Cornelia Funkes „Herr der Diebe“ in einer neuen Bühnenversion in Wien – Burgtheater-Spielstätte Kasino am Schwarzenbergplatz.
Der Applaus und Jubel nach der Premiere war riesengroß. Eben hatte das kleine Ensemble die große Geschichte „Herr der Diebe“ von Cornelia Funke in einer neuen, sehr dichten Bühnenversion des Regisseurs und genialem wandelbaren Bühnenbild gespielt. Rüdiger Pape (Regie und Stückfassung) hatte in dem Gebäude am Wiener Schwarzenbergplatz, wo die Burgtheater-Spielstätte Kasino untergebracht ist, einen venezianischen Palast gesehen, wie er anlässlich eines Probenbesuchs von Kinder I Jugend I Kultur I Und mehr… sagte. Was mitausschlaggebend war, diese Geschichte hier zu spielen. (Link zum Interview mit dem Regisseur am Ende des Beitrages.)
Venedig ist der Ziel- und Spielort der Geschichte. Prosper und sein erst fünfjähriger Bruder Bo flüchten aus Hamburg hierher. Ihre kürzlich verstorbene Mutter hatte von dieser Stadt am/im Wasser geschwärmt. Die kinderhassende Tante Esther Hartlieb will nur den Kleinen übernehmen, den Großen (ca. 12 bis 14 Jahre) in ein Heim stecken.
Die beiden finden in Venedig bei einer Gruppe von Kindern, die in einem stillgelegten Theater lebt, Unterschlupf. Der Chef, „Herr der Diebe“ genannt, entpuppt sich allerdings im letzten Drittel als „Herr der Lügner“, weil kein Waisenkind, sondern Sohn aus ur-reichem Haus, von wo er die meiste „Beute“ mitgehen lässt.
Außerdem beauftragt die Tante einen Detektiv, die beiden Kinder zu finden. Und der Hehler, der den jungen Dieb:innen die Beute abkauft, vermittelt einen Spezialauftrag: Ein Löwenflügel soll gestohlen werden. Der gehört zu einer Figur auf einem Spezial-Karussell. Runden darauf können aus Kindern Erwachsen machen und umgekehrt.
Fabian Cabak als „großer“ Bruder Prosper, selber erst junger Jugendlicher, stemmt die Verantwortung für seinen kleinen Bruder Bo(nifazius) sehr glaubhaft. Samira Kossebau hat’s nicht ganz leicht – einen Fünfjährigen zu spielen ist keine Kleinigkeit. Dennoch gelingt ihr der Mix aus Naivität und doch schon schnellem Reinwachsen in die Figur des abgehauten Kindes. Clara Liepsch als Wespe ist die Schlaue der Bande, mit einem Schuss Fürsorglichkeit. Ihre eigene Lesefreude nutzt sie, um den anderen beim Einschlafen durch Vorlesen zu helfen. „Aufgelegt“, dass es Sätze aus „Tintenherz“, einem anderen berühmten Buch Cornelia Funkes sind. Julia Pitsch gibt ein weiteres Bandenmitglied, den toughen, etwas rauen Riccio. Scipio, wie der „Herr der Diebe“ heißt, den nur Bo auch Scip nennen darf, pendelt immer wieder zwischen den beiden Welten – Bande, wo er sich zu Hause fühlt und väterliche Villa, wo er ungeliebt, ja oft nicht einmal wahrgenommen wird. Julian von Hansemann muss da immer hin und her switchen.
Arthur Klemt gibt als Detektiv Victor Getz fast eine Witzfigur, tollpatschig und doch mehrmals seine „Genialität“ betonend. Einmal wird er von der Bande sogar in einen von Venedigs Kanälen geworfen, macht Trockenschwimmer-Bewegungen, um gleich danach natürlich staubtrocken weiter zu spielen. Er schlüpft noch in drei weitere Rollen – den Hehler Barbarossa, Scipios Vater sowie den Conte, der den Flügel-Diebstahl in Auftrag gibt. Klemt zeigt sich also sehr wandlungsfähig, wobei er als Conte obendrein – nach der Fahrt mit dem Ringelspiel noch als dessen kindliche Version bäuchlings auf einem Skateboard dahinrollt.
Wie eine Karikatur eines Klischees einer tussi-artigen kinderhassenden Tante hat Katharina Pichler ihre ersten Auftritte – mit mehrmals den selben Fast-Stolperern. Dafür darf sie als Ida Spavento, in deren Haus sich der Löwenflügel findet und die dessen Geheimnis kennt, große Herzlichkeit zeigen und spielen.
Wie schon in der Probenreportage – Link am Ende des Beitrages – bewundert, ist das wandelbare Bühnenbild (Flavia Schwedler) eines falt- und drehbaren riesigen Kerzenständers die ideale Kulisse. Ob verlassenes Theater, Villa von Scipios Vater, Venedigs Kanäle, der Markusplatz oder das angedeutete Karussell – alles ist möglich – und wird von den Schauspieler:innen selber immer wieder verwandelt. Nicht selten singen sie dabei. Manchmal wird das Stück sozusagen zu Musical-Szenen (Musik: Sebastian Herzfeld).
Das im Stück mehrfach angesprochene Thema, dass Erwachsene oft „vergessen“, wie sie als Kinder waren bzw. der Wunsch so mancher Kinder lieber erwachsen zu sein (Stichwort: selber bestimmen) kommt in vielen Kinderstimmen im Programmheft noch stärker zum Ausdruck. Die wurden im Burgtheaterstudio-Labor zum Stück „Herr der Diebe“ gesammelt – und sind in Flügelform abgedruckt.
PS: An den Adventsamstagen geht je ein Teil einer digital aufgenommenen Lesung mit Musik aus Cornelia Funkes „Hinter verzauberten Fenstern“ online – Details siehe Info-Box.
von Cornelia Funke
in einer Fassung – und Regie – von Rüdiger Pape
Ab 6 Jahren; 80 Minuten
Scipio („Herr der Diebe“): Julian von Hansemann
Prosper: Fabian Cabak
Bo: Samira Kossebau
Wespe: Clara Liepsch
Riccio: Julia Pitsch
Tante Esther Hartlieb/ Ida Spavento: Katharina Pichler
Detektiv Victor Getz/ Hehler Barbarossa/ Conte/ Dottore: Arthur Klemt
Regie: Rüdiger Pape
Bühne: Flavia Schwedler
Kostüme: Katrin Busching
Musik: Sebastian Herzfeld
Licht: Johannes Felber
Dramaturgie: Sebastian Huber
Ton: Moritz Schauer
Regieassistenz: Katharina Hochreiter
Bühnenbild-Assistenz: Franziska Huber
Kostüm-Assistenz: Emma Ursula Ludwig
Regie-Hospitanz: Annika von der Decken
Kostüm-Hospitanz: Feline Deilmann
Inspizienz: Stefanie Schmitt
Soufflage: Monika Brusenbauch
Requisite: Dominik Hofmann
Theaterpädagogische Stückbegleitung: Cäcilia Färber, Monika Haberfellner, Anna Manzano, Lara Lubienski
10., 11., 13., 15., 17., 19. 26 Dezember 2023
6., 22. Jänner 2024
und dann weiter im Spielplan dieser Saison
Burgtheater/Spielstätte Kasino am Schwarzenbergplatz
1010, Schwarzenbergplatz 1
Telefon: 01 51 444 45 45
burgtheater -> herr-der-diebe
Begleitend zum Familienstück „Herr der Diebe“ von Cornelia Funke gibt es eine mehrteilige Online-Lesung: Markus Meyer liest „Hinter verzauberten Fenstern“.
Julia bekommt zur Adventszeit einen Bilderadventkalender, ihr jüngerer Bruder Olli einen, der mit Schokolade gefüllt ist. Die Bilder von Julias Adventkalenders verändern sich nicht nur, man kann in sie auch einsteigen. Julia lernt die Bewohner:innen hinter den Fenstern kennen und kann dem König im Kalenderland schließlich mit Unterstützung von Olli einen großen Dienst erweisen.
Teil 1: Advent, ab 2. Dezember 2023, 10 Uhr
Teil2: Der magische Kalender, ab 9. Dezember 2023, 10 Uhr
Teil 3: Das Fest der Elfen, ab 16. Dezember 2023, 10 Uhr
Teil 4: Die Schokoladenburg, ab 23. Dezember 2023, 10 Uhr
Die vier Episoden erscheinen jeweils am Adventsamstag um 10 Uhr und sind bis 7. Jänner kostenlos abrufbar.
Cornelia Funke: Hinter verzauberten Fenstern. Eine Adventskalendergeschichte
Fischer Kinder- und Jugendtaschenbuch
Frankfurt am Main 2022
Video: Markus Lubej
Redaktion & Creative Producing: Anne Aschenbrenner
Musik: Sebastian Herzfeld
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