie selber einen Workshop anbieten, bei dem Besucher:innen, die Interesse haben, spielerisch die Grundschritte eines ihrer Volkstänze kennenlernen können. Solche Workshops wird es auch für serbische und jemenitische Tänze geben.

Die Jugendlichen, die ihre Kunst(werke) – von gemalten Bildern über Skulpturen bis zu Tänzen, Theaterstücken, Songs, und in anderen Performances (etwa Fashion) – vorstellen und vorführen, haben diese in den vergangenen Monaten in wöchentlichen – elf verschiedenen – Workshops entwickelt und erarbeitet. Kreativ-Mentor:innen und Jugendarbeiter:innen waren/sind die Coaches, die sie dabei unterstützten. Das Festival dient damit aber nicht nur der Präsentation dessen, was diese mehr als 100 Jugendlichen geschafft haben, sondern will auch jenen jungen Leuten, die zu Besuch kommen, sich die Kunst anschauen und -hören oder gar in Workshops mitmachen, in Talks mitdiskutieren, Mut machen, auch selber aktiv zu werden, sich auszudrücken, zu engagieren…

Über alles reden können

So manche der Jugendlichen sind erst hier in den Workshops draufgekommen, welche Talente in ihnen gesteckt haben. So schildert Kristina, mit 14 einer der Jüngsten, dass er zunächst über TikTok-Videos auf das Projekt aufmerksam geworden „bin und mir das dann bei einer Open Stage angeschaut und ich probiert habe, ein Lied zu covern. Da hab ich mich dabei wohlgefühlt, auf der Bühne gestrahlt.“ Als dann die Workshop-Leiter:innen sich von seinem Auftritt beeindruckt gezeigt haben, „bin ich beim Singen geblieben. Und als ich von meinem Traum erzählt habe, einmal eine Gitarre spielen zu lernen, wurde mir eine geborgt. Jetzt lern ich mit. YouTube- und tikTok-Videos Gitarre spielen!“

Ob er nicht bei seinem genannten allerersten Bühnenauftritt ein wenig Schiss hatte, will KiJuKU wissen: „Ein bisschen schon, aber ich hab’s gepackt und als mich dann alle gefeiert haben, war’s ein tolles Gefühl, das mich motiviert hat, weiterzumachen.“ Überhaupt fühle er sich in diesen Workshops hier sehr wohl, viel besser als in der Schule. „Hier kann man auch über alles reden, über Diskriminierungen oder dass eben alle gleichberechtigt sein sollen und können – egal welches Geschlecht, welche oder keine Religion und so weiter.“

Neu entdeckt

Auch die 23-jährige Ida entdeckte erst in diesen Workshops ihre Talente. „Ich hab vorher nie Theater gespielt und nie gebreackdanced“. Jetzt legte sie nicht nur akrobatische Tanz-Bewegungen aufs Parkett, sondern spielt auch in einem Theaterstück, „da bin ich eine toughe Immobilienmaklerin und kann meine böse Seite ausleben“, verrät sie dem Journalisten. Auf DWG ist sie zufällig gestoßen, „durch ein Insta-Reel vom Theater der Unterdrückten bin ich auf die Schnupperworkshops gestoßen“ – und wie zu sehen dabeigeblieben!

Evray im Interview
Evray im Interview

Vielsprachig

Evray zückt fast gleichzeitig mit dem Beginn des Gesprächs sein Handy, scrollt durch einige Musik-Clips, verbindet das SmartPhone via Bluetooth mit einer kleinen Lautsprecher-Box und beginnt zu singen – in dem Fall Arabisch. Der 22-jährige ist im syrischen Afrin erst mit Kurdisch, dann noch mit Arabisch aufgewachsen. Diese Stadt im autonom unter kurdischer Führung verwalteten Rojava wurde vor mehr als einem halben Jahrzehnt von türkischem Militär überfallen.

„Schon mit acht, neun Jahren hab ich zu schreiben begonnen, wollte dann auch singen. Aber meine Stimme find ich nicht so gut, darum hab ich mit Hip*Hop begonnen. Ich schreib Texte über das, was ich erlebt habe und erlebe – oder zum Beispiel darüber, dass ich meine Familie schon seit fünf Jahren nicht gesehen habe und sehr vermisse.“

Er selbst war schon vor der Besetzung Afrins in die Türkei geflüchtet, wo er in Istanbul jahrelang als Jugendlicher gearbeitet hat, „als Schneider und Kellner“. Seit knapp einem Jahr lebt er in Österreich. Deutsch ist seine zweite Fremdsprache, die er neben Englisch lernt, „Kurdisch, Arabisch und Türkisch kann ich wie Muttersprachen. Ich lern jetzt intensiv im Deutschkurs, dann will ich eine Ausbildung machen und am liebsten später mein eigenes Tonstudio gründen“, erzählt Evray, der mit eigenen Hip*Hop-Nummern beim DWG-Festival auftreten wird.

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„Kann Berge versetzen“

Kurz kommt auch Leopold – genau der in dem Gewand schreiten wird, dessen Schriftrollen schon oben geschildert wurden – zum Interview-Tisch: „Ich fühl mich sehr wohl dabei, auch wenn ich langsam und vorsichtig gehen muss“, sagt er zu Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… Und er freue sich schon auf den Auftritt im MuseumsQuartier.

„Wir sind immer wieder begeistert von der kreativen Energie junger Leute. Sie kann Berge versetzen und wir brauchen mehr davon, wenn wir uns ein harmonisches und vielfältiges Miteinander wünschen.“ Mit diesem Satz wird Mahir Yıldız, der Leiter und Erfinder des Projekts DWG – Demokratie, was geht?“ in der Presseaussendung zum Festival zitiert. Yıldız hat übrigens davor schon mit Jugendlichen vor allem partizipative Filmprojekte initiiert und geleitet wie „Echte Helden sind anders“ oder gemeinsam mit der Arbeiterkammer „Lockdown-Stories“ – die ihren Niederschlag in Berichterstattung auf KiJuKU.at gefunden haben.

Follow@kiJuKUheinz

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INFOS: WAS? WER? WANN? WO?

DWG – Demokratie, was geht?

Jugendliche gestalten Demokratie – Ein Festival der Künste mit Ausstellungen und Performances
Blder, Skulpturen, BeatBoxing, Rap, Hip*Hop, Fashion, Tanz, Workshops, Filme, DJ, Talks, Theater…

Wann & wo?

21. bis 23. September
MuseumsQuartier Wien, Ovalhalle und Arena 21
Kostenlos, barrierefreier Zugang
Zum detaillierten Programm geht es hier